Bohnopoly

oder: Was aus einer zufälligen Kreuzung meiner Bohnensorten entstanden ist.

Während die Nachbarn Krach machten, der Himmel langsam zuzog und es spürbar kälter wurde, spielte ich Bohnopoly, d. h., ich machte mir den Spaß, den Ertrag meiner Afrikanischen Trockenbohne mal ganz genau zu analysieren.
Wie das Spiel ausging und welchen Platz meine anderen Trockenbohnensorten einnahmen, erfahrt Ihr in dem Beitrag von heute.

Auch die Woche vom 15. – 21. Oktober war es ja noch sommerlich und ich hätte am vorhergehenden Wochenende auf die Vorsichtsmaßnahme verzichten können, auch die Afrikanische schon unter Dach und Fach zu bringen; dann wären vielleicht noch ein paar mehr Hülsen ausgereift („Die Hülse sieht der Schote ähnlich, ist aber durch das Fehlen einer Scheidewand im Inneren leicht von dieser zu unterscheiden. Die Hülsen von Bohnen, Erbsen und weiteren Hülsenfrüchtlern werden entgegen der botanischen Klassifikation oft fälschlicherweise als „Schoten“ bezeichnet.“ Wikipedia macht manchmal schlauer).

Die anderen Bohnensorten hatte ich schon drei Wochen zuvor für reif und trocken genug gehalten, um die Pflanzen abzuschneiden (ich lasse ihre Wurzeln wegen der anhängenden stickstoff-produzierenden Knöllchen im Boden) und die anhängenden Hülsen zu pflücken.
Ich hatte bald danach auch ihre besten Hülsen als Saatgut für das kommende Jahr ausgewählt und den Rest ausgepuhlt.

Eine Trockenbohne aus Afrika

Am Samstag, dem 20. Oktober, war also die Afrikanische dran.

Die Kerne einer anderen Pflanze der Afrikanischen Trockenbohne

Wie sie in meinen Besitz gekommen ist, habe ich schon mal erwähnt, aber ich erzähle es hier kurz noch mal: Als ich im Herbst 2010 meine Freundin Sylke in Ruanda besuchte, machte sie mit mir einen Wochenendausflug an den Kivu-See. Bei einem Rundgang durch Kibuye, einer Kleinstadt dort, fand ich ein paar (meiner Erinnerung nach) rote Bohnen auf der Straße.

Solche Geschenke lasse ich selten liegen.

2013 machten diese Findlinge dann zum ersten Mal Bekanntschaft mit deutschem Gartenboden – aber auch mit der Gemeinen Wegschnecke: Nur eine Pflanze konnte mir zeigen, was in ihr steckte, nämlich weiße Bohnen mit unregelmäßiger, dunkel-roter Zeichnung.

Ernte einer spät reifenden Afrikanischen

Das war ein bisschen enttäuschend; denn ich stehe besonders auf rote Bohnen (obwohl meine Lieblingsbohne strahlend-weiß ist – dazu weiter unten mehr).

In den folgenden Jahren vermehrte ich die afrika-stämmige Bohne in jedem Jahr, sie machte keine großen Mucken, passte sich klaglos dem hiesigen Klima an.

In allen bisherigen Anbaujahren betreute ich alle meine Bohnenpflanzen nur so lange, bis sie undurchdringlich über- und ineinandergefallen waren und von Schnecken gnadenlos heimgesucht wurden. Dann gab ich auf und überließ sie ihrem Schicksal.

Beerntet wurden sie erst kurz vor Toreschluss, kurz bevor ich den Garten dem Winter anheimgab.
Entsprechend sah zumeist das Ergebnis aus: viele Bohnen waren schimmelig und unansehnlich.

Da die Familie keine große Liebhaberin von Bohneneintöpfen war/ist, habe ich, glaube ich, noch Bohnen von vor drei Jahren im Küchenschrank.

Meine Garten-Bohnensorten im Überblick

In diesem Jahr war meine Pflege nicht viel intensiver, aber der Sommer sehr viel gnädiger: Er ließ Schnecken, Schimmel und Fäulnis keine Chance. So konnte ich die besten Bohnen ever ernten.

Hübsch anzuschauen, sind die Hülsen der „Borlotto Rosso“-Bohnen

Hier mal ein kleiner Überblick über den Ertrag meiner fünf anderen Bohnenreihen – es handelt sich dabei ausschließlich um „Gartenbohnen“ (Phaseolus vulgaris); ich betone das, weil es auch noch „Feuerbohnen“ (Phaseolus coccineus) gibt: meine Gartenbohnen bestanden aus den Sorten „Borlotto Rosso“ (seit 2013 im Anbau; in einem Billig-Markt erstanden, möglicherweise von Samen-Pfann), „Braune Holländische“ oder „Noordhollandse Bruine“ (2013; Kiepenkerl), einer roten Kidney-Bohne (2017; in einem Bio-Markt als Speisebohne erstanden, Herkunftsbezeichnung „China“), einer violetten Flageolet (2013; VERN) sowie einer schwarzen Mini-Bohne (2016; aus Bioladen und ebenfalls chinesischen Ursprungs).

Daneben wuchsen noch zwei Reihen mit Buschbohnen, die ich grün verzehren wollte: die schwarz-kernige „Telstar“, meine grüne Lieblingsbohne sowie… tja, es sollte eine Buschbohne mit weißen Kernen sein, aber – gleich mehr dazu.

Neben diesen busch-artigen Bohnen habe ich noch sich windende Sorten gezogen, auch Stangenbohnen genannt.

Mein erster Versuch in 2014 mit „Mombacher Speck“ (Quedlinburger Saatgut) und „Ascherslebener Meisterwerk“ (VERN) war nicht sehr erfolgreich.

Der „Mombacher Speck“ tauchte jedoch in diesem Jahr unvermutet zwischen meinen Bohnen wieder auf: Ich hatte seine weißen Samen für die einer Buschbohne gehalten – sie waren (natürlich) nicht anständig beschriftet. Eine Zeitlang ließ ich sie wachsen, gab ihnen sogar Stangen zum Festhalten, aber dann wurde mir ihr Wuchern zu unheimlich und ich machte ihnen den Garaus. Anhand der folgenden Bildergalerie kann man das ganz gut nachverfolgen.

Die Stangenbohne „Blauhilde“ (N.L.Chrestensen) wurde mir jedoch eine liebe Freundin, die seit 2015 meinen Garten ziert, ohne viel zu meiner Ernährung beizutragen. Ihre schönen violetten Hülsen habe ich zweimal verschenkt, ihre beigen Bohnen einmal zu einer Bohnensuppe verarbeitet; ansonsten sammeln sie sich als „Saatgut“ vielerorts an.

Meine Lieblingsbohne

Meine absolute Lieblingsbohne ist aber die „Türkische Maisbohne“, wie ich sie nenne; auch sie habe ich als Speisebohne in einem türkischen Lebensmittelgeschäft gekauft.

Meine Maisbohne, frisch geerntet

2014 habe ich sie zum ersten Mal ausgesät und dabei festgestellt, dass es sich um eine Stangenbohne handelt. Darüber bin ich bis heute erstaunt; denn ich bin der Meinung, dass Stangenbohnen nicht in großem Maßstab mit maschineller Unterstützung angebaut und geerntet werden können; möglicherweise gibt es aber in der Türkei noch reichlich billige Handarbeit.

und frisch ausgepuhlt

Diese Bohne habe ich in diesem Jahr am Spezialgestell sowie an meinem Hybrid-Mais emporranken lassen.

Spezial-Stangenbohnengestell der Firma Schau-Metallverarbeitung

Geniales Stangenbohnengestell in 5 Minuten aufgebaut. Erhältlich bei: Schau Metallverarbeitung

Nun habe ich einen halben Tag damit zugebracht, im Internet noch etwas mehr über diese „türkische“(?), weiße Bohne herauszufinden; aber mehr als ein türkisches Nationalgericht („Kuru Fasulye“), das mit solchen Bohnen zubereitet wird, und dass „Stangenbohne“ auf Türkisch „Sırık Fasulye“ heißt, ist dabei nicht herausgekommen.
Mit Hilfe der GOOGLE-Übersetzungen habe ich zwar noch erfahren, dass auch in der Türkei darüber geklagt wird, dass die heutigen weißen Trockenbohnen nicht mehr das sind, was sie früher mal waren: weich und geschmackvoll; aber ich hätte natürlich zu gern gewusst, um welche Sorte es sich handelt.

„Türkische Maisbohne“ am Mais

Nun ja, was sind schon Namen – Schall & Rauch. Ich werde demnächst mal „Kuru Fasulye“ mit meinen türkischen Bohnen kochen; das sieht lecker aus.

Was ich noch erwähnen sollte: Alle Sorten habe ich immer nur aus eigenem Saatgut weitervermehrt.

Das Bohnopoly-Spiel

Doch jetzt endlich mal zu meinem Spiel.

Das geht so: Man holt den ganzen Haufen Afrikanischer Bohnenpflanzen, den man letzte Woche im Carport auf Schubkarre, Rasenmäher und Wäschekorb zum Trocknen verteilt hatte, in die Sonne und versucht, ihn in einzelne Pflanzen zu zerlegen.

Wenn das gelungen ist – was nicht so einfach ist, wenn eine Pflanze davon eine alles miteinander verbindende Stangenbohne ist, werden alle Hülsen einer Pflanze gepflückt und getrennt abgelegt.

Dann werden die Bohnen in trockene und unausgereifte getrennt, gezählt und nacheinander geöffnet.

Der Spielplan für Bohnopoly mit 26 „Feldern“, die aus den Bohnen von 26 Pflanzen gebildet werden

Das Öffnen der Hülsen ist nun der spannendste Augenblick des Spiels: Wie sehen die Bohnen aus? Das ist gleich bedeutend mit „Zeigt mein Würfel eine Zahl, mit der ich auf ein bestimmtes Feld vorrücken kann?“

Bohnen sind ja in der Regel Selbstbefruchter, d. h., sie werden vom eigenen Pollen befruchtet. Sie sind immun gegen Inzucht und die Nachkommen sehen deshalb zumeist genauso aus wie ihre Eltern.

Aber wie das in der Natur so ist: Es ist nicht alles zu 100% gleich; manche Bohnen(blüten) lassen sich mit der Selbstbefruchtung Zeit oder sie sind so gebaut, dass ein Insekt der Selbst- mit einer Fremdbefruchtung zuvorkommen kann – und dann habe ich meine helle Freude: Der Würfel zeigt die gewünschte Augenzahl.

So muss die rankende Bohne schon das Ergebnis einer solchen insektoiden Fremdbefruchtung gewesen sein. Form und Farbe der ausgesäten Bohne müssen aber noch mit denen der „Sortengenossen“ identisch gewesen sein – sonst wäre mir das aufgefallen.

Die besten Büsche der Afrikanischen haben 32 Hülsen, diese hat dagegen 74, davon allerdings nur 40 ausgereifte; der Rest ist erst halb- oder noch unreif.

Zuchtziel „Rote Kidney-Stangenbohne“

Und wie sehen nun die Bohnen dieser „Stangenbohne“ aus?

Gräulich-bräunlich mit blassen Flecken, die meisten zumindest. Nicht so berauschend.

Bohnen der „neuen“ Afrikanischen Stangenbohne

Drei Hülsen enthalten aber rote Bohnen. Wie geil ist das denn?!!
Ich bin doch total scharf auf eine Stangenbohne mit roten Bohnen!

Eine meiner roten Kidney-Bohnen hatte mir diesbezüglich schon Hoffnungen gemacht: Sie war zwar buschig wie ihre Kolleginnen, hatte aber ansonsten eindeutige Kennzeichen der „Blauen Hilde“: blaue Hülsen und beige Bohnen.

Busch der Roten Kidney-Bohne mit blau-violetten Hülsen

Das Innere und das Äußere dieser Erscheinung

Aus dieser Mischung kann nach den Mendel’schen Erbregeln eine rot-bohnige Stangenbohne hervorgehen, die ich dann nur noch stabilisieren muss, nein, nicht mit einer Stange, sondern durch die stetige Auswahl der „richtigen“ Bohnen, nämlich derjenigen, die als Stangenbohne wachsen und rote Bohnen zeigen.

Und jetzt das! Da hatte sich eine Afrikanische Trockenbohne im letzten Jahr von der Stangenbohne „Blauhilde“ befruchten lassen und eines ihrer Kinder hat sich in diesem Jahr von der „Roten Kidney-Bohne“ (nicht nur) küssen lassen.

Mich als begeisterten Vermischer und Verächter aller Rassen- ähm Sortenreinheit ruft das auf jeden Fall auf den Spielplan: Ich gehe über LOS, ziehe 4000 DM ein und habe die gelben Straßen komplett.
Ich habe auf jeden Fall genügend Ausgangsmaterial, um meinen Traum von einer rot-bohnigen Stangenbohne Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich freue mich schon wahnsinnig auf die Spielrunde in 2019!

Die Mischung macht’s

Der Rest des Spiels war nicht mehr so spannend: die meisten Hülsen entleeren sich im gewohnten Rahmen, liefern nur hier und da Bohnen, deren Rot-Anteil überwiegt.

Auch hier hatte ich gehofft, dass dieser Anteil erblich sei und die Nachfahren solcher Bohnen (bei den „Borlotto Rosso“-Bohnen ist das ähnlich) ebenfalls mehr rot als weiß seien; aber das scheint nicht so zu sein (vermutlich sind hier auch „Springende Gene“ im Spiel wie beim Mais), zumindest war der Anteil roter Bohnen in der Nachkommenschaft der „Borlotto“ nicht erhöht, obwohl ich fast nur solche Bohnen ausgesät hatte.

Einmal noch kommt mein Blut ein wenig in Wallung: Eine Pflanze schenkt mir zwei Hülsen mit gemischten Formen; deren Blüten haben sich wohl mit der „Nordholländischen Braunen“ eingelassen. Ihre Grundfarbe ist nun eher braun als weiß.
Das ist zwar auch witzig und interessant, aber für mich nicht so verlockend, den Züchter mit Zuchtziel zu spielen und diese Kombination zu festigen.

Hat sich hier die „Noordhollandse Bruine“ eingemischt?

Auch bei der Mischung der „Holländischen Braunen“ mit der „Borlotto“ sowie der „Lila Flagolet“, die schon vor drei Wochen zum Vorschein kamen, als ich diese Bohnen auspuhlte, weiß ich noch nicht so recht, ob ich hier die F2-Generation kennenlernen will?

Doch wie ich mich so kenne…

So, Bohnopoly ist zu Ende. Ich habe gewonnen.

Das ist das Schöne an diesem Spiel: Jeder, der es spielt, gewinnt.
Lass‘ einfach verschiedene Bohnensorten zusammen wachsen und verwende immer Dein selbst gewonnenes Saatgut. Jedes Öffnen einer Hülse ist dann wie ein Gang über LOS, du gewinnst etwas: Normale Bohnen sind ein Trostpreis, Du kannst sie essen. Eine unbekannte Mischung ist ein Hauptgewinn; aus der kannst Du in den Folgejahren eine eigene, neue Sorte auslesen.

Wenn Form und Färbung eines Elternteils dominant sind, kann Dir auch aus einer „normal“ aussehenden Bohne nach der Aussaat eine Überraschung blühen – so wie mir das in diesem Jahr mit der Afrikanischen Stangenbohne passiert ist.

Mal sehen, ob im kommenden Jahr aus einer meiner Mischlingsbohnen eine rankende Pflanze mit roten Kidney-Bohnen heranwächst?

Die ungekrönte Königin meiner wilden Bohnenvermischung

Halt, fast hätte ich vergessen, von der Kreuzung einer „Telstar“ – Ihr wisst, das ist eine grüne Buschbohne, deren schwarzes Saatgut ich auch in jedem Jahr selbst gewinne – und (vermutlich) einer „Borlotto Rosso“ zu berichten.
Zuerst habe ich ihre gefleckten Hülsen entdeckt – und dann ihren Inhalt!!

Vermutlich „Telstar“ x „Borlotto Rosso“

Ich bin begeistert…

Ich finde, die sieht so aus, als wenn ich aus der etwas wunderschönes Neues gewinnen könnte…