Stachelbeeren aus Samen
oder: Wie man Stachelbeeren vermehrt und dabei neue Stachelbeersorten züchtet.
Dass es Hunderte von Tomatensorten in allen möglichen Farben gibt, ist fast allgemein bekannt; auch, dass es nicht nur gelb-fleischige, ocker-schalige Kartoffelsorten gibt, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
Aber 100 Sorten von Stachelbeeren in allen möglichen Farben und Formen sowie den unterschiedlichsten Behaarungen? Hat davon schon mal jemand gehört oder sie gar gesehen?
Das kann eigentlich nur jemand sein, der oder die den Beerensorten-Erhaltungsgarten in Riehen in der Schweiz persönlich und zur Erntezeit besucht hat oder meinen Beitrag „Ein Denkmal für Stachelbeeren“ bzw. das darin vorgestellte Buch gelesen hat.
In diesem Beitrag werde ich Euch mit einer großen Vielfalt an Stachelbeeren bekannt machen; außerdem werde ich zeigen, dass es kinderleicht ist, Stachelbeeren aus Samen zu vermehren und sich damit unzählige „Sorten“ (Varianten) zu ziehen, wie es sie früher gab und die Ihr ansatzweise schon in „Geburt der Vielfalt“ bewundern könnt.
Meine 33 frucht-tragenden Stachelbeerbüsche im Jahr 2019
Nun, 100 Stachelbeersorten habe ich auch noch nicht versammelt, aber Früchte von 33 Sorten kann ich in diesem Jahr schon präsentieren (siehe das Titelbild oben); der Rest kommt dann noch (2020 gibt’s schon 49 Varianten): Im Frühjahr habe ich knapp 50 Sämlinge, die ich zwischen meinen bisherigen 50 Büschen gefunden habe, an einen gesonderten Ort verpflanzt, um sie im kommenden Frühjahr an ihren endgültigen Standort zu verpflanzen.
Außerdem habe ich im letzten Herbst Samen der Sorte Nr. 8, einer groß-beerigen, roten, behaarten, süßen, aber mehltau-anfälligen Sorte, in einen Blumentopf ausgesät; daraus sind reichlich viele kleine Pflänzchen entstanden. Dieser Versuch soll zeigen, welche Varianten aus den Samen einer bestimmten Pflanze entstehen (können).
Bisher habe ich wahllos alle Sämlinge gesammelt, die irgendwo in meinen Gärten aufgetaucht sind. Deren „Mutterpflanzen“ kannte ich nicht und haben mich bisher auch nicht sonderlich interessiert: Ich wollte einfach nur sehen, was aus Sämlingen wird, wie sie sich entwickeln und wie die Früchte aussehen und schmecken, die sie tragen.
Die ersten Büsche, die aus Samen entsprungen waren, trugen vor allem rote, glatte Beeren, wahrscheinlich, weil mein erster Sämling, von dem die meisten meiner Stachelbeerbüsche vermutlich abstammen, dunkel-rotbraune, glatte Früchte besaß.
Ich war erstaunt (nein, in Wahrheit war ich begeistert), dass in diesem Jahr sogar zwei Büsche gelbe, behaarte Früchte trugen. Auch die Anzahl der grünen Varianten hat sich vermehrt.
Wie diese Farbvarianten entstehen oder woher sie kommen, ist mir ein Rätsel; es zeigt mir aber, dass auch heute (möglicherweise aus einer einzigen Sorte) viele verschiedene Sorten entstehen können.
Bald kann ich deshalb ebenfalls zu einem „Stachelbeer-Probier-Fest“ laden; denn nicht nur farblich sondern auch geschmacklich sind die Unterschiede zwischen den einzelnen „Sorten“ beeindruckend.
Ich möchte dazusagen, dass die Stachelbeeren hier nur stellvertretend für weiteres Beerenobst stehen: Auch Rote, Weiße, Rosa und Schwarze Johannisbeeren gibt es in zahllosen Varianten (in meinem Garten). Sie zeichnen sich allerdings bevorzugt durch unterschiedlichen Geschmack aus. Geschmackliche Vielfalt lässt sich leider in einem Internet-Blog nicht so optimal darstellen wie eine farbliche Vielfalt; deshalb – und weil ich einer ihrer Liebhaber bin – sind Stachelbeeren meine Vorzeige-Objekte für die mögliche Vielfalt des Beerenobstes.
Aufmunterung zur „Selbstzucht“
Selbst Stachelbeeren aus Samen zu ziehen und sich von den entstehenden Sorten überraschen zu lassen, macht bedeutend mehr Spaß, als von einem gekauften Stachelbeerstrauch überrascht zu werden, weil seine Früchte nicht mit der Beschreibung auf dem Etikett übereinstimmen; z. B. trug mein angeblich „Grüner Hinnonmäki“-Busch in diesem Jahr rote Beeren.
Ich habe sie schon in meinem Beitrag „Ein Denkmal für Stachelbeeren“ eingeflochten, „Die Betrachtung und Erziehung der Stachelbeersträuche aus Samen“, die Johann Pansner in seiner „Stachelbeer-Monographie“ gibt; deshalb wiederhole ich nur: Es ist ein Kinderspiel (wirklich!), Stachelbeerbüsche aus Samen zu ziehen; das sage ich nur für diejenigen, die über ihre Qualitäten als „Pflanzenzüchter*in“ in Zweifel sind.
Natürlich möchte ich auch an dieser Stelle betonen, dass man durch die Anzucht aus Samen nicht nur neue, eigene Varietäten (Sorten) erhält, sondern die Stachelbeervielfalt auch insgesamt befördert – und dass diese spannende Nebenbeschäftigung eines Tages auch der Menschheit dienlich sein kann (Ja, ja!).
Um sich eigene Stachelbeersträucher aus Samen zu ziehen, kann man ganz einfach auf die folgende Art verfahren: Man lässt ein paar (gute) Früchte faulen, mischt den entstehenden Brei mit Erde und arbeitet dieses Gemisch an einer unkrautfreien Stelle oberflächlich und breitflächig in den Erdboden ein. Im darauf folgenden Jahr sollten an dieser Stelle zahlreiche Stachelbeersämlinge erscheinen (wenn die Vögel nicht zu viele der Samen verspeisen, was man aber mit einem aufgelegten Vlies verhindern kann).
Wichtig ist, dass die Samen einen Kälteschock bekommen (müssen) und nicht austrocknen (dürfen); deshalb sollten für die Stachelbeervermehrung aus Samen am besten immer die (über)reifen Beeren direkt nach der Ernte in die Erde kommen.
Diese Sämlinge lässt man das Jahr über wachsen und schützt sie ausschließlich vor bedrohlichen Konkurrenzpflanzen.
Im nächsten Frühling pflanzt man jeden Sämling (zumindest so viele, wie man sich wünscht) im Abstand von mindestens einem Meter (ein bisschen mehr kann nicht schaden, da manche Büsche doch recht groß und vor allem ausladend/breit werden können) an eine passende Stelle.
Schon im dritten Jahr werden einzelne Büsche zeigen, welche Art Früchte von ihnen zu erwarten sind. Auf jeden Fall kann man dann im vierten Jahr mit einem ordentlichen Ertrag rechnen (falls das Wetter mitspielt).
Wie die Büsche in den folgenden Jahren zu beschneiden und auszulichten sind, beschreibt wiederum Lorenz Pansner in seiner wunderbaren „Monographie der Stachelbeeren“ ausführlich auf den Seiten 55 bis 59.
Wenn man dann eine (oder mehrere) zusagende Sorten bekommen hat, kann man diese selbstverständlich vegetativ vermehren und an eine andere Stelle verpflanzen; die nicht gefälligen kann man rückstandslos beseitigen, indem man alle Zweige in Bodennähe abschneidet und den flachen Wurzelstock anschließend ausgräbt.
Vegetative Vermehrung von Stachelbeeren ist auch nicht schwer
Die einfachste und sicherste Methode für eine sortenechte Vermehrung ist, bodennahe Zweige im Laufe des Sommers am Erdboden festzuheften und in der Mitte dick mit Erde zu bedecken. An dieser Stelle bildet der Zweig dann Wurzeln. Im kommenden Frühjahr kann man den Zweig vor der Erdbedeckung (vom Strauch aus gesehen) abschneiden, die mit Erde bedeckte, bewurzelte Stelle mitsamt dem restlichen Zweigende ausgraben und an der gewünschten Stelle wieder in den Erdboden einsetzen, senkrecht und ruhig etwas tiefer.
Eine noch einfachere, aber bei Stachelbeeren unsicherere Vermehrungsart ist die durch Stecklinge.
Man schneidet im Spätsommer/Herbst junge Triebe ab (die ohnehin ausgelichtet werden müssen), schneidet sie in ca. zehn Zentimeter lange Stücke und steckt sie mit dem dickeren Ende voran zur Hälfte in die Erde. Wenn der Boden im Winter zu stark auffriert, müssen die Zweigstücke im Frühjahr rechtzeitig wieder in die Erde gedrückt werden, bevor sie austrocknen.
Knapp die Hälfte dieser Stecklinge sollte mit dem beginnenden Frühjahr austreiben und kann im Herbst schon an eine passende Stelle verpflanzt werden.
Wenn man einen kompletten Strauch in viele neue Büsche verwandeln will, schneidet man im Herbst sämtliche Zweige des Strauchs ca. zehn Zentimeter über dem Boden ab und bedeckt den Wurzelstock so mit Erde, dass nur noch ein Zentimeter der verbliebenen Zweige herausschaut. Im Frühjahr treiben die Zweigenden aus; dann erhöht man die Erdschicht über dem Wurzelstock im Laufe des Sommers um mehrere Zentimeter.
Im folgenden Frühjahr lassen sich sämtliche herausragenden Triebe wie einzelne Büsche verpflanzen.
(Diese Methoden habe ich selbst noch nicht ausprobiert, sondern unterschiedlicher Literatur entnommen)
Nun heißt es wieder: Warten auf das nächste Jahr.
Und auf das übernächste, in dem mir 100 Sorten Stachelbeeren blühen sollen.
Hallo Jürgen,
von einer Nachbarin hatte ich letztes Jahr einen Korb mit Stachelbeeren geschenkt bekommen, die sehr schmackhaft waren. Ein paar Samen habe ich mir weggelegt. Nun habe ich leider deinen Beitrag erst jetzt gelesen, dass man besser die letzten reifen Früchte komplett aussäht. Ich würde es aber trotzdem gerne nur mit den Samen versuchen (viel kaputt gehen kann dabei ja nicht). Könntest du mir trotzdem ein paar Tipps geben wie ich die Erfolgschancen maximieren kann.
Viele Grüße und besten Dank im Voraus
Thomas
Lieber Thomas,
danke für Deine Frage!
Ich habe zur Behandlung von getrockneten Stachelbeersamen leider auch keine Erfahrungen (obwohl das Problem in den 1930ern, glaube ich, sogar mal wissenschaftlich bearbeitet wurde).
Ich würde es so versuchen: Die Samen einen Tag oder zwei Tage wässern und sie dann eine Woche (oder länger) ins Gefrierfach legen. Anschließend in einen Blumentopf mit humoser Gartenerde (oder Anzuchterde) aussäen, doppelt samendick mit Erde bedecken und den Topf draußen im Garten an einer schattigen Stelle bis zum Rand eingraben. Das Frühjahr über darauf achten, dass die Erde nicht austrocknet…
Wenn Du genug Samen hast, kannst Du ja zwei Versuche fahren, den von mir vorgeschlagenen und einen ohne jede Behandlung.
Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Ergebnisse auf jeden Fall hier bekanntgeben würdest, egal, was Du machst und wie es ausgegangen ist, damit ich auch noch etwas dazulernen kann…
Viele Grüße
Jürgen
Hey Jürgen,
habe soeben deinen Artikel über Stachelbeeren gelesen und bin hellauf begeistert!
Würde gerne für etwas Diversität bei mir im Dorf sorgen und habe schon ein paar Leute versammelt mit denen wir gerne Stachelbeeren vermehren würden.
Wäre es möglich dir ein paar Samen abzukaufen. Würden sehr gerne viele verschiedene Sorten hier im Süden Baden-Württembergs vermehren.
Beste Grüße
Johannes
Lieber Johannes,
das lese ich gern! Endlich mal jemand, der es versuchen will, Stachelbeeren aus Samen zu vermehren!
Wenn Du mir Deine Adresse zukommen lässt, schicke ich Dir gern ein paar der letzten Beeren zu, die noch an den Büschen hängen. Es ist besser, die Beeren direkt „auszusäen“; wenn man die Samen herausholt und trocknet, verringert sich die Keimrate extrem.
Noch freue ich mich mehr, wenn jemand die Vielfalt vermehren will, als mir die Kosten weh tun, so dass ich Samen und Beeren verschenke und kostenlos versende (das soll sich allerdings ändern; aber nur, weil ich hoffe, dass die Wünsche nach „Vielfaltssaatgut“ zunehmen).
Viele Grüße, J:)
hallo,
aus den 50ern kannte ich eine gelbe, behaarte Sorte.
Die gibt es nirgendwo zu kaufen.
Haben Sie Tipps?
MfG
Gerhard Della
Hallo Herr Della,
ich vermute, dass Sie „Hönigs Früheste“ meinen; diese Sorte war bis in die 1960er Jahre in den Hausgärten weit verbreitet.
Möglicherweise bekommen Sie diese Sorte auch heute noch; ob es sich dabei dann tatsächlich um diese Sorte handelt, kann Ihnen leider niemand garantieren. Eine behaarte Gelbe sollte es aber schon sein… sonst würde ich mein Geld zurückverlangen.
Ich habe zwei behaarte Gelbe aus Samen gezogen (von denen ich Ihnen gerne Schnittholz zur Verfügung stelle; Nachricht an meine Impressumsmail reicht…)
Viele Grüße
Jürgen