Beinahe Millionär

oder: Mit welcher Erfindung ich meine Pflanzen vor Schneckenfraß bewahren wollte.

„Millionär durch Schneckenschutzerfindung!“ So lautete die Schlagzeile in den Zeitungen, die ich vor mir sah, nachdem ich nach einigem Nachdenken eine Vorrichtung gefunden hatte, die meine Pflanzen (und die aller anderen geplagten Gärtner*innen natürlich auch) vor der Gemeinen Wegschnecke schützen sollte.

Nach meinen ersten negativen Erfahrungen mit dieser Schnecke und vor der Umsetzung meines Vorhabens, eine vielfältige Spargelkultur durch Aussaat von Spargelsamen direkt ins Freiland zu erzielen, machte ich mir einen Winter lang ernsthaft Gedanken, wie ich die zu erwartenden, allerzartesten Spargelsämlinge vor den gefräßigen Mäulern der Schnecken wirksam und preiswert schützen könnte.

Kann irgendetwas diese Armee auf dem Weg zu meinen Pflanzen aufhalten?

Kann irgendetwas diese Armee auf dem Weg zu meinen Pflanzen aufhalten?

Bisherige Erfindungen zum Schutz von Pflanzen gegen Schneckenfraß

Eine Suche beim Deutschen Patentamt zeigte mir eine Liste mit bisher angemeldeten Schutzvorrichtungen (Eingabe bei „Alle Klassifikationsfelder“: A01M 29/30 und bei „Suche im Volltext“: Schnecke).

Viele gequälte Menschen haben sich in dieser Angelegenheit ihr Köpfchen schon zerbrochen: Elektrisch geladene Bänder, Bänder mit Bürsten oder Borsten, mit Wasser oder Salzen gefüllte Rinnen und mit Stacheln bewehrte Winkelprofile sind dabei herausgekommen; aber keine Erfindung hat sich als genügend wirksam, preiswert oder anwendungsfreundlich erwiesen, dass die Schnecken Gärtner*innen nicht mehr ärgern könnten.

Sollte ich, der geniale Problemlöser, nicht etwas finden können, auf das bisher noch niemand gestoßen war?

Meine Überlegungen für einen wirksamen Pflanzenschutz

Nach einigem Hin- und Herdenken verfiel ich darauf, durchsichtige Plasteflaschen, für die man kein Pfand bezahlen musste, in Ringe zu zerschneiden und deren oberen Rand wiederum in schmale Streifen. Diesen Fransenring hoffte ich dann mit einem Föhn so weit erwärmen und durch den Druck auf einen entsprechend großen Glaskolbens nach unten biegen zu können, so dass er waagrecht nach außen abstand.

Diesen Ring wollte ich dann zum Schutz vor Schneckenfraß über meine Pflänzchen stülpen.

Von Schnecken abgefressenes Netzmelonepflänzchen

So etwas mächte kein Gärtner sehen: Ein mühsam vorgezogene „Berliner Netzmelone“ von Schnecken tödlich verletzt…

Ich erwartete, dass sich die Streifchen durch das Gewicht einer Schnecke weiter nach unten bögen, wenn sie an dem Schutzring mit der Absicht emporkröche, sich am Grünzeug in dessen Mitte zu laben, und dass sie so nicht über die Kante hinweg nach oben und dann weiter nach innen kriechen könne.

Der selbst erfundene Schneckenschutzring wird selbst gebaut

Ich sammelte also tagelang die pfandfreien Plastikflaschen am Pfandautomaten eines nahe gelegenen Supermarktes aus dem Mülleimer und richtete die Flaschen in der vorgesehenen Weise zu.

Die dünnwandigen Flaschen ließen sich zumeist problemlos in Ringe schneiden und auch das Zerschlitzen eines drei Zentimeter breiten Randes war fix vollbracht.

Den Glaskolben, über den die Fransen nach außen gedrückt werden sollten, bestellte ich im Internet.

Nun erfolgte mit Hilfe meines großen Sohnemanns der erste Versuch mit Föhn und Glaskolben.
Leider wurden die Streifchen nicht gleichmäßig warm, sondern blieben entweder unbiegsam oder rollten sich überhitzt zu eigenwilligen Formen zusammen.

Ich wollte schon aufgeben, als mich eine weitere Idee heimsuchte: Warum nicht einmal versuchen, die Fransen mit roher Gewalt einfach umzuknicken? Sollten doch ein paar der kostbaren Flaschenringe dabei zum Teufel gehen!

Und siehe da: ein kurzer, kräftiger Knick ließ die Fransen zumindest ordentlich und gleichmäßig waagrecht abstehen. In Nullkommanix hatte ich eine ganze Batterie der Flaschenringe in die gewünschte Form gebracht.

Spargelsämlinge in "Schneckenschutz"ring am 15. Mai

So sieht er im Einsatz aus, der Schneckenschutzring!

Juchhu! jubilierte es in mir, das ist es, so funktioniert es, das ist kinderleicht und wahnsinnig elegant! Jetzt muss ich nur noch eine Firma finden, die 30 Zentimeter hohe, oben ca. drei Zentimeter eingeschnittene Plastebänder herstellt – dann könnte sich jeder seinen Schneckenschutz nach Bedarf selbst zurecht machen -und ich die Millionen scheffeln!

Auf zum Patentamt, um meinen genialen Schneckenschutzring schützen zu lassen!

Natürlich muss eine solch geniale Idee sofort patentiert werden!

In euphorischer Stimmung nahm ich am darauf folgenden Tag Kontakt zu einem Cousin auf, der als Patentanwalt sein Brot verdient; er sollte mich erst einmal über die notwendigen Formalitäten und Kosten aufklären.

Das tat der Gute auch bereitwillig und sachkundig. Er wollte die ganze Sache für mich auch weit unter Preis für 3000 Euro abwickeln.

„Aber aufgepasst“, bemerkte er, „es ist von allergrößter Wichtigkeit, dass die Erfindung bis zum Tag der Anmeldung absolut geheim bleibt!“

Meine selbst gebaute Schneckenschutzvorrichtung in der rauhen Wirklichkeit

Ein großes Fragezeichen stand aber nach diesen Vorarbeiten noch im Raum: Was werden die Schnecken dazu sagen? Werden sie von diesem genialischen Pflanzenschutz auch wirklich in den Hungertod getrieben?

Der Frühling nahte und mit ihm der Zeitpunkt, die Spargelsamen in den Erdboden zu legen.

Die Samen sind seit fast einem Monat gesät; jetzt wird "Huchels Leistungsauslese" in den Boden gebracht (1. April)

Die Spargelsaat, gut geschützt von meiner genialen Erfindung

Irgendwann sprossen die Spargelchen aus dem Boden und wuchsen und gediehen, und kein Blättchen wurde von einem Schneckenbiss gekrümmt – da sah ich schon neben den Spargelpflänzchen Geldscheine aus dem Boden wachsen.

Ja, dieser Beitrag wäre nicht unter „Pleiten, Pech und Pannen“ gelistet, wäre alles so gekommen, wie ich es mir erträumt hatte.

Die Spargelpflanzen erlitten keine Schädigung; doch meine Stangenbohnen wurden dermaßen gebissen, als seien die Schnecken im Schneckenschutz eingesperrt und müssten verhungern, wenn sie sich nicht an den Bohnenkeimlingen sättigten.

Adé, du schöner Traum!

Später machte ich noch einen Versuch, die Endstücke der Flaschen, zubereitet wie ein Schutzring und wie von meinem Cousin vorgeschlagen, als Bierfallen einzusetzen: sollte der Fransenring ein wirksames Abwehrmittel sein, würde morgens keine Schnecke an den verlockenden Gerstensaft gelangt und darin ertrunken sein, in der Vergleichsfalle ohne den Fransenring aber eine größere Anzahl.

Komischwerweise war es sogar umgekehrt: In der fransengeschützten Bierfalle fand ich mehr Schnecken als in der ungeschützten.

Tja, somit musste ich meinem Cousin auf seine Nachfrage zugestehen, die bereits angelegte Akte wieder zu schließen – und Euch muss ich gestehen, dass ich kein Millionär geworden bin.

Können Schnecken eine hängende Plastikfolie überwinden?

Aber halt, gibt das folgende Bild nicht berechtigten Anlass für neue Hoffnungen?

Nun, mit dieser Veröffentlichung kann ich zwar die Hoffnungen auf ein Millionärsdasein begraben, aber für Millionen bleibt vielleicht die Hoffnung auf ein ruhigeres Gärtner*innendasein.

So long, let’s do it again, baby!

Slug protection improved

Slug protection improved

P.S.: Später habe ich entdeckt, dass es eine ähnliche Erfindung schon gibt, den Schneckenkragen; dieser Schutzring ist zwar nicht ganz so genial wie meine hier vorgestellte „Erfindung“ – es gibt ihn nur in einer festen Größe – schützt aber dennoch zarte Keimlinge einigermaßen vor Schneckenfraß, wenn auch nicht so, wie die meisten denken, dass die Schnecken ihn nämlich nicht überwinden könnten.

Mein Praxistest hat aber zweifelsfrei gezeigt, dass sie ohne Probleme in den Schutzkragen hineingelangen können.