Schmecker*innen gesucht!

oder: 80 Sorten der Schwarzen Johannisbeere müssen geschmacklich beurteilt werden.

Am letzten Wochenende habe ich all meine Schwarzen Johannisbeerbüsche, die sich in meinem Garten angesammelt haben, beschnitten, gezählt und teilweise mit Nummern markiert: Ich bin dabei auf die stolze Zahl von (mindestens) 80 Büschen gekommen.

Der größte Teil davon ist aus Samen entstanden – jeder Busch stellt somit eine eigene Sorte dar. Ein kleiner Teil ist von mir aus „Stecklingen“ (siehe unten) gezogen worden und damit „Ableger“ schon anderswo vorhandener Sorten.

Kleine Johannisbeer-Plantage (Mai 2018)

Ich denke, 80 Sorten sind genügend unterschiedliche Sorten.

Leider lassen sie sich nicht leicht unterscheiden. Blatt- und Wuchsform sowie die Farbe der Rinde weisen zwar teilweise deutliche Unterschiede auf; aber sowohl die Beeren selbst als auch die Trauben, in denen sie wachsen, erscheinen mir doch großteils ziemlich ähnlich.

Ich habe mir deshalb gedacht, für eine sorgfältige Einteilung und Bewertung der namenlosen Sorten andere Liebhaber*innen von Schwarzen Johannisbeeren zur Hilfe zu rufen und zu diesem Zweck versuchsweise eine öffentliche Probierrunde zu veranstalten.

Ich rufe deshalb hiermit alle Menschen, die Lust, Interesse, Zeit – und natürlich einen Geschmacksinn – haben, dazu auf, sich am diesjährigen, zweiten Juli-Wochenende (11./12. Juli) in meinem Garten einzufinden, um die (großen) geschmacklichen Unterschiede innerhalb der Art „Ribes nigrum“ einmal selbst zu schmecken und zu beurteilen (um Anmeldung wird gebeten: kontakt[ät]ichbindannmalimgarten[punkt]de).

Ameise auf Blüten einer Schwarzen Johannisbeere (27. April 2019)

Damit niemand nur wegen ein paar lausiger Beeren weite Wege unternimmt, empfehle ich, die Verkostung als Nebensache zu betrachten und in der Hauptsache die Schönheiten der Uckermark, die Flora und Fauna des Nationalparks „Unteres Odertal“ und/oder auch das ganz nah (fünf Kilometer entfernt) gelegene Nachbarland Polen zu entdecken.
Manchmal lässt sich ja das Nützliche mit dem Schönen verbinden.

Die Anfänge neuer Vielfalt der Schwarzen Johannisbeeren

Ich will noch mal kurz zusammenfassen, wie es zu meiner Ansammlung Schwarzer Johannisbeeren kam, obwohl ich das ja schon mehrfach („Schwarz-Weiß-Rot“, „Der Same ohne Eigenschaften“) getan habe.

Als ich den Garten übernahm, gab es dort keinen einzigen Strauch mit „Schwarzen Johannisbeeren“; der einzige, den es gegeben hatte, war ein Jahr zuvor zugrunde gegangen.

Die Sämlinge, die sich zahlreich an seiner Statt erhoben und die ich für seine legitimen Nachkommen gehalten hatte, entpuppten sich später zum allergrößten Teil als rotfrüchtig.

Roter und Schwarzer Johannisbeerbusch

Ich wusste damals noch nicht, dass man Schwarze Johannisbeeren eindeutig an ihrem Geruch, also am Geruch der Blätter (und auch der Zweige) erkennen kann. Sie riechen deutlich und ungewöhnlich – für mich wahnsinnig gut, andere nennen ihn jedoch widerlich „wanzenartig“; die Liebhaber*innen dieses Geruchs – und auch des Geschmacks der Beeren (obwohl diese nicht riechen) – sollen deutlich in der Minderheit sein (na, ich werde sehen).

Zufall? Pärchen des Moschusbocks auf Schwarzen Johannisbeeren

Komischerweise tauchten dann an ganz anderen Stellen im Garten Schwarze Johannisbeer-Sämlinge auf, die zwei Jahre später leckere Früchte präsentierten.

Inzwischen hatte ich auch ein paar Samen „Schwarzer Johannisbeeren“ von einem verwilderten, polnischen Grundstück geholt, von dem ich wusste, dass dort ausgezeichnet schmeckende Beeren wuchsen.

Aus ihnen zog ich dann mehrere Büsche auf (wie im Kasten „Johannisbeeren vermehren“ weiter unten beschrieben). Ihre Beeren schmeckten dann allerdings nicht so appetitlich wie erhofft.

Ausgereifte, aber nicht so wohlschmeckende Beeren (29. Juni 2018)

Ich muss gestehen, dass ich damals auch noch nicht wusste, dass man Johannisbeeren (schwarze, rote, weiße und rosa-farbige) kinderleicht durch Steckhölzer vermehren kann.

Johannisbeeren vermehren

Alle Johannisbeeren lassen sich leicht durch „Steckhölzer“, also vegetativ (ungeschlechtlich), vermehren.

„Steckhölzer“ sind ca. 20 Zentimeter lange Stücke eines letztjährigen (neuen) Triebes, die im Herbst mit dem dickeren Ende einfach in die Erde gesteckt werden.

Manchmal lese ich, dass die Erde dazu in besonderer Weise vorbereitet werden sollte (lockern, mit Kompost oder Torf anreichern); darauf habe ich bisher immer verzichtet.

Ich habe zumeist mehrere Stöckchen ziemlich tief und dicht nebeneinander (im Abstand von einer Handbreite) in den herbstlich weichen Boden gesteckt, so dass noch zwei bis drei Knospen zu sehen waren. Im nächsten Frühjahr sind so gut wie alle Stecklinge ausgetrieben und haben einen prächtigen, neuen Busch gebildet; diesen habe ich dann im darauf folgenden Jahr an seinen Bestimmungsort verpflanzt.

Wenn man eine Sorte sortenecht vermehren will, dann wählt man diese Vermehrungsart. Die aus den Stecklingen entstehenden Sträucher gleichen in allen Merkmalen dem „Mutterstrauch“, von dem die Steckhölzer geschnitten wurden. Nur selten kommt es durch so genannte Knospenmutationen zu Veränderungen (sie sind aber nicht ausgeschlossen).

Steckling einer Schwarzen Johannisbeere (Oktober 2018 in den Boden gesteckt)

Johannisbeeren lassen sich noch leichter (und zahlreicher) durch Samen (generativ, geschlechtlich) vermehren.

Dazu zerquetscht man einfach eine Anzahl Beeren, mischt den Brei mit Erde und arbeitet das Gemisch flach an eine unkrautfreie Stelle in den Boden ein (in ein Beet oder in einen größeren Blumentopf, den man bis knapp unter den Rand in den Boden eingräbt).

Spätestens im folgenden Frühjahr (bei genügender Feuchtigkeit oft schon früher) keimen die meisten Samen. Man lässt sie das Jahr über wachsen und verpflanzt sie im darauf folgenden Jahr in eine kleine „Schule“ (Abstand von Pflanze zu Pflanze ca. 30 Zentimeter), um sie noch kräftiger werden zu lassen, oder direkt an ihren Bestimmungsort.

Bei dieser Art der Vermehrung muss man allerdings wissen, dass man die „Muttersorte“ damit nicht sortenecht vermehren kann; denn die meisten Obst- und Beerenarten sind nicht samenfest, d. h., nicht reinerbig (homozygot). Auf ihren beiden Chromosomensätzen sind jeweils unterschiedliche Erbeigenschaften verschlüsselt. Aus jedem Samen entsteht deshalb immer ein Busch, der sich von dem Busch, von dem der Samen stammt, in verschiedenen Merkmalen unterscheidet.

Der eine und andere Sämling musste sein Leben zwar lassen, aber dadurch ließ sich die hemmungslose Vermehrung der Johannisbeeren in meinem Garten nicht mehr aufhalten: Sie keim(t)en wie Unkraut an allen möglichen Stellen.

Johannisbeer-Unkraut am 2. Mai 2019

Selbstständige Vermehrung der (Schwarzen) Johannisbeeren (27. Juli 2018)

Die Büsche mit den gesündesten Blättern, also die, die im Spätsommer noch tadellos grüne Blätter hatten, markierte ich und verpflanzte einen Teil davon im Frühjahr 2017 in meinen Zweitgarten, um sie eine kleine Plantage bilden zu lassen. Einige andere, die verstreut an Stellen standen, an denen sie mich nicht störten, ließ ich dort weiterwachsen.

(Amerikanischer) Mehltau an Blattspitzen (7. Juli 2019), ein „Hinrichtungsgrund“

So kam ich zu den 80 Büschen, deren Beeren ich Euch im Sommer vorsetzen möchte.

„Alte“ Johannisbeersorten sammeln

Ich sach’s gleich: Ich sammele keine alten Sorten der Schwarzen Johannisbeere.

Warum nicht?

Das ist eine gute Frage (wo ich doch fast sonst alles sammele).

Ein paar alte (ältere) Sorten gibt es ja schon in der Welt, die des Sammelns würdig wären: „Silvergieters Schwarze“, „Rosenthals Langtraubige“, „Titania“, „Hedda“, „Andega“ und „Ben Tirran“ zum Beispiel. Möglicherweise habe ich die auch im Garten; denn ein paar Büsche habe ich ja aus Stecklingen von alten, knorrigen Sträuchern gezogen, die Nachbarn im Garten haben.

In diesem Jahr noch unbeschnittener Schwarzer Johannisbeerstrauch (28. Februar 2020)

Ich versuche immer, die genetische Basis meiner „Züchtung“ zu erweitern; deshalb habe ich inzwischen auch noch Samen von anderen Sträuchern ausgesät.

Ich will jedoch kein Sammler und Erhalter alter Sorten mehr sein. Die Gründe dafür habe ich teilweise in „Sorten erhalten war gestern“ ausführlich dargelegt.

Aber auch die Erfahrungen mit „alten“ Obst-Sorten, die ich hier und da gekauft habe, lieferten mir weitere Gründe für einen Sinneswandel: Zu häufig bekommt man nur irgendeinen „Schrott“, wenn man sich eine bestimmte „alte“ Sorte zulegen will; das habe ich an einem Kirsch- und einem Pflaumenbaum erfahren dürfen.

Das mag unabsichtlich geschehen (sein); denn kaum jemand kennt sich wirklich mit „alten“ Sorten aus, wodurch beim „Veredeln“ alles Mögliche zu allen möglichen Namen kommt. Die „alten“ sind ja oft nicht einmal richtig bestimmt oder nicht mehr bestimmbar. Auch vegetative, sprich: Knospenmutationen können dem besten Willen einen Strich durch die Rechnung machen.

Von absichtlichen Betrügereien will ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen: Die Tür dazu steht bei der momentanen Lust auf „alte“ Sorten (und der damit einhergehenden Bereitschaft, für sie viel Geld auszugeben) sperrangelweit offen. Oder gibt es eine Stelle, die Kontrolle ausüben und die ersten Früchte auf „Echtheit“ überprüfen könnte?

Kleine Obstanlage aus Pflaumen- und Johannisbeersämlingen (19. Mai 2018)

Dieselbe Anlage am 28. August 2019

Nein, geh‘ mir weg mit „alten“ Sorten! ich bin heute einzig und allein an genetischer Vielfalt interessiert, nicht an Sorten. Ich möchte wohlschmeckende Beeren und gesunde Büsche haben; ob sie einen (Sorten)Namen tragen, ist mir schnuppe. Ich produziere mir meine Sorten selbst und kostenlos; da weiß ich außerdem, was ich habe.

Letzter Aufruf, meine Einladung zur Verkostung Schwarzer Johannisbeeren anzunehmen

Jetzt seid Ihr dran. Ihr sollt alle meine selbst produzierten Beeren probieren und dann entscheiden, ob ich das Experiment mit der Sortenvervielfältigung fortsetzen oder mir lieber eine gute, alte Sorte zulegen und mit ihr zufrieden sein soll.
Ihr dürft Euer ganzes Gewicht in die Waagschale werfen und mitbestimmen, ob ich wieder ein ruhiger Erhalter von gutem Altbewährtem werden oder ein hibbeliger Produzent von neuer Unübersichtlichkeit bleiben soll.

Ihr müsst nur vorbeikommen und meine Beeren verkosten – danach dürft ihr mir die Meinung geigen.

Junge Beeren am 10. Mai 2018

Fast reife Beeren am 15. Juni 2018

Um Eure Meinung kundzutun, könnt Ihr aber auch die Kommentarfunktion nutzen; doch schöner fände ich, wenn Ihr auf einen Besuch und einen praktischen Geschmackstest vorbeikämet! Man lernt sich ja sonst nicht kennen.

Wenn Ihr dabei etwas Wohlscheckendes entdeckt, schicke ich Euch, wenn gewünscht, im Herbst auch ein paar Steckhölzer von den ausgewählten Sorten – die Ihr dann mit einem selbst erwählten Sortennamen benennen könnt. Ihr könnt natürlich auch jede Menge Samen bekommen, wenn ihr selbst „züchterisch“ tätig werden wollt.

Unbeschnittener Strauch der Schwarzen Johannisbeere (19. Oktober 2018)

Beschnittener Strauch

Zum Schluss noch die Frage: Habt Ihr vielleicht noch eine besondere „Sorte“ (kann auch ein Sämling sein) der Schwarzen Johannisbeere im Garten?
Wie schon gesagt, die genetische Basis meiner „Züchtungen“ darf ruhig breiter werden (obwohl mein Garten ihrer Breite Grenzen setzt). Ich würde mich über die Zusendung von Samen (oder auch Steckhölzern) sehr freuen.

Ganz zum Schluss (jetzt wirklich!) noch eine praktische Anleitung zum Beschneiden und Auslichten der Johannisbeerbüsche für diejenigen, die sich einen Busch neu kaufen oder ziehen wollen, die also noch keine Ahnung von Johannisbeerbüschen haben.
Ich vereinige im folgenden Kasten Wissen aus einigen alten Büchern über Beerenobst sowie ein paar eigene Schnitterfahrungen; ich hoffe das reicht.

Johannisbeerbüsche beschneiden

Beim Beschneiden (Auslichten) muss man zwischen den roten (weißen, rosa-farbenen) und den schwarzen Johannisbeeren unterscheiden. Letztere tragen auch schon an den Trieben des letzten Jahres Früchte; bei den roten Johannisbeeren (und ihren Verwandten) tragen die Triebe erst ein Jahr später die ersten Beeren.

Alte und junge Triebe lassen sich bei Johannisbeeren leicht unterscheiden: Die jungen, also diesjährigen, Triebe haben immer eine hellere Rinde als die alten, mehrjährigen.

Bei den schwarzen Johannisbeeren kann man deshalb (im Spätsommer oder im Winter) alle „alten“ Triebe am Boden entfernen und nur sechs bis zehn neue, junge Triebe stehen lassen.

Bei den roten Johannisbeeren schneidet man in den ersten fünf Jahren nur neue Triebe weg, die zu dicht stehen, die ins Innere wachsen oder sich mit anderen kreuzen. Insgesamt sollten ebenfalls sechs bis zehn aufrecht wachsende Triebe stehen bleiben.

Im dritten Jahr sollten die ersten Beeren der roten, weißen oder rosa-farbenen Johannisbeeren probiert werden können.

Ab dem fünften Jahr schneidet man bei dieser Art immer einen oder zwei alte Zweige dicht über dem Erdboden ab und lässt dafür die entsprechende Zahl neuer Triebe stehen.

Auch schwarze Johannisbeeren können auf die zuletzt beschriebene Weise beschnitten werden; aber je älter die Triebe sind, desto kleiner sollen die Beeren werden, habe ich in einigen Büchern gelesen.

Dieses Beschneiden dient vor allem dem Aufbau eines Grundgerüsts aus Trieben/Zweigen; dabei sollten vorrangig aufrecht, möglichst senkrecht wachsende Triebe stehen bleiben. Alle bodennahen und sehr waagrecht stehenden Zweige werden entfernt.

Darüber hinaus sollten noch alle kurzen Triebe abgeschnitten werden, die von diesen Hauptzweigen ins Innere wachsen. Das Innere des Busches sollte möglichst licht und luftig sein.

Wichtig ist: Habt keine allzu großen Hemmungen beim Schneiden! Alles wächst nach und ohne eigene Erfahrungen geht sowieso nichts.