Überraschungstomaten

oder: Wie viel Vielfalt in F1-Hybrid-Tomaten aus dem Supermarkt stecken kann.

Die 10. Tomatenverkostungsrunde ist Vergangenheit; am letzten Samstag im August bewerteten ein paar Menschen mit säurefesten Mägen Geschmack und Textur von über 40 verschiedenen Tomaten“sorten“ (zumindest zu größeren Teilen), dieses Mal sogar ziemlich exakt anhand einer 10-teiligen Skala. Die Ergebnisse präsentiere ich zusammen mit den Tomaten ausführlich am Ende dieses Beitrags.

Tisch, randvoll mit 40 Tomatensorten

Bange Blicke angesichts der Berge…

Zwei Gruppen von speziellen Tomaten machten in diesem Jahr den Großteil der Probanden aus:

  1. Die Nachkömmlinge einer grünlich-gelben Cocktail-Tomate mit super-fruchtigem Geschmack, die ich im Juni 2017 in einem Supermarkt gekauft hatte (siehe obiges Beitragsbild) und seitdem geplant (und ungeplant) vermehrt habe.
  2. Schwarze, anthocyan-haltige sowie bunt gestreifte Tomaten mit fantasievollen Sortennamen wie Blue Fire, Berkeley Tie-Dye, Vintage Wine, Sunrise Bumblebee, Lovely Lush oder Stripes of Yore, die momentan groß in Mode sind und von denen ich 2020 Saatgut geschenkt bekommen hatte.

Über beide Gruppen gibt es reichlich zu erzählen.

Die Geschichte der zweiten Gruppe von Tomaten möchte ich Euch aber noch ein Weilchen vorenthalten (und zwar bis zum 17. Dezember des Jahres; seitdem könnt Ihr die Geschichte von „Tigerella, das Grüne Zebra und die Indigo-Rose“ lesen), damit dieser Beitrag nicht wieder viel zu lang wird.

Wer jedoch besonders ungeduldig oder besonders wissbegierig ist, kann sich schon mal die umfangreichen (englisch-sprachigen) Informationen zur Züchtung von schwarzen und gestreiften Tomaten auf dem Blog der Frogsleapfarm einverleiben; dort wird auch noch mal – etwas kürzer als ich es getan habe„Tomatengeschmack dekonstruiert“.

Meine Abneigung gegen diese neu erschaffenen, hippen, exotischen Schönheiten will ich hier aber schon mal bekennen…

Ein Teller mit schwarzen und gestreiften Tomaten

Ohne Frage schön anzusehen…

Heute geht es somit nur um die erste Gruppe, die Nachfahren der grünlich-gelben Cocktail-Tomate; ihre Geschichte zeigt, dass man mit Samen von Supermarkt-Tomaten jede Menge Überraschungen erleben und somit jede Menge Spaß haben kann – und nicht nur mit denen von kalifornischen Neuzüchtungen

Geschichte einer gelben Cocktail-Tomate und ihrer Kinder

Die kleinen gelben Tomaten, von einem niederländischen Fruchtgroßhändler bzw. der deutschen Supermarktkette, die sie mir verkauft hat, einfallslos „Cherry Gelb“ getauft, waren mit großer Sicherheit F1-Hybriden (wie die allermeisten, professionell angebauten Tomaten heutzutage), aber das ist nur eine Vermutung; denn das, was aus ihnen geworden ist, kann natürlich auch durch eine natürliche Kreuzung in meinem Folientunnel oder Fehlern bei der Fortpflanzung („Mutationen“) verursacht worden sein…

Verwilderter Folientunnelinnraum mit vorgezogenen Tomatenpflanzen

Am 8. Mai hatten die vorgezogenen Tomatenpflanzen den schlimmsten Schneckenfraß überstanden…

Gezielt gekreuzt habe ich auf jeden Fall nicht; denn auch das kann zu überraschenden Neuheiten führen, wie Züchter aus dem Westen der USA wie Tom Wagner, Fred Hempel, Bradley Gates u. a. seit einigen Jahren beweisen…

Wie dem auch sei, ich finde ihre Entwicklung auf jeden Fall so interessant, dass ich sie mit Euch teilen will; vielleicht inspiriert sie Euch ja auch, selbst einmal F1-Tomaten weiterzuvermehren – falls Ihr so bezeichnetes Saatgut kauft oder Samen einer zufälligen Kreuzung Eurer Tomatensorten, d. h., Samen einer, von Insekten erzeugten, F1-Hybride in die Hand bekommt…

Ich drängele mich jetzt mehrmals kurz ins Bild, damit Ihr am Ende nicht nur Tomaten auf den Augen habt:

Die kleine, gelbe Cherry-Tomate zeichnete sich damals, wie schon erwähnt, durch eine besonders intensive „Fruchtigkeit“ aus, die ich so noch nie bei Tomaten geschmeckt hatte. Dieser besondere Geschmack veranlasste mich, sie in die Liste anbauwürdiger Tomaten aufzunehmen und mit ihr einen Nachbauversuch zu unternehmen.

Von den beiden Pflanzen, die mir dann im Sommer 2018 Früchte lieferten, hatte zumindest eine das entsprechende „Fruchtigkeitsgen“ geerbt und gewann damit in jenem Jahr den Geschmackswettbewerb der Cocktail-Tomaten.

2019 zog ich vier Pflanzen aus den Samen dieser „fruchtigen“ Tomate, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die leckere Fruchtnote in einer samenfesten Pflanze zu stabilisieren (das gelingt bei „Selbstbefruchtern“, wie der Tomate, nach fünf bis sieben Generationen ohne Zutun des „Züchters“, allein durch den weiteren Anbau).

Die Früchte dieser vier Nachkömmlinge waren zwar lecker, hatten teilweise auch diesen fruchtigen Geschmack, fielen aber bei Reife sehr leicht ab. Da der doch recht eindimensionale Fruchtgeschmack außerdem anfing, mich schon zu langweilen, stand mein Entschluss ziemlich fest, sie nicht mehr weiterzuzüchten.

Zu meiner Überraschung war jedoch unter den vier Zöglingen eine Pflanze, deren Blätter „kartoffel-blättrig“, also deutlich weniger gefiedert waren.

Diese neu entstandene, ungewöhnliche Variante habe ich natürlich gleich ins Herz geschlossen; sie sollte sich unbedingt weitervermehren…

Gelbe Cocktail-Tomaten am Strauch

Diesjähriger „wilder“ Sämling der kartoffel-blättrigen, gelben Kirschtomate am 16. September im Folientunnel…

Leider konnte ich 2020 die kostbaren Samen dieser Pflanze in meiner Saatgut-Unordnung nicht mehr wiederfinden; aber in meinem unordentlichen Folientunnel keimten in jenem Frühjahr jede Menge kartoffel-blättrige Pflanzen an der Stelle, an der die Mutterpflanze Früchte verloren und die ich dort ihrem Schicksal überlassen hatte.

Da Kartoffelblättrigkeit rezessiv vererbt wird, sind alle Nachkommen einer solchen Pflanze kartoffel-blättrig, so lange nicht Blüten wieder von einer normal-blättrigen „fremdbefruchtet“ wurden; ich konnte also davon ausgehen, dass die kartoffel-blättrigen Sämlinge Nachkommen meiner auserwählten „Mutterpflanze“ waren.

Am Ende erlaubte ich vier dieser kartoffel-blättrigen Pflanzen, gelbe, fruchtige Cherry-Tomaten auf den Tisch zu bringen – und Samen in meine Saatgut-Tütchen.

Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob ich nach diesem Erfolg den Anbau 2021 nicht doch erst einmal wirklich aussetzen wollte; doch das Desaster, das ich bei der experimentellen Voranzucht meiner Tomaten im vergangenen Jahr erleben musste, nötigte mich, wieder auf ein paar kartoffel-blättrige Pflänzchen zurückzugreifen, die selbstständig im Folientunnel gekeimt waren.

Ein paar dieser Sämlinge füllten somit dankenswerterweise die Lücken in meinem gestörten Tomatenprogramm.

Von Schnecken befressene Tomatenpflanze

Coras Tomaten hätten es beinahe nicht geschafft, den Schneckenfraß zu überleben…

Und siehe da, neben einigen kartoffel-blättrigen Pflanzen mit (fruchtigen) gelben Cherry-Tomaten trat eine weitere, überraschende Besonderheit in Erscheinung, die neue Züchterlust in mir weckte: Eine ziemlich „normal“ große, gelbe Tomate, die in meiner Sammlung (und vor allem in den Supermärkten) noch fehlt.

Diese große Gelbe wollte ich dann doch überaus gerne in eine samenfeste Sorte verwandeln. Sie brachte mich sogar auf die Idee, zu einem „Ring der Züchter:innen“ aufzurufen, um dies gemeinsam zu tun…

Einen werbewirksamen Namen hatte ich schon: „Phönix“.

Aus dem Ring ist (noch) nichts geworden, aber auch alleine kann man eine Kreuzung nach wenigen Generationen ja in eine samenfeste Sorte verwandeln – man muss nur jedes Jahr (genügend) Pflanzen aufziehen.

Nun, meine Fläche ist begrenzt und damit auch die Anzahl an Tomatenpflanzen, denen ich Lebensraum bieten kann.

Obwohl ich meine Tomatenanbaufläche in diesem Jahr schon großzügig erweitert habe, indem ich (mit Hilfe meiner Kinder, meiner Schwester und von Nico aus Argentinien) ein riesiges, 40 Quadratmeter großes Leichtbaudach zusammengezimmert und aufgestellt hatte, das 54 Pflanzen Platz und Schutz bot, reichte diese Fläche nur für vier Nachkommen der großen, gelben Phönix-Tomate; denn die übrig gebliebenen Samen der zahlreichen Sorten, die ich 2020 geschenkt bekommen hatte und die 2021 nicht zeigen konnten, was in ihnen steckte, forderten vehement ihr „Erstgeborenenrecht“ und entsprechenden Platz ein…

4x10 Meter großes Schutzdach für Tomaten

Gerade noch rechtzeitig fertiggestellt: Ab 05. Juni konnten Tomaten unter dem neuen Schutzdach wachsen…

Ich hoffte natürlich, auch unter diesen Vieren wenigstens eine Pflanze zu finden, die große, gelbe Früchte trug und die ich dann zur Weiterzucht und Festigung der Sorte „Phönix“ verwenden konnte.

Gerechnet hatte ich vor allem mit Pflanzen, die kleine, gelbe Tomaten produzierten; aber wieder erwartete mich eine Bescherung: Alle vier Pflanzen trugen große Früchte! Die Hälfte davon war gelb, ein Viertel einheitlich grün-gelb und ein Viertel grün-gelb gestreift wie die bekannte Sorte „Green Zebra“, die der Züchter Tom Wagner 1983 auf den Markt gebracht hatte.

Gelbe, gelb-grüne und gelb-grün gestreifte Tomaten

Die Farben der Tomaten meiner vier Sämlinge: gelb, einheitlich gelb-grün und gelb-grün gestreift

Mamma mia! Ich war begeistert! „Züchtung“ macht einfach verdammt viel Spaß!

„Wenn diese Geschenke jetzt auch noch schmecken würden“, dachte ich zigmal im Laufe ihrer Entwicklungsperiode, immer wenn ich hingebungsvoll bei ihnen niederkniete, dann, ja dann würde ich wirklich Tomatenzüchter…

Ich nehme vorweg: Sie taten es. Sie unterschieden sich alle vier im Geschmack: Die Grün-gelbe hatte den vollen Fruchtigkeitsgeschmack, eine Gelbe hatte ihn zu drei Vierteln, die gelb-grün Gestreifte zur Hälfte und eine Gelbe war eher geschmacklos (obwohl die Verkoster:innen das teilweise anders schmeckten; siehe unten).

Jetzt habe ich den (Tomaten)Salat: Statt einer großen, gelben Tomate habe ich nun mindestens drei Varianten, die mir gefallen – und die ich weiterzüchten „muss“…

Genetische Vielfalt braucht das Land (und keine neuen Sorten)

Ja, so geht Pflanzenzüchtung schon seit Jahrtausenden: Aus dem vielfältigen Angebot, dass Kreuzung und Zufall bereitstellen, das auswählen, was nützlich oder interessant erscheint, und es weitervermehren, bis man jedes Jahr nur noch das bekommt, was man haben möchte…

Wahnsinnig einfach, oder?

Blick von oben auf das neue Schutzdach

Blick von oben auf das Schutzdach für die Tomaten

So sollten Bio-Anbauer und Hobby-Gärtnerinnen, von der gesamten Gesellschaft unterstützt, das auch weiterhin bzw. wieder handhaben, um eine große, genetische Vielfalt unserer Nutzpflanzen zu schaffen und dauerhaft zu erhalten, damit wir als Menschheit auf der sicheren Seite sind und immer genügend Varianten zur Hand haben, die unsere Ernährung sichern, wenn sich die Umweltbedingungen einmal (radikal) ändern.

Aus dieser genetischen Vielfalt könnten sich dann auch die Konstrukteure von Hochleistungssorten das Beste auswählen; denn alles, was bei Hobby-Gärtnern und Bio-Bäuerinnen gedeiht, ist zumindest schon mal umwelt- und klimageprüft…

Die Gene des guten Geschmacks

Apropos Konstruktion von „Sorten“; für mich bleiben bei meinen vier neuen Phönix-Tomaten Fragen offen: Wie kam das ungewöhnliche „Frucht-Gen“ in die gelbe Cherry-Tomate? Woher stammt es? Wurde es auf natürlichem Wege eingekreuzt oder gen-technisch eingesetzt?

Die Züchter wissen heute, mit welchen Stoffen man unseren Geschmackssinn beeindrucken kann: Sie setzen ein oder zwei Gene, die ein oder zwei bestimmte, dominant schmeckende Stoffe produzieren, in ihre Sorten ein, und schon haben sie die Masse der Verbraucher:innen von der „Ultimativen Geschmackstomate“ überzeugt…

…aber ein dominanter Geschmacksstoff wird schnell langweilig und fade, so wie mir der „Fruchtgeschmack“ der gelben Kirschtomate.

Tomaten können Hunderte von Stoffen enthalten, die hundert Nuancen zum Geschmackserlebnis beitragen

…was die diesjährige Verkostung eindrucksvoll bewiesen hat: Die extrem langweilig aussehenden, roten, normal großen Früchte einer kartoffel-blättrigen Pflanze (vermutlich „Stupice“), die wirklich „nach Tomate“ schmeckten, wurden eindeutig und überzeugend von den meisten Teilnehmer:innen mit 10 Punkten bewertet (siehe das Gesamtergebnis); alle anderen kamen dagegen nur auf die Plätze.

Nichts geht eben über „echten“ Tomatengeschmack!

Die Geschmacksprobe hat aber ebenfalls deutlich gemacht, dass auch moderne Tomatensorten mit hübschen Namen und einem „dominanten“ Geschmack, wie „Blush Tiger“ und „Green Doctors“ vordere Plätze belegen können…

So viel zu der kleinen, gelben Cocktail-Tomate aus dem Labor eines niederländischen Pflanzenzuchtkonzerns und ihrer Entwicklung in meinem Garten.

Nun komme ich zur wichtigsten Nebensache der Welt, der Tomatenverkostung; ich präsentiere Euch:

Meine diesjährigen Tomatensorten und ihre geschmackliche Bewertung

Meine zukünftige Schwiegertochter, mein ältester Sohn und ich vor den aufgetischten Tomaten

Die Vorsitzenden der Prüfungskommission: meine zukünftige Schwiegertochter, mein ältester Sohn und Icke…

Die nachfolgende Liste enthält sämtliche Pflanzen, die ich in diesem Jahr habe wachsen lassen, dieses Mal geordnet nach ihrer geschmacklichen Bewertung. Sie enthält die Sortenbezeichnung, die Bewertungsnote (Durchschnittswert aus den abgegebenen Stimmen, deren Anzahl in runden Klammern folgt), die Herkunft des Saatguts sowie ein paar allgemeine Bemerkungen. Bilder folgen weiter unten…

  1. Möglicherweise Stupice [9,1 (6)]: entstammt einem Samentütchen, das ich 2019 mit „Rot-brauner Sämling – eher rot als braun“ beschriftet hatte. Die meisten Früchte waren normal groß, rund und rot und schmeckten geradzu begeisternd nach Tomate; diese Tomate war die eindeutige Favoritin aller Teilnehmenden; außerdem war sie am frühesten reif (17. Juli). Die zweite Pflanze aus dieser Charge war ähnlich (auch kartoffel-blättrig, aber etwas bräunlicher und teilweise fleischtomaten-förmig), hatte aber kaum Geschmack. Von der Gewinnertomate werde ich im kommenden Jahr mehr Exemplare ziehen…
  2. Green Doctors [8,0 (4)]: Die Samen sind ein Geschenk von Nico aus Südhessen (Nico 2020). Sehr süße, grüne Cocktail-Tomate, die bei Reife gelblich-grün wird. Für meinen Geschmack zu eintönig süß. Als grüne Cocktail-Tomate behalte ich sie aber vorläufig in meiner Sammlung…
  3. Blush [7,6 (5)]: Nico 2020. Kleine, spitz-eiförmige, gelb-rote Tomate, die eigentlich „(Artisan) Blush Tiger“ heißen sollte, die Schwester von „Green Tiger“ ist und von Fred Hempel aus Kalifornien in Verkehr gebracht wurde. Mit ausgeprägtem Fruchtgeschmack ohne besondere Noten. Wirkt auf den ersten Biss gefällig, ebenso wie das Aussehen; wird aber meine Sammlung nicht bereichern, bestenfalls werde ich sie erhalten, indem ich sie alle zehn Jahre einmal nachbaue…
  4. Phönix gelb-grün [7,6 (6)]: Nachkomme meiner großen, gelben Tomate (von mir „Phönix“ getauft) von 2021. Das Aussehen und der kräftige Fruchtgeschmack machten sie zu etwas Besonderem…
  5. Braunroter Sämling 2 [7,5 (4)]: eigenes Saatgut von 2020. Obwohl Mutter- und Schwesterpflanze kartoffel-blättrig waren, hatte diese Pflanze normal gefiederte Blätter. Ihr Geschmack war eindeutig besser. Möglicherweise hat der Standort ihn positiv beeinflusst; sie stand neben der Siegertomate im Schatten eines Baumes…
  6. Lovely Lush [6,6 (3)]: Nico 2020. Fleischige Tomate, die dunkel-schwarze Schultern bekommt, wenn die Sonne sie bescheint. Ich fand sie geschmacklich eher nichtssagend; aber wie die positiven Bewertungen zeigen, wird diese Einschätzung nicht allgemein geteilt…
  7. Phönix gelb 2 [6,5 (6)]: Nachkomme meiner großen, gelben Tomate 2021. Auch wenn sie dem Esser nur eine ausgeprägte Fruchtigkeit vermittelt, so finde ich diese „geschmackvolle“ Tomate doch besser als ihre geschmacklich abfallende Schwester. Sie wird vielleicht die Mutter aller meiner zukünftigen Gelben Tomaten – wenn ich denn Tomatenzüchter werden sollte…
  8. Super EO [6,5 (6)]: eigenes Saatgut von 2012. Ich wollte bei meiner bisherigen besten, normalen, roten Tomate (der einzigen, gut schmeckenden, samenfesten Tomate, die ich jemals in einem Supermarkt erstanden habe) auf der sicheren Seite sein und habe deshalb altes Saatgut verwendet und drei Pflanzen groß gezogen. Alle drei waren zufriedenstellend, nicht mehr; vielleicht brauchen sie einen Folientunnel, um ihren besten Geschmack zu entfalten…
  9. Krim-Tomate [6,3 (5)]: Christina 2020. Schöne, große, braune Fleischtomate mit sehr dünner Haut, die leicht aufreißt. Ich hatte schon mal besser schmeckende Braune; aber bei den braunen Fleischtomaten ist das Lokalklima noch entscheidender als bei anderen Tomaten…
  10. Blue Bayou [6,2 (5)]: Christina 2020. Eine von den neuen, festen, schwarzen, runden Tomaten mit wenig Geschmack, obwohl es anscheinend Liebhaber:innen geben muss, wie die über-durchschnittliche Bewertung zeigt…
  11. Stripes of Yore [6,0 (2)]: Nico 2020. Gelbe Salattomate, die sonnenseitig von Anthocyanen schwarz gefärbt wird. Annehmbar…
  12. Dwarf Confetti [6,0 (2)]: Nico 2020. Ein Produkt aus dem Dwarf-Tomato-Project (Zwerg-Tomaten-Projekt) von Greg LeHoullier, dem ersten privaten Züchter:innen-Ring. Gelb-orange-rot gestreifte, mittelgroße Fleischtomate von sehr klein bleibender Pflanze, „dwarf“ (= zwergenhaft) eben…
  13. Phönix gelb 1 [5,6 (6)]: Nachkomme meiner großen, gelben Tomate 2021. Weniger Geschmack als die Schwester, aber noch in Ordnung. Ob sie weitergezüchtet wird, steht in den Sternen…
  14. Pink Ponderosa [5,6 (3)]: Eigenes Saatgut von 2010. Erstaunlicherweise gab es immer noch keimfähige unter den 12 Jahre alten Samen; doch irgendwie hatte ich diese rosa Fleischtomate anders in Erinnerung. Ich werde sie wohl aufgeben, da ich genügend (bessere) rosa Fleischtomaten habe…
  15. Mar Azul (Marazul) [5,6 (3)]: Manuel 2019. Eine Anthocyan bildende, rosa Fleischtomate, die seit einigen Jahren in Spanien beliebt sein soll. Mich hat sie nicht überzeugt…
  16. Schneewittchen [5,5 (4)]: Nico 2020. Eine hell-gelbe, nur mäßig überzeugende Kirschtomate, die ich aber noch in meiner Farbsammlung brauche…
  17. Juschnaja Notsch (Южная Ночь) [5,5 (4)]: @strid 2020. Braune Fleichtomate, russische Züchtung von 2015, die mir teilweise etwas höher (fast schon ei-förmig) schien als die meisten anderen braunen Sorten, die flach und rund sind; aber „Südliche Nacht“, so die deutsche Übersetzung des russischen Namens, hat schon was, das @strid ins Schwärmen geraten ließ: „süßlich zart aromatisch und einfach umwerfend, irgendwie elegant…“ Ja, ja…
  18. Ananastomate [5,2 (5)]: Christina 2020. Aus der Serie „Riesige, gelbe Fleischtomate mit roter Flammung on top“, zu der auch „German Gold“, „Virginia Sweets“ u. a. zählen, mit süßlichem, wirklich ein wenig an Südfrüchte erinnerndem Geschmack; immer wieder köstlich – wenn er denn unter den rechten Anbaubedingungen gebildet wird
  19. Ungarische Ochsenherz [5,0 (3)]: Christina 2020. Kleinere, rosa Ochsenherztomate; könnte mir ans Herz wachsen…
  20. Schwarze Tanne [5,0 (3)]: @strid 2020. Niedrige Pflanzen mit schnell faulenden Früchten. Wie sie auf Russisch heißt und warum sie „Schwarze Tanne“ heißt, konnte ich nicht herausfinden; aber vielleicht waren alle anderen Begriffe schon für braune Tomaten vergeben. Auch warum die braunen Tomatensorten schwarz und die schwarzen blau genannt werden, wird wohl auf ewig ein Geheimnis für mich bleiben…
  21. Phönix grün-gelb gestreift [4,8 (6)]: Nachkomme meiner großen, gelben Tomate 2021. Hübsch anzusehen, aber geschmacklich enttäuschend. Dabei hatte ich große Hoffnung in die Früchte der riesigen, gesunden Pflanze mit den riesigen Blättern gesetzt; aber sie wird im nächsten Jahr zeigen können, ob doch noch irgendwo „Grünes Zebra“ in ihr steckt…
  22. Sunrise Bumblebee [4,8 (6)]: Nico 2020. Eine Cocktailtomate aus der Werkstatt des Kaliforniers Fred Hempel, wunderschön anzusehen, aber im kalten Nordosten Deutschlands – trotz der diesjährigen, kalifornischen Hitze, anscheinend nicht in der Lage, die Geschmackstoffe zu erzeugen, die zu einem positiven Geschmackserlebnis notwendig sind; außerdem löst sich die Frucht schlecht vom Kelch. Man kann eben nicht alles haben; manchmal muss man mit Schönheit zufrieden sein…
  23. Persimmon [4,6 (5)]: Ja, meine feste, dunkel-gelbe, folientunnel-taugliche Fleischtomate, die ich einst als „Kazakh Shalavije“ eingekauft hatte und von der ich extra zwei Pflanzen gezogen habe, hat in diesem Jahr nicht das gehalten, was ich mir von ihr versprochen hatte. Trotzdem: Sie bleibt eine meiner Favoriten. Dazugelernt habe ich, dass „Persimmon“ die englische Bezeichnung für Füchte der Ebenholzbäume ist, zu der u. a. die Kaki-Frucht gehört; und noch etwas: Im Russischen wird die Frucht „Хурма“ (Khurma) genannt – und so heißt auch eine andere Tomatensorte meines diesjährigen Sortiments (siehe weiter unten)…
  24. Giant White Beafsteak [4,3 (6)]: Eigener Nachbau von 2019. Ich will diese hell-gelbe Fleischtomate einfach behalten, obwohl sie geschmacklich bisher in keinem Jahr Eindruck schinden konnte…
  25. Bianca [4,2 (5)]: @strid 2020. „Klein, 0,5 cm im Durchmesser, blassgelb, glatt, rund, eher dicke Schale mit weichem vielkernigem Innern“ beschreibt sie die Urheberin der Samen. Sie ist eine der kleinen Tomaten, die der Wildtomate ähneln und ist dadurch etwas Besonderes; aber bei mir trug sie nur wenig Früchte und machte auch geschmacklich nicht viel her. Vielleicht bekommt sie in einigen Jahren noch mal eine Chance, aber…
  26. Rolands Rote [4,0 (3)]: Eigenes Saatgut von 2015. Rote, mittelgroße, zumeist runde, wohlgeformte Fleischtomaten an einem dicht belaubten, gesunden Strauch, aber nur mit mittlerem Geschmack. Standard, den ich jedoch behalten will…
  27. Korol Sibiri (Sibirischer König) [4,0 (3)]: Nico 2020. Sehr große, gelbe Ochsenherztomate. Meine absolute Herztomate in diesem Jahr. Auch wenn sie keine besonderen Geschmacksnoten bieten konnte, so ist sie doch aufgrund ihrer Farbe und Form einzigartig und hat begeisterte Aufnahme in mein Sammelsurium gefunden; sie wird häufiger nachgezogen werden…
  28. Purple Dragon [3,4 (5)]: Nico 2020. Rote Cocktail-Tomate mit angehauchten schwarzen Schultern, endlos langen Rispen, riesigem, kräftigen Wuchs, aber – ohne Geschmack. Mein Ältester schrieb nur „Bäh“ in die Spalte „Bemerkungen“…
  29. Coras Tomate [3,3 (3)]: Cora 2021. Auf dem Saatgut-Tütchen habe ich erst vor kurzem das Wort „orange“ entdeckt. Hmh, tja; bis dahin war ich davon ausgegangen, dass Coras Tomate eine mittelgroße, rote Frucht sei. Genau diese Ansicht bestätigte eine Pflanze, die an vier Trieben – drei davon auf dem Boden liegend – jede Menge solcher Tomaten produzierte, Früchte mit sehr fester Außenhaut, sehr weichem, glibbrigem Innern und sehr wenig Geschmack. Ihre Bewertungsnote fand ich deshalb vollkommen in Ordnung; aber die zweite Pflanze, die ich gezogen hatte, trug orange Früchte, die zwar etwas kleiner waren, ansonsten den roten jedoch ähnelten. In meiner Sammlung fehlen noch orange Cocktail-Tomaten und jede Tomate kann durch strenge Auslese verbessert werden. Ich bin auf sie in den kommenden Jahren gespannt…
  30. Auria [3,2 (5)]: Steffi 2021 (über Instagram). Diese Pflanze sollte eine Kreuzung aus „Auria“ (Penis-Tomate) mit „Orange Russian“ sein. Leider hat sie keine Merkmale der wunderbaren „Orange Russian“ offenbart; sie hatte ausschließlich das Aussehen der „Penis-Tomate“. Die Samenspenderin meinte, dass sie nur die Größe der „Orange Russian“ geerbt habe; aber es ist für mich kaum vorstellbar, dass kein anderes ihrer Merkmale dominant sein sollte. Deshalb gehe ich von einer sortenechten „Auria“ aus. Die Pflanze wird sehr hoch und trägt reich. Die allermeisten Früchte hatten jedoch einen großen, gelben (ungenießbaren) Kragen. Die geschmackliche Bewertung mit 3,2 Punkten finde ich passend; sie ist bestenfalls als gute Einkoch-Tomate zu bezeichnen…
  31. Berkely Tie-Dye [2,7 (4)]: Nico 2020. Eigentlich trägt diese Tomate aus der Werkstatt des kalifornischen Tomatenzüchters Bradley Gates den Namen „Pink Berkeley Tie-Dye“; sie ist eine niedrig wachsende, eher rosa Fleischtomate mit grünen Streifen, an deren Bewertung ich nichts zu kritisieren habe…
  32. Monte Rosa [2,7 (4)]: Manuel 2018. Diese Tomate möchte ich als weitere Entdeckung der Saison bezeichnen: Obwohl ihre Früchte nicht besonders schmeckten, trug die Pflanze reichlich gesunde, ziemlich große, gleichmäßige, leicht gerippte, rosa Früchte, die schön anzusehen sind und zum Füllen oder Einkochen perfekt geeignet sein sollten; sie bleibt im Anbauprogramm…
  33. German Gold [2,5 (2)]: Eigenes Saatgut 2017. Diese wirklich großartig anzuschauende, gewaltig große Tomate hat leider auch in diesem Jahr nicht den wunderbar süß-fruchtigen Geschmack gezeigt, den diese gelben Fleischtomaten mit der roten Flammung auf der Oberseite besitzen können. Ich mag sie trotzdem…
  34. Kroatische Ochsenherz: Eigenes Saatgut 2014. Große, rote Ochsenherztomate, deren Samen ich 2011 aus Kroatien mitgebracht hatte. Sie scheint mir bei jedem Anbau ein wenig anders auszusehen und deshalb eine F1-Hybride gewesen zu sein. Die Pflanze ist sehr groß und trägt reich; aber ihre Früchte sind mehlig, teilweise hohl und geschmacklos, bestenfalls für Tomatensoße einsetzbar (das aber gut)…
  35. Asoyjuschka (Азоюшка): Nico 2020. Hoch wachsende Pflanze mit großen, gelben Früchten, die zwar keinen besonderen Geschmack gezeigt, mir aber trotzdem gut gefallen haben, weil ich zu wenig große, gelbe Tomaten in meiner Sammlung habe. Die Sorte wurde am 25.03.2021 ins russische Sortenregister (S. 328) eingetragen, wie ich bei Emtomat.ru erfahren habe, einem russischen Portal, das sehr umfangreich über (russische) Tomaten informiert. Komisch, dass sie schon vorher im Westen verbreitet war; aber der Westen ist ja immer schon der Zeit voraus gewesen…
  36. Wild Thyme Purple: Nico 2020. Tja, dass es kein aussagekräftiges Bild gibt, sagt eigentlich alles; sie war eher unauffällig grün-braun. Wer ein Bild sehen will, muss mal bei MariannasHeirloomSeeds vorbeischauen, um sich diese Fleischtomate anzuschauen…
  37. Vintage Wine: Nico 2020. Noch eine von diesen gestreiften Blendern (schön anzuschauen, aber nix dahinter): Orange-rote Fleischtomate mit goldenen Sprenkeln und Streifen, die nicht in den Himmel wächst…
  38. Blue Fire: Nico 2020. Ich könnte mich kurz fassen, indem ich sie als weiche, matschige Ausgabe von „Vintage Wine“ bezeichnen würde, die zusätzlich einen Hauch von Anthocyanen produziert; aber ich will ja hier keine schlechte Stimmung machen…
  39. Kosovo: @strid 2020. Ist eine sehr große, rosa Fleischtomate. Mein Exemplar hat früh den Haupttrieb eingestellt; einen nachwachsenden Nebentrieb habe ich aus Versehen ausgegeizt und viel mehr kam dann nicht mehr. Die vorhandenen Blätter reichten GottseiDank aus, wenigstens eine Frucht zu voller Größe und Samen auszubilden, so dass sie fortan wenigstens in meiner Sammlung auf ein Weiterleben hoffen kann…
  40. Kosovo-Ochsenherz: Nico 2020. Gewaltig große, rosa Ochsenherztomate, von schmelzender Textur. Pflanze wird hoch. Leider wurde sie nicht bewertet, da sich niemand getraut hat, eines der Monster zu zerlegen. Ich bin aber sehr angetan von ihr und freue mich auf weitere Jahre mit ihr…
  41. Rosa Sämling: Eigenes Saatgut 2019. Auf das Saatguttütchen hatte ich „Roter Sämling (würzige, rote Fleischtomate)“ geschrieben; aber keine der drei Pflanzen, die ich mit großen Hoffnungen aufgezogen hatte, erfüllte diese Beschreibung, weder farblich noch geschmacklich. Trotzdem habe ich mich über ihre zahlreichen prallen, rosa Früchte sehr gefreut und bereue nicht, ihnen Platz eingeräumt zu haben…
  42. Khurma (Хурма): @strid 2020. Ich hatte diese orange, runde Fleischtomate schon im vorletzten Jahr aus ukrainischem Saatgut gezogen; aber auch die diesjährigen Früchte überzeugten nicht mit exquisitem Geschmack. Sie bestätigten nur das Ergebnis jenes Jahres, klärten aber die Frage, ob „Khurma“ evtl. eine rote Flaschentomate sein könnte: Nein, „Khurma“ ist die russische Bezeichnung für „Kaki“, welches wiederum die japanische Bezeichnung für die Früchte des Ebenholzbaumes mit dem wissenschaftlichen Namen Diospyros kaki ist, welche die englisch-sprachige Welt „Persimmon“ nennt…

So, geschafft!

Ähnlich ging es in diesem Jahr meinen Gästen: Es war für die meisten unmöglich, alle Sorten mit Genuss zu probieren; irgendwann wollte einfach kein Stückchen Tomate mehr in den Mund gehen, es waren einfach zu viele Sorten…

Nicht einmal ich habe es geschafft, sämtliche Sorten wirklich bewusst zu probieren, obwohl ich dazu mehr Zeit gehabt habe…

Die (meisten) Tomatensorten im Bild

Hier könnt Ihr jetzt versuchen, sie alle wenigstens in Augenschein zu nehmen:

Die schwarzen und gestreiften Tomatensorten werden noch in einem weiteren Beitrag eine Rolle spielen und dann sang- und klanglos aus meinem Leben verschwinden. Entweder bin ich schon zu alt, zu altmodisch und zu konservativ oder Neuem gegenüber grundsätzlich zu wenig aufgeschlossen: Ich kann diesen neuen Tomaten einfach nichts abgewinnen, vielleicht auch, weil ich weiß, wie sie „gemacht“ wurden….

Ich hoffe, dass sich der derzeitige Rummel um sie bald wieder legt (bei Instagram scheint mir zur Zeit jede Tomatenpflanzerin ganz stolz nur noch solche Tomaten zur Schau zu stellen, so, als gäbe es keine anderen mehr) und dass die „echten“ Tomaten, die es schon seit Jahrtausenden gibt, bald wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, vermischt und vervielfältigt, uns mit „echtem“ Tomatengeschmack zufriedenstellend…

Möglicherweise werde ich mich aber auch an diese schwarzen und gestreiften Kreationen gewöhnen müssen; denn so lange sich die Welt dreht und Menschen existieren, wird menschlicher Schöpfergeist versuchen, die Welt zu verbessern.

Na, wir werden sehen, ob diese Tomaten in zehn Jahren noch irgendjemanden interessieren…

Käsebrot mit fetter Tomatenscheibe

Bon appétit!