Stachelbeeren aus Samen

oder: Wie man Stachelbeeren vermehrt und neue Sorten bekommt.

Dass es Hunderte von Tomatensorten in allen möglichen Farben gibt, ist fast allgemein bekannt; auch, dass es nicht nur gelb-fleischige, ocker-schalige Kartoffelsorten gibt, hat sich mittlerweile herumgesprochen.

Aber 100 Sorten von Stachelbeeren in allen möglichen Farben? Hat davon schon mal jemand gehört oder sie gar gesehen?

Das kann eigentlich nur jemand sein, der oder die den Beerensorten-Erhaltungsgarten in Riehen in der Schweiz persönlich und zur Erntezeit besucht hat oder meinen Beitrag „Ein Denkmal für Stachelbeeren“ bzw. das darin vorgestellte Buch gelesen hat.

In diesem Beitrag werde ich Euch mit einer großen Vielfalt an Stachelbeeren bekannt machen; außerdem werde ich zeigen, dass es kinderleicht ist, Stachelbeeren aus Samen zu vermehren und sich damit unzählige „Sorten“ (Varianten) zu ziehen, wie es sie früher gab und die Ihr ansatzweise schon in „Geburt der Vielfalt“ bewundern könnt.

Meine Stachelbeer-Ernte 2017

Meine Ernte 2018

Meine 33 frucht-tragenden Stachelbeerbüsche im Jahr 2019

Nun, 100 Stachelbeersorten habe ich auch noch nicht versammelt, aber Früchte von 33 Sorten kann ich in diesem Jahr schon präsentieren (siehe das Titelbild oben); der Rest kommt dann noch (2020 gibt’s schon 49 Varianten): Im Frühjahr habe ich knapp 50 Sämlinge, die ich zwischen meinen bisherigen 50 Büschen gefunden habe, an einen gesonderten Ort verpflanzt, um sie im kommenden Frühjahr an ihren endgültigen Standort zu verpflanzen.

Die Schule der neuen Stachelbeeren (12. Juli 2019)

Außerdem habe ich im letzten Herbst Samen der Sorte Nr. 8, einer groß-beerigen, roten, behaarten, süßen, aber mehltau-anfälligen Sorte, in einen Blumentopf ausgesät; daraus sind reichlich viele kleine Pflänzchen entstanden. Dieser Versuch soll zeigen, welche Varianten aus den Samen einer bestimmten Pflanze entstehen (können).

Sorte Nr. 8 (mit starkem Mehltaubefall 2018)

Sämlinge der Sorte Nr. 8 am 11. Mai 2019

Bisher habe ich wahllos alle Sämlinge gesammelt, die irgendwo in meinen Gärten aufgetaucht sind. Deren „Mutterpflanzen“ kannte ich nicht und haben mich bisher auch nicht sonderlich interessiert: Ich wollte einfach nur sehen, was aus Sämlingen wird, wie sie sich entwickeln und wie die Früchte aussehen und schmecken, die sie tragen.

Eine Anzahl von Sämlingen unter einem älteren Stachelbeerstrauch

Die ersten Büsche, die aus Samen entsprungen waren, trugen vor allem rote, glatte Beeren, wahrscheinlich, weil mein erster Sämling, von dem die meisten meiner Stachelbeerbüsche vermutlich abstammen, dunkel-rotbraune, glatte Früchte besaß.

Stammmutter aller meiner Stachelbeersorten? (22. Juni 2014)

Ich war erstaunt (nein, in Wahrheit war ich begeistert), dass in diesem Jahr sogar zwei Büsche gelbe, behaarte Früchte trugen. Auch die Anzahl der grünen Varianten hat sich vermehrt.

Gelbe Stachelbeersorte Nr. 21 (stark mit dem „Amerikanischen Mehltau“ befallen)

Gelbe, einwandfreie Stachelbeeren der Sorte Nr. 38

Wie diese Farbvarianten entstehen oder woher sie kommen, ist mir ein Rätsel; es zeigt mir aber, dass auch heute (möglicherweise aus einer einzigen Sorte) viele verschiedene Sorten entstehen können.

Bald kann ich deshalb ebenfalls zu einem „Stachelbeer-Probier-Fest“ laden; denn nicht nur farblich sondern auch geschmacklich sind die Unterschiede zwischen den einzelnen „Sorten“ beeindruckend.

Ich möchte dazusagen, dass die Stachelbeeren hier nur stellvertretend für weiteres Beerenobst stehen: Auch Rote, Weiße, Rosa und Schwarze Johannisbeeren gibt es in zahllosen Varianten (in meinem Garten). Sie zeichnen sich allerdings bevorzugt durch unterschiedlichen Geschmack aus. Geschmackliche Vielfalt lässt sich leider in einem Internet-Blog nicht so optimal darstellen wie eine farbliche Vielfalt; deshalb – und weil ich einer ihrer Liebhaber bin – sind Stachelbeeren meine Vorzeige-Objekte für die mögliche Vielfalt des Beerenobstes.

Aufmunterung zur „Selbstzucht“

Selbst Stachelbeeren aus Samen zu ziehen und sich von den entstehenden Sorten überraschen zu lassen, macht bedeutend mehr Spaß, als von einem gekauften Stachelbeerstrauch überrascht zu werden, weil seine Früchte nicht mit der Beschreibung auf dem Etikett übereinstimmen; z. B. trug mein angeblich „Grüner Hinnonmäki“-Busch in diesem Jahr rote Beeren.

Sorte Nr. 39

Sorte Nr. 43, nicht zukunftsfähig, fürchte ich

Ich habe sie schon in meinem Beitrag „Ein Denkmal für Stachelbeeren“ eingeflochten, „Die Betrachtung und Erziehung der Stachelbeersträuche aus Samen“, die Johann Pansner in seiner „Stachelbeer-Monographie“ gibt; deshalb wiederhole ich nur: Es ist ein Kinderspiel (wirklich!), Stachelbeerbüsche aus Samen zu ziehen; das sage ich nur für diejenigen, die über ihre Qualitäten als „Pflanzenzüchter*in“ in Zweifel sind.

Sorte Nr. 44

Natürlich möchte ich auch an dieser Stelle betonen, dass man durch die Anzucht aus Samen nicht nur neue, eigene Varietäten (Sorten) erhält, sondern die Stachelbeervielfalt auch insgesamt befördert – und dass diese spannende Nebenbeschäftigung eines Tages auch der Menschheit dienlich sein kann (Ja, ja!).

Sorte Nr. 1

Um sich eigene Stachelbeersträucher aus Samen zu ziehen, kann man ganz einfach auf die folgende Art verfahren: Man lässt ein paar (gute) Früchte faulen, mischt den entstehenden Brei mit Erde und arbeitet dieses Gemisch an einer unkrautfreien Stelle oberflächlich und breitflächig in den Erdboden ein. Im darauf folgenden Jahr sollten an dieser Stelle zahlreiche Stachelbeersämlinge erscheinen (wenn die Vögel nicht zu viele der Samen verspeisen, was man aber mit einem aufgelegten Vlies verhindern kann).

Wichtig ist, dass die Samen einen Kälteschock bekommen (müssen) und nicht austrocknen (dürfen); deshalb sollten für die Stachelbeervermehrung aus Samen am besten immer die (über)reifen Beeren direkt nach der Ernte in die Erde kommen.

Sorte Nr. 24

Diese Sämlinge lässt man das Jahr über wachsen und schützt sie ausschließlich vor bedrohlichen Konkurrenzpflanzen.

Im nächsten Frühling pflanzt man jeden Sämling (zumindest so viele, wie man sich wünscht) im Abstand von mindestens einem Meter (ein bisschen mehr kann nicht schaden, da manche Büsche doch recht groß und vor allem ausladend/breit werden können) an eine passende Stelle.

Sorte Nr. 35

Schon im dritten Jahr werden einzelne Büsche zeigen, welche Art Früchte von ihnen zu erwarten sind. Auf jeden Fall kann man dann im vierten Jahr mit einem ordentlichen Ertrag rechnen (falls das Wetter mitspielt).

Wie die Büsche in den folgenden Jahren zu beschneiden und auszulichten sind, beschreibt wiederum Lorenz Pansner in seiner wunderbaren „Monographie der Stachelbeeren“ ausführlich auf den Seiten 55 bis 59.

Sorte Nr. 42

Wenn man dann eine (oder mehrere) zusagende Sorten bekommen hat, kann man diese selbstverständlich vegetativ vermehren und an eine andere Stelle verpflanzen; die nicht gefälligen kann man rückstandslos beseitigen, indem man alle Zweige in Bodennähe abschneidet und den flachen Wurzelstock anschließend ausgräbt.

Vegetative Vermehrung von Stachelbeeren ist auch nicht schwer

Die einfachste und sicherste Methode für eine sortenechte Vermehrung ist, bodennahe Zweige im Laufe des Sommers am Erdboden festzuheften und in der Mitte dick mit Erde zu bedecken. An dieser Stelle bildet der Zweig dann Wurzeln. Im kommenden Frühjahr kann man den Zweig vor der Erdbedeckung (vom Strauch aus gesehen) abschneiden, die mit Erde bedeckte, bewurzelte Stelle mitsamt dem restlichen Zweigende ausgraben und an der gewünschten Stelle wieder in den Erdboden einsetzen, senkrecht und ruhig etwas tiefer.

Eine noch einfachere, aber bei Stachelbeeren unsicherere Vermehrungsart ist die durch Stecklinge.
Man schneidet im Spätsommer/Herbst junge Triebe ab (die ohnehin ausgelichtet werden müssen), schneidet sie in ca. zehn Zentimeter lange Stücke und steckt sie mit dem dickeren Ende voran zur Hälfte in die Erde. Wenn der Boden im Winter zu stark auffriert, müssen die Zweigstücke im Frühjahr rechtzeitig wieder in die Erde gedrückt werden, bevor sie austrocknen.
Knapp die Hälfte dieser Stecklinge sollte mit dem beginnenden Frühjahr austreiben und kann im Herbst schon an eine passende Stelle verpflanzt werden.

Wenn man einen kompletten Strauch in viele neue Büsche verwandeln will, schneidet man im Herbst sämtliche Zweige des Strauchs ca. zehn Zentimeter über dem Boden ab und bedeckt den Wurzelstock so mit Erde, dass nur noch ein Zentimeter der verbliebenen Zweige herausschaut. Im Frühjahr treiben die Zweigenden aus; dann erhöht man die Erdschicht über dem Wurzelstock im Laufe des Sommers um mehrere Zentimeter.
Im folgenden Frühjahr lassen sich sämtliche herausragenden Triebe wie einzelne Büsche verpflanzen.

(Diese Methoden habe ich selbst noch nicht ausprobiert, sondern unterschiedlicher Literatur entnommen)

Nun heißt es wieder: Warten auf das nächste Jahr.
Und auf das übernächste, in dem mir 100 Sorten Stachelbeeren blühen sollen.