F1-Hybrid-Saatgut rehabilitiert
oder: F1-Hybriden sind nachbaubar und produzieren in der F2-Generation jede Menge Vielfalt.
F1-Hybrid-Saatgut wird in weiten Kreisen der Hobby-Gärtnerinnen und Sortenerhalter abgelehnt, weil es nicht nachbaubar sei und die samenfesten Sorten verdränge, die für die Vielfalt der Nutzpflanzen stehen.
Ich finde diese Kritik unberechtigt: F1-Hybrid-Saatgut kann nachgebaut werden und der angebliche Nachteil, dass die F2-Generation aufspaltet, ist für Menschen, die die genetische Vielfalt unserer Nutzpflanzen mehren wollen, sogar von Vorteil.
Ich werde in diesem Beitrag aufzeigen, dass nicht F1-Hybrid-Saatgut das eigentliche Problem ist, sondern der ständige Kauf von Saatgut. Auch diejenigen, die regelmäßig neue Samen von samenfesten Sorten kaufen, tun nur geringfügig mehr für die Vielfalt der Nutzpflanzen als diejenigen, die jedes Jahr F1-Hybrid-Saatgut in die Erde bringen.
Bevor Ihr mich steinigt, lest bitte den Beitrag bis zum Schluss, auch wenn er mal wieder lang ist und teilweise aus Fachchinesisch besteht (obwohl ich mich in diesem Fall besonders bemüht habe, allgemeinverständlich zu bleiben).
Warum hat F1-Hybrid-Saatgut einen schlechten Ruf?
Die Expertin Andrea Heistinger schreibt im „Handbuch Samengärtnerei“ (8. Auflage, 2015) auf S. 29, dass Hybridsorten ‚Einmalsorten‘ seien und Hybridsaatgut nicht sinnvoll weiter vermehrt werden könne und deshalb jährlich neu gekauft werden müsse.
Sie behauptet darüber hinaus: „Da Hybride nur einmal gesät werden können, können sie sich nicht verändern oder einem Standort anpassen. Sie bieten keine Grundlage für eine weitere Entwicklung der Kulturpflanzen und der Sortenvielfalt.“
Gärtner:innen sollten deshalb F1-Hybrid-Saatgut meiden, ist die gängige Schlussfolgerung aus den genannten Tatbeständen.
Ist der gute Ruf von samenfesten Sorten gerechtfertigt?
Wer dagegen samenfeste, vor allem „alte“ Sorten für seinen Anbau verwendet, der tut etwas Gutes, der tut etwas für die Sortenvielfalt und die Vielfalt der Nutzpflanzen, lautet die verbreitete Ansicht.
Ja, jede Sorte, die neben den „Industrie-Sorten“ angebaut wird, vermehrt die Sortenvielfalt; doch können sich samenfeste Sorten „verändern oder einem Standort anpassen“, wenn ihr Saatgut jährlich neu gekauft wird?
Diese Frage muss klar und eindeutig mit „Nein“ beantwortet werden; auch samenfeste Sorten entwickeln sich dann nicht.
Auch samenfeste Sorten sorgen nur begrenzt für mehr Vielfalt
Nehmen wir an, es gäbe von jeder Nutzpflanzenart nur eine einzige samenfeste Sorte und diese Sorte würde nur von einem einzigen Züchter erhalten, vermehrt und verkauft, alle Gärtner:innen in Deutschland würden also immer wieder das Saatgut von diesem einen Züchter kaufen, wohlgemerkt: Saatgut einer samenfesten Sorte; dann würden in allen Gärten Deutschlands genetisch gleiche Pflanzen wachsen.
Die Sorte würde sich nur bei dem einen Züchter weiterentwickeln (soweit dieser das zulässt).
Die Sortenvielfalt würde nur um diese eine Sorte vermehrt.
Richtig?
Erhöht sich die Anzahl der Sorten sowie die Anzahl der Züchter (Vermehrer), erhöht sich dadurch automatisch auch die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen: Es gibt mehr unterschiedliche Sorten in den Gärten.
Doch dies gilt für F1-Hybrid-Saatgut entsprechend; auch hier erhöht sich die genetische Vielfalt, wenn sich die Anzahl der angebotenen F1-„Sorten“ und die Anzahl ihrer Züchter erhöht.
Hinsichtlich der genetischen Vielfalt macht es bis hierhin keinen Unterschied, ob Deutschlands Gärtner:innen F1-Hybrid-Saatgut oder das von samenfesten Sorten kaufen und verwenden: Die genetische Vielfalt wird allein durch die Anzahl der angebauten Sorten bestimmt.
Wodurch wird die genetische Vielfalt einer Nutzpflanzenart vermehrt?
Die genetische Zusammensetzung einer Nutzpflanzen-Art wird immer dann verändert, wenn die Anbau- und Klimabedingungen sowie die subjektiven Auswahlkriterien auf Pflanzen dieser Art einwirken. Zu genetischen Unterschieden innerhalb einer Nutzpflanzen-Art kommt es, wenn die Samenträger unter unterschiedlichen Bedingungen wachsen und sie nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählt werden.
Das bedeutet, dass sich Nutzpflanzen und ihre genetischen Grundlagen immer dann verändern, wenn regelmäßig an vielen Orten und von vielen Menschen Saatgut gewonnen wird; dann wird die genetische Vielfalt innerhalb der Nutzpflanzen-Arten vermehrt.
Über die Frage, ob F1-Hybrid-Saatgut nun positiv oder negativ zu bewerten ist, entscheidet also letztlich allein die Tatsache, ob Saatgut von F1-Pflanzen gewonnen wird.
Dazu ist die Frage zu klären, ob überhaupt Saatgut von F1-Hybrid-Pflanzen gewonnen werden kann.
Kann man fruchtbare Samen von F1-Hybrid-Pflanzen gewinnen?
Andrea Heistinger behauptet: „Hybridsaatgut kann im Hausgarten nicht sinnvoll weiter vermehrt werden und muss jährlich neu gekauft werden.“
Wenn ich aber nun zeigen kann, dass es möglich ist, ohne große Probleme auch von F1-Hybrid-Pflanzen fruchtbares, sprich: keimfähiges Saatgut zu gewinnen, wäre F1-Hybrid-Saatgut kein bisschen schlechter zu bewerten als das Saatgut von samenfesten Sorten, oder?
Nun an denn: Ich werde im folgenden nachweisen, dass man fruchtbares Saatgut von allen F1-Hybrid-Pflanzen gewinnen kann.
Doch vorweg will ich klären, was unter F1-Hybrid-Saatgut zu verstehen ist – nur damit keine Missverständnisse auftreten.
Ich werde versuchen, mich heute kurz zu fassen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Wer eine ausführliche Darstellung vor allem über den Herstellungsprozess von F1-Hybrid-Saatgut braucht, kann meinen Beitrag „F1, F2, F3, hybrid-frei ist die Paprika“ studieren. Etwas kürzer habe ich den Sachverhalt schon in „Besser wissen“ dargelegt.
Was ist F1-Hybrid-Saatgut und welche Eigenschaften zeichnet es aus?
Als F1- oder Hybrid-Saatgut wird jede Art von Saatgut bezeichnet, das von (gezielt) gekreuzten Pflanzen geerntet wird. F1 bezeichnet die erste Kind-Generation nach einer (gezielten) Kreuzung; nichts weiter.
Für eine gezielte Kreuzung werden zumeist zwei Pflanzen verwendet, die unterschiedlichen, möglichst reinerbigen (homozygoten) Sorten, Linien bzw. Inzucht-Linien angehören.
Die 1. Kind-Generation (F1), also die Pflanzen, die aus solchem Kreuzungssaatgut (F1-Hybrid-Saatgut) erwachsen, haben zwei ganz besondere Eigenschaften: Sie erfreuen sich besonderer Wüchsigkeit und sie sind extrem einheitlich; ersteres beruht auf dem so genannten Heterosis-Effekt, das zweite ist durch die Regelmäßigkeiten der Vererbung bedingt, hier: durch die Uniformitätsregel (1. Mendel’sche Vererbungsregel).
Die 2. Kind-Generation (F2), also die Pflanzen, die aus den Samen der F1-Pflanzen erwachsen, zeigen das genaue Gegenteil: Sie sind extrem unterschiedlich; sie können besonders wüchsig sein, aber auch besonders mickrig. Die Eigenschaften der restlichen Pflanzen einer F2-Generation liegen dann irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.
Hier werden die 2. und 3. Vererbungsregel wirksam, die so genannte Spaltungs- und Unabhängigkeitsregel (die Eigenschaften spalten sich maximal auf und zwar meistens unabhängig voneinander).
Damit ist F1-Saatgut völlig hinreichend erklärt und beschrieben; mehr gäbe es dazu nicht zu sagen.
Also ist alles in Butter mit F1-Hybrid-Saatgut, nichts Schlimmes und Schlechtes haftet ihm an, wenn – ja wenn es da diese Geschichte über die „Unfruchtbarkeit“ der Samen von F1-Pflanzen nicht gäbe.
Was hat es mit der „Unfruchtbarkeit“ der F1-Pflanzen auf sich?
Wenn man über die Unfruchtbarkeit von F1-Hybrid-Pflanzen redet, muss man sehr genau zwischen „normalen“ Kreuzungen zweier homozygoter Sorten oder (Inzucht-)Linien und dem daraus entstehenden Saatgut und zwischen gewerblich erzeugtem Kreuzungssaatgut unterscheiden, dem gemeinhin unter der Bezeichnung „F1“ verkauften Saatgut.
In beiden Fällen hält man F1-Hybrid-Saatgut in Händen; denn auch bei den Kreuzungen zwischen zwei verschiedenen, reinerbigen (samenfesten) Sorten, die ich z. B. in meinem Garten vornehme (oder die Wind und Insekten tätigen), entsteht F1-Hybrid-Saatgut, das aber niemals (niemals!) irgendeine Unfruchtbarkeit in sich trägt.
Nur die heutigen, gewerblich erzeugten F1-Hybrid-Sorten besitzen eine Unfruchtbarkeit.
Es sind jedoch auch hier nicht grundsätzlich die Samen unfruchtbar, sondern der männliche Pollen kann bei einem Teil der F1-Pflanzen oder sogar bei allen unfruchtbar (steril) sein.
Die weibliche Geschlechtsanlage der F1-Hybrid-Pflanzen ist aber immer und in jedem Fall fruchtbar; das ist ganz wichtig zu wissen, das ist sogar entscheidend. Diese Tatsache wird im folgenden noch eine wichtige Rolle für die Einschätzung von gewerblichem F1-Hybrid-Saatgut spielen; ich komme gleich darauf zurück.
Pflanzen mit sterilen Pollen können sich aber nicht selbst („Selbstbefruchter“) oder andere Pflanzen („Fremdbefruchter“) befruchten; bei der Bestäubung mit unfruchtbaren Pollen bilden Pflanzen keine (fruchtbaren) Samen.
Diese Unfruchtbarkeit des männlichen Pollens ist aber keine prinzipielle Eigenschaft von F1-Hybrid-Saatgut, wie z. B. die Aufspaltung in der F2-Generation; sie ist allein dadurch bedingt, dass F1-Hybrid-Saatgut rationell und in großem Maßstab hergestellt wird, um das noch einmal zu wiederholen.
Warum haben F1-Hybrid-Pflanzen aus gewerblicher Zucht unfruchtbaren Pollen?
Bei der gewerblichen Erzeugung von F1-Hybrid-Saatgut ist die Pollensterilität aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig und zwar aus folgendem Grund:
Damit die beiden, vom Züchter ausgewählten (Inzucht-)Linien, aus denen das F1-Saatgut erzeugt werden soll, vom Wind oder von Insekten, also rationell, ohne aufwändige Handarbeit, korrekt miteinander befruchtet werden, müssen die Pollen der „Mutter“-Pflanzen steril sein.
„Korrekt miteinander befruchtet werden“ bedeutet: Die Blüten der „Mutter“-Linie, die das F1-Saatgut liefern sollen, dürfen nur mit dem Pollen der „Vater“-Pflanzen befruchtet werden, nicht mit den eigenen Pollen oder den Pollen benachbarter „Mutter“-Pflanzen.
Wenn die Pollen der „Mutter“-Linie nicht steril wären, müsste diese „korrekte“ Kreuzung in den meisten Fällen händisch/manuell mit einem unbezahlbaren Aufwand durchgeführt werden.
Der Pollen der „Vater“-Linie muss aber in jedem Fall fruchtbar (fertil) sein, damit eine Befruchtung der „Mutter“-Linie stattfinden und verkaufsfähiges, keimfähiges F1-Saatgut entstehen kann.
Diese Unfruchtbarkeit des Pollens kann auf verschiedene Weise bewirkt werden: Sie kann mit Hilfe von Chemikalien verursacht werden; aber oft liegt ihr ein „Gen-Schaden“ zugrunde. Manchmal liegt das schaden-auslösende Gen in einem Zellapparat / Zellorganell, einem so genannten Mitochondrion; dann spricht man von einer cytoplasmatischen männlichen Sterilität („Cytoplasmatic Male Sterility“, CMS).
Wenn die Pollen der F1-Pflanzen steril sind, können sie sich nicht selbst oder untereinander befruchten; dann bilden die F1-Hybrid-Pflanzen keinen fruchtbaren Samen und manche auch keine Früchte.
Deshalb müssen die Züchter von F1-Hybrid-Saatgut bei allen Pflanzen, deren Früchte und Samen genutzt werden (Paprika, Auberginen, Tomaten, Gurken, Zukkini, Melonen, Roggen, Mais), darauf achten, dass nur die Pollen der „Mutter“-Pflanzen, nicht aber die Pollen ihrer Nachkommen, der F1-Pflanzen, unfruchtbar sind.
Das geschieht dadurch, dass die „Vater“-Linie entsprechende Korrektur-Gene in die F1-Generation einbringt, so genannte „Restorer“-Gene, die den Gen-Schaden wieder „reparieren“.
In allen Fällen, in denen die Pollensterilität durch ein „normales“ Gen bewirkt wird, müssen die Züchter dabei nur die normalen Vererbungsregeln beachten.
Bei den „Frucht- und Samen“-Pflanzenarten sind die Pollen der F1-Pflanzen also (bisher) in jedem Fall fruchtbar; denn es sollen ja Früchte bzw. Samen entstehen. Somit sind auch die Samen dieser Arten bei F1-Pflanzen in jedem Fall fruchtbar (Ich habe bisher keine Probleme gehabt, Pflanzen aus den Samen gekaufter Paprika-Früchte oder Melonen zu ziehen, obwohl diese Früchte in der Regel von F1-Hybrid-Pflanzen des Massenanbaus stammen).
Bei „Nicht-Frucht“-Pflanzenarten (Zwiebeln, Möhren, Kohlarten), bei denen andere Teile als die Früchte bzw. Samen genutzt werden, können die Züchter die Sterilität des Pollens auch in den F1-Pflanzen wirksam bleiben lassen, da eine Samen- und Fruchtbildung hier nicht notwenig ist.
In diesem Fall können tatsächlich alle F1-Pflanzen unfruchtbare Samen haben – wenn, ja, wenn nur F1-Pflanzen mit sterilen Pollen zusammen blühen.
Hat Andrea Heistinger also recht: „Wird eine Hybridsorte weiter vermehrt, bildet sie nur unfruchtbare Samen aus…“?
Nun, für „Frucht- und Samen“-Pflanzenarten stimmt das garnicht, wie ich gerade gezeigt habe, und bei „Nicht-Frucht“-Pflanzenarten hängt das ganz davon ab, unter welchen Bedingungen man sie weitervermehrt.
Wie bilden auch F1-Pflanzen mit unfruchtbaren Pollen sicher fruchtbare Samen?
Die Antwort auf die Frage der Kapitelüberschrift habe ich im vorigen Abschnitt schon angedeutet: Probleme gibt es nur „wenn allein F1-Hybrid-Pflanzen mit sterilen Pollen zusammen blühen“.
Die Lösung ist also ganz einfach: F1-Hybrid-Pflanzen mit unfruchtbaren Pollen bilden auf jeden Fall fruchtbaren, keimfähigen Samen aus, wenn sie mit fruchtbaren Pollen bestäubt werden; denn die weiblichen Geschlechtsanlagen der F1-Hybrid-Pflanzen sind ja in jedem Fall fruchtbar und können fruchtbare Samen bilden, sie müssen eben nur mit fruchtbarem Pollen bestäubt werden.
Wie schon gesagt: Bei „Frucht“-Arten besitzt die F1-Generation immer fruchtbaren Pollen. Falls in späteren Generationen jedoch teilweise pollensterile Pflanzen auftreten, bilden auch diese fruchtbare Samen und somit Früchte, wenn ihre weiblichen Geschlechtsanlagen von Insekten, vom Wind oder durch die menschliche Hand mit fruchtbarem Pollen bestäubt werden.
Ebenso funktioniert das bei den „Nicht-Frucht“-Arten: Wenn man die pollensterilen F1-Hybrid-Pflanzen zusammen mit Pflanzen derselben Art blühen lässt, die fertilen Pollen besitzen, bilden auch die pollensterilen F1-Hybrid-Pflanzen fruchtbare Samen.
So lange es also innerhalb einer Nutzpflanzen-Art Pflanzen mit fruchtbaren Pollen gibt, kann man auch F1-Hybrid-Pflanzen mit sterilen Pollen fruchtbare Samen bilden lassen: Man muss sie nur zusammen blühen lassen.
Wenn man sich auf diesem Wege erst einmal keimfähiges (fruchtbares) Saatgut von F1-Hybrid-Pflanzen verschafft hat, kann man die Pollensterilität, wenn sie durch ein „normales Zell-Gen“ bedingt ist, mit der Zeit vollständig beseitigen.
Pflanzen mit unfruchtbaren Pollen können sich weder selbst noch andere Pflanzen befruchten, sie können diese Eigenschaft somit auch nicht weitervererben; deshalb wird die Pollensterilität nach einigen Generationen automatisch „wegselektiert“ – und schlussendlich bleiben nur noch Pflanzen mit fruchtbaren Pollen übrig.
Wie schon oben erwähnt, können die Pollen der „Mutterlinie“ auch mit chemischen Mitteln unfruchtbar gemacht worden sein; dann ist die Sterilität in den Folgegenerationen vollkommen verschwunden und der Nachbau der F1-Pflanzen somit überhaupt kein Problem.
Nur bei Pflanzen, deren Pollen durch den Gen-Schaden eines Zellorganells unfruchtbar sind, die also cytoplasmatisch steril sind, besitzen alle Nachkommen ebenfalls sterile Pollen, da die Mitochondrien nur von der Mutterpflanze weitergegeben werden; diese „unfruchtbaren“ Pflanzen fallen jedoch nicht auf, so lange Pflanzen mit fertilen Pollen zusammen mit ihnen blühen.
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass es auf jeden Fall möglich ist, fruchtbare Samen von F1-Hybrid-Pflanzen und ihren Nachkommen zu gewinnen.
Außerdem muss man wissen, dass Züchter gern auch samenfestes Saatgut mit dem Zusatz „F1“ versehen, um den Nachbau auf diesem Wege auszuschließen; denn aufgrund des herrschenden Vorurteils – F1-Pflanzen kann man nicht nachbauen – versucht dies niemand, wenn auf einem Samentütchen „F1“ steht.
Die Bewertung von F1-Hybrid-Saatgut
Wie ich oben gesagt habe, ist das einzige Kriterium für die Bewertung von F1-Hybrid-Saatgut: Kann man fruchtbare Samen von den F1-Hybrid-Pflanzen und ihren Nachkommen gewinnen oder nicht?
Wenn man das kann, ist F1-Hybrid-Saatgut genauso positiv zu bewerten wie samenfestes Saatgut; denn dann können sich die Nachkommen der F1-Hybrid-Pflanzen ebenfalls „verändern oder einem Standort anpassen“, F1-Hybride können dann genauso „Grundlage für eine weitere Entwicklung der Kulturpflanzen und der Sortenvielfalt“ sein wie samenfeste Pflanzen.
Ich hoffe, ich konnte im vorhergehenden Abschnitt klar genug darstellen, dass man auch von F1-Hybrid-Pflanzen fruchtbare Samen gewinnen kann; deshalb ist F1-Hybrid-Saatgut eindeutig positiv zu bewerten. Es gibt keinen Grund für die verbreitete, negative Einschätzung dieses Saatguts.
F1-Hybrid-Saatgut sollte hiermit vollständig rehabilitiert sein.
Warum sollte man Samen von F1-Hybrid-Pflanzen gewinnen?
F1-Hybrid-Saatgut kann also grundsätzlich nachgebaut werden, das sollte jetzt klar sein.
Es ist auch nicht verboten, es nachzubauen.
„Aber die Nachkommen der F1-Hybrid-Pflanzen spalten doch maximal in verschiedene Formen auf“, wirst Du jetzt einwenden, oder wie A. Heistinger formuliert: „Die Sorte als solche ist nicht beständig.“
„Na und?“ frage ich, „das ist ein Grund für den gewerblichen Land- und Gartenbau, F1-Hybrid-Saatgut nicht weiterzuvermehren und nachzubauen; denn dieser muss konkurrenzfähig bleiben und maximale Erträge von einheitlichem Erntegut erzielen; aber ist das auch für Dich als Hobby-Gärtner:in relevant?“
Nein, für Dich bietet diese Aufspaltung im Gegenteil eine großartige Chance! Du hast eine reiche Auswahl an Formen, Du hast unterschiedlich reagierende Pflanzen, Du hast die guten Gene der F1-Pflanzen in Deinem Garten!
Du solltest Dich freuen und einen Luftsprung machen! Aus F1-Hybrid-Saatgut kannst Du ausgezeichnete, eigene Sorten auslesen.
Ich möchte Dich in diesem Zusammenhang auf Informationsblätter des Kultursaat e. V. aufmerksam machen; dort wird berichtet, wie aus F1-Hybrid-Sorten von Zuckermais samenfeste Zuckermais-Sorten wie „Damaun“, „Mezdi“ und „Tramunt“ gezüchtet wurden, die heute von der Bingenheimer Saatgut AG vermarktet werden; auch die samenfeste Zuckermais-Sorte „Dolcina“ wurde aus F1-Hybrid-Mais entwickelt.
Wenn Du immer wieder Saatgut von den Nachkommen der F1-Pflanzen gewinnst, werden auch diese Pflanzen an Deine Standortbedingungen angepasst, sie entwickeln sich weiter und vermehren die genetische Vielfalt.
Voraussetzung dafür ist aber, dass Du eigenes Saatgut gewinnst. Allein durch die Saatgutgewinnung entwickeln sich Pflanzen, passen sich Pflanzen den Umweltverhältnissen an, vermehrt sich die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen. Die Saatgutgewinnung ist also entscheidend und nicht, ob das Saatgut ursprünglich von F1-Hybrid- oder samenfesten Pflanzen gewonnen wurde.
Ich möchte deshalb hiermit ausdrücklich dazu aufrufen, eigenes Saatgut zu gewinnen!
Dazu sollten neben samenfesten Sorten auch F1-Hybrid-Sorten genutzt werden; denn dieses Saatgut enthält wertvolle Gene der betreffenden Nutzpflanzenart, die dadurch in unsere Hände gelangen.
Beuten wir die großen Züchter-Konzerne aus, eignen wir uns ihr „genetisches Material“ an, anstatt dieses wertvolle „Material“ zu verteufeln und den Züchter-Konzernen das Monopol auf ihre hochwertigen Gene zu belassen!
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es
Allen, die die genetische Vielfalt unserer Nutzpflanzen maximal vermehren wollen, Spaß an eigenen Varietäten und Mischungen haben, lege ich ans Herz, eigenes Saatgut zu gewinnen, es mit anderen zu tauschen, es zu verschenken und es maximal zu verbreiten; auch selbst erzeugtes (F1-Hybrid-)Saatgut bringt genug Ertrag, wie ich hoffentlich in vielen meiner Beiträge mit den Abbildungen meines Ernteguts, z. B. bei Zwiebeln, zeigen konnte.
Ob Du zur Samengewinnung Pflanzen von samenfesten Sorten oder Pflanzen verwendest, die aus F1-Hybrid-Saatgut entstanden sind, oder ob Du beide als Ausgangsmaterial verwendest, ist völlig wurscht, Hauptsache Du gewinnst eigenes Saatgut!
Wenn Du regelmäßig neues Saatgut kaufst…
Nicht alle Gärtner:innen werden eigenes Saatgut erzeugen wollen oder können und deshalb regelmäßig neues Saatgut kaufen.
Wie sollte sich diese Gruppe zu F1-Saatgut verhalten?
Meine Empfehlung lautet: Wenn Du Dein Saatgut regelmäßig neu kaufst, solltest Du vor allem Saatgut von samenfesten Sorten kaufen. Damit unterstützt Du einerseits Erhaltungszüchter:innen und Initiativen, die diese Sorten erhalten (möchten) und kleine Firmen, die vom Samenbau leben (wie z. B. Dreschflegel oder Samenbau-Nordost). Andererseits erhöht jede Sorte, die zusätzlich zu den agro-industriell genutzten Sorten angebaut wird, die Sortenvielfalt und damit auch (ein wenig) die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen.
Wer auf maximalen Ertrag wert legt und optimale Anbaubedingungen bieten kann, sollte ohne schlechtes Gewissen F1-Hybrid-Saatgut verwenden; denn dieses dient diesem Zweck am besten. Man vermehrt damit zwar nicht die genetische Vielfalt, da das F1-Hybrid-Saatgut schon von den gewerblichen Anbauer:innen genügend genutzt wird; aber die Vermehrung der genetischen Vielfalt muss nicht unbedingt jedermanns Sache sein (auch wenn ich das gerne so sähe).
Jetzt aber Schluss; ich hoffe, ich konnte Dich überzeugen, dass F1-Hybrid-Saatgut nicht des Teufels ist.
Das darfst du ruhig auch weitererzählen…
Lieber Jürgen,
Was für ein toller und aufschlussreicher Text! Vielen Dank dafür.
Mir schlackern noch ein bisschen die Ohren.. Ich weiß nicht, ob ich alles wirklich verstanden habe…. : Also kurz gefasst sind die Nachkommen aus Samen einer F1-Tomate also F2 und können alle möglichen Erscheinungsformen / Erbgutkombinatiomen hervorbringen, die im Erbgut der Eltern der F1 angelegt waren, richtig soweit?
Ich habe nämlich vor ein paar Jahren Samen aus einer Supermarkt-Tomate aufgehoben, die ich sehr lecker fand. Und die habe ich nun schon drei Jahre in Folge erfolgreich in meinem Garten angebaut. Sie sind äußerst resistent gegen Braunfäule, was super ist, da ich kein Dach im Garten haben möchte. Und sie haben jedes Jahr an die 200 Früchte pro Pflanze. Was mir aufgefallen ist : sie sehen sich meistens alle sehr ähnlich, bis auf ein paar „Ausreißer“ :)
Nun neigen sich leider meine Samen dem Ende zu und hier kommt meine eigentliche Frage: Wenn ich also jetzt von den Tomaten in diesem Jahr Samen nehme, dann habe ich im nächste Jahr genau diese Pflanzen wieder? Sprich aus der eiförmigen kommt eine eiförmige, aus der runden eine runde, aus der mit geteilten Rispen wieder so eine usw?
Ich war mir bis jetzt nämlich unsicher, ob die Samen der 2. Generation mir auch so tolle Erträge liefern würde, und ob die Enkel der gekauften Zucht-Tomaten überhaupt was können.
Danke im Voraus!
Liebe Sylvia, vielen Dank für Lob, Kommentar und Fragen!
Beim ersten Teil, Deiner Zusammenfassung, liegst Du soweit richtig: Kinder von F1-Tomaten sind F2-Tomaten und spalten auf.
Bevor ich aber Deine Frage beantworten kann, muss ich selbst ein paar Fragen stellen:
Wenn aus den F1-Pflanzen immer nahezu gleich aussehende Pflanzen entstanden, dann scheint Deine Supermarkt-Tomate möglicherweise keine F1-Pflanze gewesen zu sein; denn Deine Nachzucht waren ja F2-Pflanzen, die ein größeres Spektrum an Mischungen hätten zeigen müssen. Wenn Deine Tomate also samenfest war, dann kannst Du auf jeden Fall auch aus den jetzigen Tomaten Samen entnehmen und die gleichen Pflanzen im kommenden Jahr erzeugen.
Ich habe auch einmal eine Supermarkt-Cherry-Tomate nachgezogen und hatte im ersten Jahr sehr ähnliche Nachkommen; erst in den Jahren darauf haben sie eine Wahnsinnsvielfalt offenbart (in diesem Jahr – es müsste schon die F5 sein – habe ich besonders viele Varianten); aber ich habe immer die Samen der entstandenen Pflanzen ausgesät, also der F2-, F3- und F4-Generation.
Du solltest auf jeden Fall Samen Deiner Tomaten nehmen; denn auch wenn sie in der F3- oder den folgenden Generationen stärker aufspaltet, so hast Du doch die guten Erbanlagen der Ursprungstomate in den entstehenden Pflanzen. Du musst dann vielleicht nur entsprechend selektieren und Dir in den Folgejahren immer nur Samen von den Pflanzen nehmen, die die besten Eigenschaften zeigen.
Mit ein wenig Glück hast Du nach ein paar Jahren dann eine richtig gute, samenfeste Sorte (ohne Namen), die immer die gleichen Nachkommen bringt und der Ausgangstomate bzw. Deinen jetzigen F2-Pflanzen sehr ähnlich ist…
Viele Grüße
Jürgen
Lieber Jürgen,
vielen Dank für Deine Antwort und all die Infos!
Und sorry für die späte Antwort, die ich jetzt aber nachreiche. :)
1) Du hast also einmal Samen der Supermarkt-Tomate geerntet und diese drei Jahre hintereinander zum Anbau verwendet?
>> Genau, ich habe 3 Jahre in Folge die Samen von damals genommen. Da die jetzt aber fast alle sind, hatte ich eben genau diese Frage, ob es Sinn macht, von den Nachkommen Samen zu nehmen. Ich dachte irgendwie, dass das Quatsch wäre aber dank Deiner Antwort habe ich das jetzt endlich mal gemacht (von denen, die ich toll fand).
2) Wie viele Pflanzen hattest Du ungefähr in jedem Jahr?
>> Ich hab jedes Jahr zwischen 8 und 10 Pflanzen aus den Ursprungssamen gezogen.
3) Sind dabei immer gleich aussehende Tomatenpflanzen und -früchte entstanden?
Waren die „Ausreißer“ ganze Pflanzen oder nur einzelne Früchte an einzelnen Pflanzen?
Hattest Du nun eiförmige, runde und welche mit geteilten Rispen unter den Nachkommen oder waren das nur theoretische Beispiele?
>> Es kamen aus den Samen immer auch Cocktailtomaten, aber unterschiedliche. Dieses Jahr hatte ich 2 „geriffelte“ mit paarweise gleichmäßigen Rispen, eine herzförmige mit paarweise gleichmäßigen Rispen, eine tropfenförmige mit paarweise gleichmäßigen Rispen, eine mittelgroße runde mit paarweise gleichmäßigen Rispen, eine kleinfrüchtige runde mit Fächer-Rispen , eine größerfruchtige mit Fächer-Rispen und eine eiförmige mit Fächer-Rispen. Die „Ausreißer“ waren immer ganze Pflanzen.
Ich habe mir Deinen Tipp zu Herzen genommen und von denen, die mir diese Jahr sehr gefielen, Samen genommen. Bin gespannt was nächstes Jahr passiert. :) (Und ich habe auch neue Supermarkt-Tomaten „entkernt“…)
Die Idee, mir immer die besten Samen aufzuheben und neu auszusäen ist genau das was ich wollte: standortangepasste Tomaten nach Gusto :D
Danke noch mal für Deine ausführlichen Erklärungen – ich habe die Erfahrung gemacht (und habe mich davon „anstecken“ lassen), dass viele Menschen F1 ablehnen und die Möglichkeit des eigenen Weiter-Anbaus mit solchen „unreinen“ Samen gar nicht in Betracht ziehen.
Du bringst da echt Licht ins Dunkle. Super und Danke dafür!
Viele Grüße,
Sylvia
Liebe Sylvia,
vielen Dank für Deine Antworten!
Wenn Die Samen derart stark aufspalten, wie Du berichtest, dann war die Ausgangstomate ganz sicher eine F1-Hybrid-Tomate; Du bekommst also noch ein paar Jahre eine „bunte Mischung“!
Du solltest aber sicherheitshalber auch ein paar Samen von den nicht so guten Pflanzen aufheben; denn auch diese spalten weiterhin auf und können noch interessante bzw. gute Eigenschaften zeigen. Also nicht zu früh zu stark selektieren…
Witzig, dass Du von „unreinen“ Samen schreibst… Mein nächster Beitrag wird ausführlich von „Unreinen Tomaten“ handeln…
Viele Grüße und maximalen Erfolg bei Deinen „Zuchtbemühungen“! (es kann eigentlich garnichts schiefgehen dabei)
J:)
Toll, danke für das Licht im Dunkeln… dieses Jahr habe ich erstmalig eine Tomate F1 Hybride, eine Pflanze bei Alnatura in Köln/Weiden gekauft, mit einem fast schlechten Gewissen… Sie schmeckt so hervorragend, dass ich jetzt ermutigt bin, davon Samen aufzubewahren und selber zu verwenden, den Namen der Tomate weiß ich leider nicht mehr.
Hallo PeHo, danke für Deinen Kommentar!
Ich würde mich freuen, wenn Du hier berichtest, was aus den Samen Deiner F1-Hybride geworden ist…
Liebe Grüße und viel Erfolg!
J:)rgen
Tobias Wolfelsperger
F1 Samen sind super um weiterzuzüchten.
Aber bedenkt: Der F1 Samen muss, bevor man ihn bestäubt und neue Samen macht, durch Ableger weitervermehrt werden. Um so die Sorte zu stabilisieren.
Ich arbeite an einer neuen Hybridzüchtung:
Man nimmt einen F1 Samen und lässt diesen mit einer anderen Sorte am besten auch F1, aber nicht zwingend notwendig, sich kreuzen. Zuvor nimmt man Ableger. Diese Ableger lässt man wachsen. Die Mutterpflanze hat also nach einer kurzen Zeit Samen. Diese Samen nimmt man und setzt sie ein. Dabei beobachtet man, welche Pflanze den besten Phänotypen aufweist. Dann nimmt man diesen und kreuzt sie durch eine männliche Pflanze, wenn Sie zweigeschlechtlich ist. Somit erhältst du dann eine neue eigene Sorte. Durch die Rückkreuzung hast du die Pflanze stabilisiert. Die nächsten Pflanzen werden eine Mischung aus männlichem und weiblichem Phänotyp. Du kannst so durch Selektion eine eigene Sorte entwicklen. Aber bedenke, man braucht viele Pflanzen, um die gewünschten Kriterien zu züchten. Die einen wollen eine grosse Pflanze. Die anderen wollen dünne Pflanzen, damit Sie viel auf die Fläche hinbekommen, um so den Gesamtertrag zu steigern. Man muss also mit einem Zuchtziel Pflanzen vermehren. Man muss wissen, was man erreichen will.
Lieber Tobias, danke für Deinen ausführlichen Kommentar und die Beschreibung des Weges, den frühere, konventionelle Züchter gehen mussten bzw. gegangen sind (aber auch heute noch gehen), um auf schnellstem Wege neue, stabile, d. h., samenfeste Sorten zu erzeugen. Das sollte/kann jede:r machen, der:die ein Zuchtziel hat.
Viele Grüße und viel Erfolg beim Züchten neuer Sorten!
Jürgen
Hallo Jürgen, sehr interessanter Artikel. Hast du evtl. Erfahrungen mit Hokkaidokürbis-Samen, die aus einer F1-Pflanze (aus gekauftem Saatgut) gewonnen wurden? Ich versuche das in dieser Saison, aber ich hätte gerne schon mal Erfahrungsberichte von anderen, quasi vorab einen „Blick in die Wundertüte“ werfen. VG. Bine
Hallo Bine, danke für Kommentar und Lob!
Ich habe anfangs auch „Hokkaido“-Kürbisse aus den Samen gekaufter Früchte gezogen, die höchstwahrscheinlich F1-Hybriden sind. Sie sahen ein bisschen anders aus (hatte ich den Eindruck); da ich aber Samen verschiedener Früchte verwendet habe, kann ich nichts Genaues sagen.
Ich würde sagen, dass die beiden Inzucht-Linien, die für die F1-Samen verwendet werden, keine großen, für einen Laien sichtbaren Unterschiede aufweisen, dass Du also mit ziemlicher Sicherheit wieder einen „Hokkaido“-Kürbis bekommen wirst.
Ich würde mich aber auf jeden Fall freuen, von Dir letztlich einen Einblick in Deine „Wundertüte“ zu bekommen…
Viele Grüße
Jürgen
Ein Bericht, der wieder mal zeigt, dass die Schreiberin den Sinn nicht verstanden hat – und wie man sich auch alles schönreden kann…
Am Foto-Beispiel der Tomaten („F1-Hybrid-Tomate im Original…“ „und im Nachbau“) – ca. im zweiten Drittel des Berichtes – sieht man schön, wie die gentechnisch manipulierten Pflanzen – falls sie fruchtbar sind – sich wieder in ihre Ursprugssorten teilen. (Davon setzt sich meist eine stärker durch als die andere.)
D.h., die Aussaat des „F2“ ergibt KEINE VIELFALT, denn es ist das nichts weiter als die Zurückverwandlung der beiden ursprünglichen Sorten. Also ist es KEIN NEUES SAATGUT!!!!
Bsp. anhand der Erdbeere: Sorte A ist meist robust gegen Schädlinge, oft auch hochwüchsig und lange lagerfähig, hart, hat aber kein Aroma – außer z.B. Säure (Das ja nun kein Aroma ist)…
Sorte B schmeckt vorzüglich – so wie man sich eine Erdbeere vorstellt, ist aber nicht lange lagerfähig und nicht sehr resistent gegen Schädlinge und anfällig gegen Fäule.
Ich bevorzuge z.B. bei Erdbeeren die Sorte „Senga Sengana“, die man aber schnellstens verbrauchen/verarbeiten muss, sonst faulen sie. Aber sie schmecken wie richtige Erdbeeren und nicht wie rotgefärbte saure Kohlrabi-Wasserbeutel.
Die viel gehypte „Vielfalt“ dient nur der Verdummung der Käuferin. Es gibt so viele Sorten!!!!! Und aus diesen kann man auf herkömmlichem Wege – ja das ist sehr zeitaufwändig und arbeitsintensiv – neue Sorten züchten. Aber ob die überhaut jemand braucht??? Es gibt übrigens noch so viele ursprüngliche /natürliche Sorten, die man mal ausprobieren sollte…
Liebe Heidi,
vielen Dank für Deinen engagierten Kommentar!
Leider muss ich Dir genauso engagiert widersprechen: F1-Saatgut, auch das der Groß-Konzerne, ist eine Kreuzung aus zwei verschiedenen, möglichst „reinen“ Linien (Du könntest auch „Sorten“ sagen, wenn sie amtlich zugelassen wären und einen Namen bekommen hätten). Bei dieser ersten Kreuzung ist eine bestimmte, gesetzmäßige Wirkung der Gene sichtbar, die von Gregor Mendel entdeckte „Uniformitätsregel“; alle Nachkommen haben identische Erbeigenschaften und sehen somit ziemlich gleich aus.
In der F2-Generation, wenn sich also die F1-Pflanzen generativ weitervermehren, findet eine willkürliche Verteilung der Chromosomensätze auf die Nachkommen statt nach der ebenfalls von Mendel beschriebenen „Aufspaltungsregel“: Die Chromosomen werden dabei nicht wieder in die Chromosomensätze der Eltern (F0) zerlegt, sondern, wie gesagt, völlig neu aufgeteilt; es entstehen viele, ganz neue Varianten.
Genau aus diesem Grund können gewerbliche Anbauer:innen das F1-Saatgut nicht selbst nachbauen; denn die F2-Generation spaltet sich in viele verschiedene Formen auf.
Wenn die F2-Generation einfach nur wieder die Ausgangeltern ergeben würde, könnte sich ja jede:r in der nächsten Generation selbst wieder feines, hochwertiges F1-Saatgut herstellen.
Bitte schau Dir mal die 2. Vererbungsregel, die Aufspaltungsregel, ganz genau an, damit Du weißt, was in der F2-Generation passiert…
Als „Verdummung“ möchte ich die Behauptung (von den wenigen Saatgut-Vermehrer:innen) bezeichnen, dass man durch den Kauf von Saatgut „alter“ Sorten und deren Anbau die Vielfalt erhalten würde. Wenn 10 oder auch 100 Sorten mehr angebaut werden (die von 5 oder 10 kleinen Betrieben vermehrt werden), ist das nur eine minimale Vermehrung der Vielfalt (habe ich in „Sorten erhalten war gestern“ ausführlich begründet).
Nur wenn 10.000e ihr Saatgut wieder selbst vermehren, dann gibt es eine genetische Vielfalt, die wieder der Rede wert wäre… …dabei ist es völlig egal, welches Saatgut vermehrt wird: Die Hauptsache ist, dass man es vermehren kann! (aber eine solche Vorgehensweise passt nicht in eine Marktwirtschaft; nicht die Großkonzerne sind schuld, sondern das Konkurrenzsystem, in dem wir leben)
Viele Grüße, Jürgen
Man kann jeden Hybrid durch vorige Ableger rückkreuzen. Um so eine neue stabile Sorte zu gewinnen. Es braucht Zeit, verschiedene Standorte und viele verschiedene Phänotypen. Damit das Zuchtzeil erreicht werden kann.
Man kann immer durch Selektionen neue Sorten kreieren. Aber bedenke, um sie sortenstabil zu machen, muss man rückkreuzen. Das spart viele Jahre der normalen Selektion.
Hallo, ich würde gerne mehr zum Thema Samenfest Sorten aus Hybrid Saatgut züchten lesen. Leider finde ich keine passenden Artikel. Können Sie mir bitte Lektüren und Artikel dazu nennen/empfehlen?
Lg Janine
Hallo Janine,
wenn Du bei einer Suchmaschine z. B. „dehybridization of f1-hybrids“ eingibst (mit Anführungszeichen), bekommst Du eine Menge Ergebnisse, die Du studieren kannst. Die meisten sind (leider) auf Englisch, da sich in Deutschland viel weniger Menschen mit dieser Thematik beschäftigen; aber auch für die Suchanfrage „Dehybridisierung von F1-Hybriden“ bekommst Du einige interessante Seiten angezeigt.
Du musst einfach mal schauen, was Du gebrauchen kannst.
Ich habe mich mit der Dehybridisierung noch nicht so eingehend befasst, dass ich Dir eine Liste mit Informationen nennen könnte; aber vielleicht kannst Du mir ja am Ende Deines Studiums mehr dazu mitteilen; ich würde mich freuen (ansonsten habe ich das Thema mal für einen Beitrag vorgemerkt).
Auf jeden Fall wünsche ich Dir Erfolg bei der Recherche!
Liebe grüße
J:)rgen
Hallo Jürgen,
das ist ein sehr interessanter Artikel über F1-Saatgut. Ich habe mir jetzt auch ein paar Tütchen (sauteueren) F1-Samen gekauft. Und zwar deswegen:
Ich habe mich erst in den vergangenen 3 Jahren mit Tomaten beschäftigt und in meiner ersten Euphorie zig Sorten aus dem Internet bestellt. Nachdem ich letztes Jahr eine Sorte dabei hatte, die total mehlig war und nach absolut nix schmeckte, habe ich mich derart geärgert, dass ich mir Gedanken über Saatgut gemacht habe.
Man möge mir verzeihen, ich bin Anfängerin. Aber ich dachte tatsächlich, wenn ich eine Tomatensorte von einem anderen Hobby-Gärtner kaufe, kommt genau diese Sorte dabei heraus. Offensichtlich ist das aber gar nicht möglich, wenn ich mir Deine Erklärungen anschaue.
Da verkaufen Privatpersonen auf professionell angelegten Homepages ihre eigenen Samen unter dem Ursprungsnamen der F1-Züchtung. „Philovita“ zum Beispiel, eine braunfäule-tolerante Freiland-Tomate. Und ich Depp kaufe die Samen, obwohl das dann wahrscheinlich die zwanzigste Generation ist, die mal unter dem F1-Hybrid „Philovita“ gezüchtet wurde. Und die möglicherweise inzwischen weder schmeckt noch freilandtauglich ist.
Mich würde mal interessieren, ob Du/Ihr damit auch Erfahrungen gemacht habt. Ich habe mir Saatgut von einer Tomate aufgehoben, die ich letztes Jahr super toll fand (ähnlich der Tigerella) und sie nun wieder gezogen. Jetzt habe ich Angst, dass die Früchte ganz anders schmecken als die vom letzten Jahr und die ganze Arbeit und Pflege umsonst waren.
Habt Ihr das so erlebt? Kauft Ihr dann immer wieder F1 nach, oder sind Tomaten noch schmackhaft, wenn sie 10 Generationen hinter sich haben? Ich bin total verunsichert, ob ich mir noch Samen aufheben soll oder jedes Jahr neue Tütchen kaufen.
Herzliche Grüße und vielen lieben Dank.
Iris
Liebe Iris,
F1-Hybrid-Tomaten lassen sich nicht sortenecht weitervermehren; sie spalten in der F2-Generation immer auf. Wenn Du also Samen einer F1-Tomate von einer Privatperson gekauft hast, hast Du mit Sicherheit keine F1-Samen bekommen: F1-Hybrid-Saatgut kann nur der Züchter bzw. seine Erfüllungsgehilfen produzieren.
Wenn Du nun Samen einer F1-Tomate aufgehoben hast, wirst Du bei der Aussaat sicher nicht dieselben Tomaten bekommen; aber es bedeutet auch nicht, dass sie schlechter sein müssen.
Es ist mehr eine Überraschung, was man bekommt.
Alle Tomaten schmecken zumindest als Tomatensoße oder im Salat.
Wie häufig eine Tomate nachgezogen wird, spielt für den Geschmack die geringste Rolle; so lange sie sortenecht ist und sich nicht mit einer anderen Sorte vermischt (kreuzt), sollten ihre Eigenschaften in der Regel erhalten bleiben. Es kann natürlich immer zu Mutationen kommen; deshalb sage ich „in der Regel“.
Wenn Du offen bist für das, was die Natur Dir schenkt, und dann schaust, was Du damit machst, sind Arbeit und Pflege nie umsonst. Finde ich.
Also, nur keine Hemmungen, frisch drauflos gesät! Irgendwas Schönes kommt immer dabei heraus!
Viel Spaß, aber auch gewünschte Erfolge wünsche ich Dir!
Jürgen
Vielen Dank für den interessanten Artikel, von dem ich leider nur die Hälfte verstanden habe, weil ich von der Marterie keine Ahnung habe, wie Sie wahrscheinlich gleich an meiner Frage sehen werden :-)))), aber interessant, weil ich bisher F1 auch als negativ eingestuft habe. Meine Frage wäre:
Ich kann zwar aus F1 Tomaten nachziehen (als F2), aber bekomme nicht die Sorte, als die ich sie gekauft habe?
Das ist bei der F2-Generation völlig ausgeschlossen?
Ich habe aus dem Internet eine Sorte bestellt, die als samenfest deklariert war. Als ich nun nach der Sorte geschaut habe, welche Eigenschaften etc. sie hat, habe ich festgestellt, dass es diese Sorte nur als F1 zu kaufen gibt. Der Verkäufer baut diese Sorte aber nach eigenen Aussagen wohl schon lange an und kann garantieren, dass sie samenfest ist.
Ist diese Sorte dann von vorneherein, wie oben im Text von Ihnen schon erwähnt, wohl eher eine Sorte, die nur aus marktwirtschaftlichen Gründen als F1 deklariert ist, aber gar nicht ist?
Oder hat er bei der F2-Nachzucht die vermehrt, die wie die F1 waren?
Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Antwort.
Liebe Daniela, vielen Dank für Deinen kompetenten Kommentar! (aus Deinen Fragen wird Dein Verständnis mehr als ersichtlich)
Ich will mal versuchen, Deine Fragen kurz zu beantworten:
Ich hoffe, ich konnte Deine Fragen zufriedenstellend beantworten; ansonsten frage ruhig weiter…
Viele Grüße
Jürgen
Lieber Jürgen,
Da kann ich Dir nur zustimmen. Auch wenn ich bisher nur bei einigen Gemüsearten eigenes Saatgut verwende, habe ich mittlerweile unheimlich viel Freude daran gewonnen. Natürlich kaufe ich hier und da auch neue spannende Sorten dazu, aber die können sich wieder mit meinen eignen kreuzen. Danke für die Anregung die Samengewinnung noch weiter auszubauen : )
Sehr interessanter Beitrag. Bisher hatte ich nur den Balkon und habe dort immer nur Tomaten, Gurken und auch mal Melonen angepflanzt zusätzlich zu Himbeeren und Erdbeeren, die ich bei dem Thema mal aussen vor lasse. Bei Tomaten habe ich selbst immer mal wieder die Samen der gekauften F1 Pflanzen verwendet und hatte immer wieder sehr gute Erfahrungen damit. Liegt eventuell auch an der Nähe zu anderen Gärten. Habe aber dann mal bei Amazon ein Paket mit Samen alter Sorten gekauft und nutze seitdem diese da noch nicht alle Sorten getestet. In diesem Jahr habe ich nun auch einen Garten zur Verfügung und einen noch sehr viel größeren Balkon, der weiterhin für Tomaten genutzt wird, da ich in Kübeln sehr gute Erfahrungen und Ausbeute habe. Ich behalte das Gelesene mal im Hinterkopf und probiere selber mal ein wenig herum.
Hallo Thomas,
danke für Deinen Bericht!
Selbst ausprobieren, ist das einzig Wahre. Durch Lesen oder Erklärt-bekommen gewinnt man einen ersten Einblick in die Materie; aber erst wenn man sich längere Zeit mit Dingen beschäftigt, versteht man sie (etwas) besser und irgendwann vielleicht „wirklich“.
Viel Spaß und Erfolg im Garten und auf dem Balkon!
Jürgen
Hallo an alle.
Ich habe letzten Herbst Stecklinge von meinen besten Tomaten und sonstigen Pflanzen genommen und im kühlen, leicht temperierten Raum mit Pflanzenleuchten (Ikea) gezogen; war sehr erfolgreich. Licht tagsüber eingeschaltet lassen und abends aus; soll nicht nach Kannabis aussehen.
Hallo Hermann, danke für Deinen Hinweis!
Ein paar Fragen habe ich noch:
Hast Du die Stecklinge in Blumentöpfen und Erde gezogen?
Hat das Licht während des doch kurzen Wintertages für die Stecklinge gereicht, haben sie sich also grün erhalten, sind nicht vergeilt und normal weitergewachsen, so dass Du sie im Frühjahr gut entwickelt ins Freiland (oder Gewächshaus bzw. Folientunnel?) aussetzen konntest?
Wann konntest Du mit dieser Methode Deine ersten Tomaten ernten?
War die Ernte genauso gut wie im Jahr zuvor?
Wiederholst Du dieses Experiment in diesem Jahr, so dass Du eine Pflanze mehrere Jahre nutzen kannst?
Würde mich über aufklärende Antworten freuen!
Beste Grüße
J:)rgen
Hallo J:rgen
Das war mein erstes Experiment im letzten Winter. Ich habe einen ehemaligen Stall, der im Winter so um die 10 Grad hat, da noch ein Holzofen in einer Entfernung etwa 5-7 Meter in Betrieb ist. Die Stecklinge werden ungefähr jetzt vorbereitet, sobald es nachts kalt wird. Ich nehme dazu etwas Erde aus den Töpfen der durchwachsenen alten Blumen (Wurzelerde), dann gewaschenen Sand, ein wenig Gartenerde und Aufzuchterde, mische dies schön durcheinander, dann nehme ich kleine Tontöpfe mit Löchern, lege ein paar Grillkohlen auf die Löcher und fülle diese mit der Mischung Erde. Jetzt Stecklinge abschneiden und einstecken; bei Tomaten geht das sehr gut.
Die Pflanzen wachsen bei diesen Temperaturen nicht so schnell; muss vielleicht ein Austriebsmittel gegen Schädlinge spritzen; wenn sie zu schnell wachsen, kann man nochmals Stecklinge ziehen. Ernte war top, Tomate hatte einen Vorsprung.