Ist Gärtnern weiblich?

oder: Von der Erfindung des Pflanzenbaus und seiner Grundlage, des Saatguts.

Heute gehe ich einmal ganz weit zurück in die Menschheitsgeschichte, an ihren Anfang, um genau zu sein, als die Menschheit die Selbstversorgung durch eigenen Pflanzenbau startete.

Die Erkenntnis, die die menschliche Welt grundlegend veränderte, war die Erkenntnis vom Nutzen des Saatguts und darauf aufbauend der gezielte Pflanzenbau; die gesamte, heutige menschliche Kultur basiert auf dem Pflanzenbau, vor allem natürlich auf dem Anbau von Getreide (Weizen, Reis, Mais, Roggen, Hirse u. a.).

Der erste Mensch, der den Nutzen von Saatgut erkannte und damit den Pflanzenbau erfand, muss eine „Frau“ gewesen sein, eine „Frau“ hat also der Menschheit zu ihrer jetzigen Größe verholfen.

Als der Ort, an dem „Frauen“ die ersten Nahrungspflanzen gezielt anbauten, muss der „Garten“ gelten; aus dem Boden eines Gartens erwuchs die heutige (Hoch)Kultur.

Wie ich auf diese Gedanken gestoßen bin, erzähle ich Euch auf einem kleinen Spaziergang durch die Geschichte; kommt mit!

Nutzgarten mit Mischanbau von Bananen und Bohnen in Ruanda/Afrika, 2010

Weiblich – Männlich, Mann – Frau

Damit ich nicht falsch verstanden werde, möchte ich erklären, dass ich mit den beiden Bezeichnungen „weiblich“ und „männlich“ („Frau“ und „Mann“) in diesem Beitrag nicht das Geschlecht meine, sondern bestimmte Eigenschaften, die zwar geschichtlich möglicherweise häufiger mit einem Geschlecht verbunden, aber eben nicht mit ihnen identisch sind.

Es geht, wie gesagt, um Eigenschaften, Handlungsweisen und Denkmuster, die ich als „weiblich“ bzw. „männlich“ bezeichne, es geht um Prinzipien: das „männliche“ und das „weibliche“ Prinzip (deshalb habe ich oben „Frau“ in Anführungszeichen geschrieben).

Ich möchte auch betonen, dass es nicht um Wertungen geht, nicht um „gut“ oder „schlecht“.

Ein Beispiel, das hoffentlich deutlich macht, was ich meine: Die beiden Tätigkeiten „Geben“ und „Nehmen“ stehen für „weiblich“ und „männlich“; „Geben“ gehört für mich zum weiblichen Prinzip, „Nehmen“ zum männlichen.

Ich hoffe, es ist klar, dass nicht nur Frauen geben können oder immer nur geben, dass dies auch Männer tun (können), dass also diese beiden Tätigkeiten nicht an das Geschlecht gebunden oder gar mit ihm identisch sind.

Auf der anderen Seite sollte deutlich sein, dass jede Einseitigkeit negative Auswirkungen haben würde: Nur zu geben, würde zur Selbstaufgabe und damit zum Tode führen; umgekehrt würde, nur zu nehmen, also reine Ausbeutung, nach gewisser Zeit zur Erschöpfung der Ressourcen führen, und letztlich ebenfalls den Tod bedeuten.

Nur ein ausgewogenes Verhältnis von „Geben“ und „Nehmen“ kann dauerhaft sein (wir können nur so viel nehmen, wie die Sonne gibt).

Symbole für dieses Verhältnis sind der Kreislauf oder das „Yin und Yang“-Zeichen.

Wenn ich in diesem Beitrag also von „weiblich“ bzw. „männlich“, „Mann“ oder „Frau“ rede, möchte ich das immer in der hier dargestellten Bedeutung verstanden wissen.

Von Gärtnerinnen und vom Anfang der Geschichte

Alles fing an mit dem Saatgut-Tausch, an dem ich mich im letzten Jahr beteiligte. Ich hatte dort Einblick in die Liste der Teilnehmenden und konnte deshalb sehen, dass sie ganz überwiegend aus Frauennamen bestand; das fand ich auffällig – und notierte mir deshalb die Frage „Ist Gärtnern weiblich?“

Frauen bei der Arbeit im „Garten“ (Ruanda/Afrika, 2010)

Ich dachte mir: Kann es sein, dass die Hege und Pflege eines Gartens Ähnlichkeit mit der Versorgung und Betreuung von Kindern, mit der Aufmerksamkeit für ihr Wachstum und ihr Gedeihen hat?

Kann es sein, dass für das Gärtnern bestimmte menschliche Eigenschaften von Vorteil sind, die beim Menschen für mich häufiger mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung stehen als mit dem männlichen? Ich dachte dabei an Eigenschaften wie achtsam sein, fürsorglich, vorsorgend, mitfühlend, hilfsbereit, verständnisvoll und geduldig.

Mensch scheint bestimmte Eigenschaften zu benötigen, um Freude und Befriedigung am Gärtnern zu empfinden.

Die These, dass Gärtnern heute anscheinend eher eine Domäne von Frauen ist, fand ich später dadurch gestützt, dass die überwiegende Zahl der 1000 Accounts, denen ich bei Instagram folge, weil sie schwerpunktmäßig einen Nutzgarten zum Thema haben, von Frauen gepflegt wird.

Bild eines wahren und schönen Nutzgartens

Der wahrhaft wunderschöne Nutzgarten meiner Nachbarn am 12. Juni 2020…

Nun, selbst wenn dieser oberflächliche Eindruck stimmen und Frauen tatsächlich häufiger Nutzgärten betreiben würden als Männer, wäre das zwar bemerkenswert, aber ansonsten keine Erkenntnis, die einen Beitrag wert gewesen wäre – dachte ich und legte die Notizen zu den Akten.

Für die Verbindung von „Frau“ und „Garten“ war ich dadurch jedoch sensibilisiert…

…und es dauerte nicht lange, bis ich wieder auf sie stoßen sollte…

Vom Ackerbau der Neuzeit zum Hackbau

„Seit rund 7500 Jahren betreiben die Menschen in Mitteleuropa Ackerbau und Viehzucht, leben also von produzierender Wirtschaft. Zuvor dagegen lebten sie als Jäger und Sammler.“ hatte ich in der Broschüre „Vom Korn der frühen Jahre“ („Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg“, Heft 55, 2008, S. 18) gelesen, auf die ich bei meinen Recherchen für die Geschichte der Kartoffelzuchtfirma Böhm gestoßen war (die ich ja immer noch schreiben will und neulich mit einem Kapitel über die Geschichte der modernen Landwirtschaft begonnen habe).

Dieser Satz demonstriert die gängige Vorstellung: Aus Jägern und Sammlern wurden irgendwann Ackerbauern und Viehzüchter. Unter „Ackerbau“ wiederum stellen sich die meisten Menschen die Bewirtschaftung von Äckern/Feldern mit Hilfe von Kühen, Ochsen, Pferden oder heute auch mit Maschinen vor und unter „Menschen“ in erster Linie „Männer“; so habe ich das auch immer gesehen…

Fruchtbare Hügellandschaft in Ruanda/Afrika

Dass solche Vorstellungen ziemlich weit an der Wirklichkeit vorbeigehen, sollte ich jetzt durch die Lektüre eines Büchleins mit dem Titel: „Die Entstehung der Pflugkultur“ erfahren, das der Ethnologe Eduard Hahn im Jahre 1909 veröffentlicht hatte (sofern nicht anders angegeben, entstammen alle nachfolgenden Zitate diesem Buch).

In dieser Schrift heißt es:
„Schon auf sehr früher Stufe geriet also die Frau nach den heute gültigen wissenschaftlichen Anschauungen auf eine primitive Zucht von Nutz- und Nahrungspflanzen, für die der Name Hackbau wohl allgemein angenommen ist.“ (S. 9)

„Der Hackbau unterscheidet sich nach meiner Definition von der Pflugkultur also dadurch, daß nur die menschliche Arbeitskraft, vorzugsweise die der Frauen und der unerwachsenen Kinder in Anspruch genommen wird, daß der Gedanke des Feldes gegenüber dem gartenmäßigen Beet ganz zurücktritt, daß die Anzahl der angebauten Pflanzen die der in unserer Pflugkultur angebauten weit übersteigt…“ (S. 16)

„Dieser Hackbau ist bei fast allen Naturvölkern bekannt und dermaßen verbreitet, daß die wenigen Völker, die ihn nicht kennen, der großen Masse der anderen Völker gegenüber als Ausnahme zu gelten haben“ (S. 9)

Frauen sollen also fast überall auf der Welt den ersten Pflanzenbau in einer Art Hackbau betrieben haben – und tun das bis heute in weiten Teilen der Welt.

Savarini demonstriert mir die Arbeit mit der Hacke

Auch dass unser Nutzgarten eine Art Hackbau darstellt, eröffnete mir ebenfalls Eduard Hahn:

„Historisch ist ja aus dem einfachen Hackbau, der nur die menschliche Arbeitskraft anwendet, unser Garten geworden (S. 14) […] Der Bauer arbeitet auf dem Feld, der Bäuerin gehört nach der Sitte der Garten und sein Ertrag.“ (S. 15)

Gärtnernde Frauen im Hier und Jetzt hatten mir zu der Erkenntnis verholfen, dass Pflanzenbau und Frauen seit frühesten Zeiten in enger Verbindung stehen…

Von Frauenarbeit in der Steinzeit

Was bis hierher aber nur graue Theorie war, sollte ich noch durch ein Schlüsselloch in Farbe betrachten dürfen: Das Leben in einem Dorf der Jung-Steinzeit, in der Menschen mit dem Pflanzenbau begannen.

Seit meinen Studentenzeiten habe ich einen Reisebericht des U.S.-amerikanischen Malers George Catlin im Bücherschrank (Die Indianer Nord-Amerikas, 1848). Catlin hatte damals die Ureinwohner Nordamerikas im „Wilden Westen“ besucht, die dort von europäischer Kultur noch relativ unbeeinflusst lebten, und dabei die Tätigkeiten der Frauen eines Stammes sehr anschaulich beschrieben:

„Die Hauptbeschäftigungen der Frauen in diesem Dorfe bestehen darin, für Holz und Wasser zu sorgen, zu kochen, Gewänder und andere Kleidung herzurichten, Fleisch und wilde Früchte zu trocknen und Mais anzubauen. Die Mandaner sind eher Ackerbauern, denn sie ziehen eine große Menge Mais und ein paar Feld- und Gartenkürbisse. Das wird ausschließlich von den Frauen erledigt, die sich ihre Hacken aus dem Schulterblatt eines Büffels oder Hirsches fertigen, und damit das Land umwühlen anstatt zu pflügen, was folglich mit einem gewaltigen Arbeitsaufwand verbunden ist.“ (eigene Übersetzung)

Zitierter Ausschnitt in deutscher Übersetzung von 1848

…und „Fälschung“: Seite 89 der deutschen Übersetzung von 1848

Hatte sich mir diese Stelle damals wegen der angebauten Pflanzen eingeprägt, so sah ich nun die Theorie von Eduard Hahn in einem lebendigen Bild bestätigt: Ich sah einen Pflanzenbau, der mit Hacken und von Frauen ausgeführt wurde.

Männer hatte ich beim Pflanzenbau bis hierher noch nicht gesehen (ja, wird vielleicht jemand einwenden, die sind gerade jagen oder angeln oder palavern); auch von Äckern, auf denen sie mit technischem Gerät ihre Runden drehten, konnte nicht die Rede sein. Überall, wo Nahrungspflanzen wuchsen, wimmelte es von tätigen Frauen.

Vom Garten, der Frau und dem „Sündenfall“

In dieser Phase kam mir plötzlich „Die Vertreibung aus dem Paradies“ in den Sinn, eine Geschichte aus der Bibel, der ältesten schriftlichen Überlieferung von Menschheitsgeschichte; steht doch dort geschrieben:

„Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“ (Gen. 3,6)

Blick auf Kulturlandschaft in Ruanda/Afrika

Eine Frau soll dieser Überlieferung zufolge zuerst eine Frucht gegessen haben, die zu Erkenntnis und zu „Bewusstsein“ verhalf, und diese dann auch ihrem Mann verabreicht haben. Die Konsequenz dieser Erkenntnis war, dass beide das Paradies verlassen und sich fortan vom Pflanzenbau ernähren mussten (Gen. 3,17).

Falls Euch jetzt noch nicht ganz klar ist, wo ich hier einen Zusammenhang mit Frauen sehe, die mit der Hacke den Boden bearbeiten, um Nahrungspflanzen wachsen zu lassen, bitte ich Euch noch um ein klein wenig Geduld: Wenn ich Euch erst das Paradies beschrieben habe, wird klar werden, welche weltbewegende Erkenntnis Eva beim Fruchtgenuss gekommen ist…

Um Euch zu erinnern: Ich bin ja auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass Frauen eine ganze andere Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt haben, als beim landläufigen Gerede über „Ackerbau“ und „Viehzucht“ gemeinhin deutlich wird.

Vom Leben im Paradies

Anfangs lebten die Menschen im Paradies, das in unserer Vorstellung ja gemeinhin das reinste „Schlaraffenland“ ist. Dort brauchte sich der Mensch um seine Nahrung nicht zu sorgen: Süße Trauben wuchsen ihm in den Mund und gebratene Tauben flogen ihnen hinterher; auch (Granat)Äpfel waren laufend greifbar.

Anicet erntet Cassava (Maniok) mit der Hacke für mich…

…und Savarini bereitet eine Mahlzeit daraus,…

…die ich dann unter Beobachtung beider zu mir nehme. (Oktober 2010)

Das Paradies bezeichnet also einen „paradiesischen Zustand“, in dem der Mensch vollständig von „Mutter Natur“ versorgt wird: Im Paradies eigneten sich die Menschen ohne große Mühe das an, was sie kriegen und finden konnten – wie die wilden Tiere.

Der so genannte „Garten Eden“ war also kein Ort des Pflanzenbaus; Eva und Adam produzierten dort keine Nahrungsmittel: Sie lebten dort als Sammlerin und Jäger.

Blick zurück ins Paradies?

Von der fruchtbaren Erkenntnis und ihren Folgen

In den „ewigen“ Zeiten, die die „Menschen“ in diesem paradiesischen Zustand verbrachten, sammelten sich neue Erkenntnisse und Fähigkeiten seit der Alt- und Mittelsteinzeit tröpfchenweise an; so werden die sammelnden Ur-Menschen(frauen) immer mal wieder beobachtet haben, wie sich aus gesammelten Pflanzenteilen, die sie gehortet oder versteckt und vergessen hatten, wieder neue, gleichartige Pflanzen entwickelten.

Irgendwann muss einer Sammlerin dann aber ein Licht aufgegangen und ihr muss langsam erkennbar gewesen sein, dass die Pflanzenteile, die zum Aufwuchs neuer Pflanzen führten, ganz bewusst aufbewahrt (und nicht verzehrt werden durften), dass sie gezielt wieder in die Erde gebracht werden mussten, um sie nicht erst suchen und sammeln zu müssen, sondern sie bequem und vor allem zahlreicher und gesicherter vor der eigenen Haustür ernten zu können: Diese Sammlerin hat den Nutzen von „Saatgut“ erkannt – und damit den ersten Nutzgarten angelegt, d. h. die produzierende Wirtschaft des Menschen begründet.

Diese Erkenntnis konnte selbstverständlich nur in einer Überfluss-Gegend erfolgen, in der es sich die Menschen leisten konnten, Pflanzenteile nicht aufzuessen.

Blick über die ruandische Hügellandschaft vor den Virunga-Vulkanen

Hackbau, so weit das Auge reicht am Kiwu-See (im Hintergrund ein Virunga-Vulkan)

Die Erfindung des Saatguts war mithin die entscheidende Erkenntnis, die die Lebensweise der Menschheit von grundauf änderte.

Laut Bibel erlangt eine Frau die erste Erkenntnis und verursacht damit das Ende des paradiesischen Zustands und den Beginn eines neuen Lebens, in dem sich die Menschen im Schweiße ihres Angesichts selbst versorgen mussten (Gen. 3,17).

Beschreibt die Bibel-Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies, wenn man sie so liest, nicht genauestens den Übergang von der aneignenden Lebensweise zur produzierenden Wirtschaft?

Da Frauen in der „Urzeit“ wahrscheinlich häufiger mit Sammeln von Pflanzenteilen beschäftigt waren, ist anzunehmen, dass auch eine Frau die entscheidende Erkenntnis vom „Saatgut“ und für den gezielten Pflanzenanbau hatte, dass auch diese Geschichte der Bibel einen wahren Kern besitzt; für mich ist sie fast wie ein Beweis dafür.

Vom Fluch der Selbstversorgung

Doch warum haben die Bibel-Schriftsteller es als Strafe dargestellt, aus dem Paradies vertrieben und zum Pflanzenbau verdammt worden zu sein?

Auch für die Antwort auf diese Frage muss ich noch einmal ein klein wenig Eure Geduld strapazieren…

…Ihr folgt mir doch noch, oder?

Ob es zuerst die Henne gab oder zuerst das Ei, mag strittig sein; aber unstrittig ist, dass zuerst Nahrung vorhanden sein muss, bevor Lebewesen sich davon ernähren können. Erst muss gegessen werden, bevor geschissen werden kann, möchte ich diesen banalen Sachverhalt mal drastisch auf den Punkt bringen.

Die Menschheit konnte also immer nur existieren, wenn sie genug zu essen hatte, und sie konnte sich nur vermehren, wenn es mehr zu essen gab. Das ist nicht anders als bei Tieren: Gibt es mehr Nahrung für eine Tierart, kann sie sich vermehren (nun, es müssen selbstverständlich auch andere Faktoren günstig sein; aber Nahrung ist die Grundlage jeder Vermehrung).

Pflanzenbau in Ruanda/Afrika

Die Behauptung mancher Kreise, dass die Landwirtschaft heute mehr Nahrungsmittel erzeugen müsse, weil die Menschheit wächst, vertauscht Ursache und Wirkung: Die Menschheit wächst, weil mehr Nahrungsmittel erzeugt werden; aber das nur am Rande…

Was ich sagen will: Nachdem Eva den Nutzen von Saatgut erkannt hatte, standen ihr mehr und sicherer Nahrungsmittel zur Verfügung als den Frauen, die nur Pflanzenteile sammelten; ihre Familie konnte sich dadurch vergrößern.

Aber – und hier kommt der Fluch: Von da ab war sie gezwungen, alle Mäuler ihrer gewachsenen Familie auch weiterhin zu stopfen, indem sie (mindestens) so viel Nahrung heranschaffte wie bis dahin; das aber war nur mit Hilfe der neuesten Anbautechnik möglich, in jener Anfangszeit von produzierender Tätigkeit eben durch gezielten Pflanzenanbau (Hackbau/Gartenbau) mit aufbewahrten Pflanzenteilen (Saatgut); ein Zurück zur früheren Lebensweise, eine Rückkehr ins Paradies der Sammlerinnen und Jäger, war nicht mehr möglich.

Diesem Fluch unterliegen wir bis heute…

Vom „männlichen“ Ackerbau und vom „weiblichen“ Pflanzenbau

Ein perfekt gepflegter Nutzgarten

…der obige, perfekt gepflegte Nutzgarten am 7. Juli 2020

Folgende Einsichten habe ich nach der langen Beschäftigung mit der so einfach dahingedachten Frage „Ist Gärtnern weiblich?“ gewonnen:

  • Pflanzenbau sichert die Existenz der Menschheit; alles dreht sich um den Anbau von Pflanzen. Das war mir nicht so klar, wenn ich bisher an „Landwirtschaft“ oder „Ackerbau“ gedacht habe.
  • Der gezielte Pflanzenbau kennzeichnet den Übergang von einer rein ausbeuterischen zu einer produzierenden Lebensweise. Die entscheidende Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis vom „Saatgut“. In der so genannten „Neolithischen Revolution“ wurden die Menschen zu Pflanzenbauer:innen. Dieser Sachverhalt wird in den Geschichtsbüchern nicht deutlich benannt, wenn von „Ackerbau“ die Rede ist. Ob letztlich ein Mann oder eine Frau das Saatgut erfunden hat, ist weniger relevant.
  • Pflanzenbau ist ohne Zweifel von „weiblichen“ Handlungsweisen und Denkmustern abhängig, wie Hege, Pflege, Fürsorge und Gemeinsinn. „Gärtnern“ bedeutet „Pflanzenbau“, womit Gärtnern also eindeutig „weiblich“ ist, und deshalb vielleicht eher Menschen mit „weiblichen“ Eigenschaften gärtnern. Hier sei noch einmal betont, dass es sich um Eigenschaften handelt, die nicht zwingend an die Geschlechtsmerkmale geknüpft sind: Es geht um das „weibliche bzw. männliche Prinzip“.
  • Frauen haben die längste Phase der Kultur-Geschichte durch gezielten Pflanzenbau für die Nahrungsmittel ihrer Gruppen gesorgt und tun dies in vielen Teilen der Welt bis heute. Auch in den Regionen, in denen später Pflug und Zugtier für Teile des Pflanzenbaus genutzt wurden, haben sie bis vor kurzem den größeren Teil der Nahrungsmittel in Bauerngärten (die natürlich Bäuerinnengärten genannt werden müssen) erzeugt, von der Verarbeitung und Konservierung der produzierten Nahrungsmittel ganz zu schweigen. Dieser Aspekt wird in der Geschichtsschreibung zumeist vollständig unterschlagen.
  • Die Bezeichnung „Pflanzenbau“ macht deutlich, dass es sich beim Anbau von Nutzpflanzen um die Hege und Pflege von Lebewesen dreht. Die Bezeichnungen „Ackerbau“ und „Landwirtschaft“ heben dagegen auf die (rein mechanische) Bearbeitung einer Fläche ab; diese beiden Bezeichnungen verschleiern die Tatsache, um die es eigentlich geht: Pflanzenbau. Der Begriff „Ackerbau“ sollte deshalb ausschließlich für den „männlichen“ Pflanzenbau verwendet werden, der in der Hauptsache mit nicht-menschlicher Energie und technischem Gerät betrieben wird; an allen anderen Stellen sollte von „Pflanzenbau“ die Rede sein.
  • „Ackerbau“ mit „Pflanzenbau“ gleichzusetzen, empfinde ich als eine Geringschätzung aller Anbauformen von Pflanzen, die allein mit menschlicher Arbeitskraft auskommen. Der hochentwickelte, äußerst (hand)arbeitsintensive Hackbau (Gartenbau) vieler Länder Ost- und Südostasiens wird damit abgewertet; dabei lässt der Blick auf die hohe Bevölkerungszahl dieser Länder eindeutige Rückschlüsse auf die dort erzeugten Nahrungsmengen zu.
    Ich habe Videos gefunden, in denen der großartige Pflanzenbau, teilweise auf gigantischen Terrassen, in China, Vietnam, den Philippinen oder Indonesien (Java, Bali) zu sehen ist; sie zeigen deutlich den Unterschied zwischen „Acker-“ und „Pflanzenbau“ – und auch überwiegend Frauen bei der Arbeit (obwohl der Pflanzenbau in den dortigen Ländern häufig gemeinsam erfolgt).

Für heute habe ich fertig…

Ich danke Euch für Eure Geduld – und meinem ältesten Sohn für das Gespräch, das dazu führte, mich auf diesen Aspekt zu konzentrieren und all die anderen Informationen und Gedanken über den Zusammenhang von „weiblichen“ Eigenschaften und Pflanzenbau, die ich im Laufe der Auseinandersetzung mit der Ausgangsfrage gesammelt habe, über Bord zu werfen bzw. für spätere Beiträge aufzuheben.