Uckermärker Wein

oder: Welche Rebsorten ich gerne in meinem Garten hätte.

Das Jahr ist fast zu Ende, Zeit für einen Blick auf meinen „Weinberg“.

Ein paar gemeinsame Tage führten meine Liebste und mich Ende Oktober u. a. in ein kleines deutsches Weinanbaugebiet, das Ahrtal, nach Bad Neuenahr, zu meiner ältesten Tante.

Dort wanderten wir einen Tag die Ahr entlang bis nach Rech (im Bildhintergrund sichtbar).

Die allermeisten Trauben waren schon gelesen, so dass ich mir ohne Gewissensbisse die Taschen mit übrig gebliebenen Exemplaren füllen konnte.
Du wirst Dich (so wie meine Frau) fragen, warum ich die Trauben mit nach Hause nehmen will, ob es denn nicht reicht, sich daran satt zu essen?

Wenn Du mich mittlerweile so gut kennst wie meine Frau, wirst Du Dir denken, dass mich meine Sammelleidenschaft dazu zwingt, und damit hast Du ziemlich recht: Irgendwie träume ich davon, mir einen eigenen, kleinen Weinberg anzulegen, die gesammelten Samen dort auszusäen und zu einem „Gemischten Satz“ zu formen (momentan vielleicht in Obernhof/Lahn).

Während einer Kaffeepause in Dernau blätterte ich ein wenig in der dort ausliegenden Schrift „Die Orts-und Schulchronik von Dernau an der Ahr“ und stieß dabei auch auf Listen von Rebsorten, die dort im 19. Jahrhundert angebaut wurden. Neben dem auch damals schon vorherrschenden Spätburgunder fand ich die mir unbekannten Sorten Malinger, Ortlieber, Kleinberger und Österreicher.

Kleinberger und Österreicher entpuppten sich bei einer späteren Internetrecherche als Elbling und Silvaner, der Malinger als alte Sorte, die auf einem kleinen Weinberg des Winzers J. J. Hostert im Ahrtal überlebt hat.

Andere mir kaum bekannte Sorten, deren Namen ich in Walporzheim an einer kleinen Schaureihe von Reben oder in den Weinbergen auf Schautafeln gefunden hatte, sind neuere Kreuzungen: „Domina“ (Portugieser x Spätburgunder, 1927), „Dunkelfelder“ (Madeleine Angevine x Färbertraube, vor 1912) und „Heroldrebe“ (Portugieser x Lemberger, 1929).

Bisher waren mir neue Kreuzungen ziemlich schnuppe, ich wollte „alte Sorten“; aber nun will ich auch diese in eine kleine Weinprobe mit meinen Schwiegereltern einbeziehen, die demnächst stattfinden wird.
Mit dabei sein werden noch: Frühburgunder, St. Laurent, Portugieser, Lemberger, Trollinger, Schwarzriesling und Tauberschwarz, eine alte Sorte aus dem Taubertal, die ich erst gestern entdeckt habe.

Aber nun zurück zu meinem Garten, zu meinem zukünftigen „Laubenwein“. Wie haben sich meine Reben der Sorten Blauer Portugieser, St. Laurent, Silvaner und Gutedel 2014 entwickelt?

Ein paar Bilder meiner Reben aus dem Frühjahr habe ich ja schon meinem 1. Weinbericht „Wein, Weib und Gesang“ beigefügt; deshalb folgen hier nur Ansichten ihrer weiteren Entwicklung im Jahresverlauf 2014.

Die 11 Reben, die ich nicht umpflanzen musste, wucherten so ordentlich, dass sich die längsten Triebe Anfang Juli schon wieder zur Erde bogen, da sie über die Stangen hinauswuchsen, die ich zum Anbinden neben jede Pflanze gestellt hatte.

In den Ferien, deren Beginn ich allein mit meinen Jungs im Garten verbrachte, fand ich endlich die Zeit, mich über den Rebschnitt zu informieren. Meine Gartenbibliothek bot mir einige Hinweise, die sich mir aber zu großen Teilen nicht wirklich erschlossen. Da mir ein Autor aber Mut machte mit der Aufforderung: „Nun aber nicht mehr gezögert, lieber Freund! Laß uns doch einen Versuch machen, schneiden wir unbedenklich den Weinstock so gut oder so schlecht, als es uns eben gelingt! Der Weinstock wird es schon selbst anzeigen, was wir falsch gemacht haben“ (Der Lehrmeister im Garten – Unterweisung im Anlegen, Bepflanzen und Pflegen des Hausgartens im Obstbau, Gemüsebau und in der Blumenzucht, Johannes Böttner, 8. Auflage, 1908, Reprint 1998, Gondrom Verlag GmbH, Bindlach), wurde ich trotzdem in dieser Sache aktiv.

So versuchte ich die Anweisungen in „Martin Stangl’s Großer Gartenratgeber“ (Planung, Anlage, Geräte, Blumen, Gehölze, Obst, Gemüse, Düngung, Pflanzenschutz, BLV Verlagsgesellschaft mbH, München Wien Zürich, 1993, München) nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen:

„Nach der Pflanzung belassen wir nur einen kräftigen Trieb und schneiden diesen auf 2 Knospen zurück. Im Laufe des Sommers entstehen daraus 2 Triebe, von denen der schwächere nach Bildung mehrerer Blätter entspitzt wird. Der andere kann sich dann um so besser entwickeln.
Im nächsten Frühjahr wird der schwächere Trieb entfernt, der andere auf etwa die Hälfte eingekürzt. Beim Rückschnitt bleibt – im Gegensatz zu den übrigen Obstarten -über der angeschnittenen Knospe jeweils ein kleiner Zapfen von 2 cm Länge stehen. Dadurch wird ein Austrocknen der empfindlichen Knospe verhindert. Aus der obersten Knospe dieses Triebes entsteht die Verlängerung, die wir immer wieder anbinden, um eine gerade Mitte zu erhalten. Aus den übrigen Knospen sollen in Abständen von etwa 20 cm seitliche Triebe entstehen.Ist eine größere Fläche zu bekleiden, so lassen wir im Abstand von 1 m Seitentriebe weiterwachsen und binden sie an das Spaliergerüst an. Es sollen daraus stärkere Äste werden, an denen ebenso wie am Mitteltrieb Fruchtholz entsteht. Alljährlich, im Frühjahr, werden die Verlängerungstriebe eingekürzt.
Ähnlich wie bei den Obstbäumen bauen wir also auch beim Weinstock erst ein Gerüst aus stärkeren Ästen auf, an denen zahlreiche seitliche Triebe (Fruchtholz) entstehen. Diese Seitentriebe, die in Abständen von etwa 20 cm aufeinander folgen sollen, werden nach dem Austrieb an das Spaliergerüst gebunden. Beim nächsten Winterschnitt, der nach Beendigung der Kälte vorgenommen wird, werden diese Seitentriebe auf 2 Knospen eingekürzt, wobei über der äußeren Knospe wieder ein Zapfen verbleibt. Aus den beiden Knospen entwickeln sich 2 junge Triebe, die einer Sommerbehandlung bedürfen: Ende Mai werden sämtliche zu dicht stehenden Jungtriebe ausgebrochen, besonders Wasserschosse, die aus dem alten Holz entstanden sind. Je Zapfen verbleiben nur die 2 kräftigsten Triebe mit geschlossenen Blütenständen (Gescheine).

Während der Blüte, also etwa im Juni, binden wir die jungen Triebe mit Bast so am Spaliergerüst an, daß die Wandfläche möglichst gleichmäßig bedeckt ist. An Trieben, die länger als 80 cm geworden sind, wird die Spitze entfernt. Geiztriebe, die aus den Blattachseln entstanden sind, nehmen wir bis auf 1 Blatt zurück. Diese Arbeit wird den Sommer über fortgesetzt. Im August werden dann die fruchttragenden Triebe auf 3-5 Blätter über der obersten Traube eingekürzt. Beim darauffolgenden Winterschnitt wird von den beiden Jungtrieben, die aus den vorjährigen Zapfen entstanden sind, der äußere mit dem alten Zapfenteil abgeschnitten. Der andere Trieb bleibt stehen und wird wieder auf 2 Knospen zurückgeschnitten.“

Ich brach danach immer fleißig alle neuen Triebe aus, bis mir doch ein wenig mulmig wurde, als die alten Blätter im August zahlreiche Anzeichen von Krankheiten, wie z. B. den „Echten Mehltau“, zeigten. Aber was hatte J. Böttner gesagt: „Der Weinstock wird es schon selbst anzeigen, was wir falsch gemacht haben“; ich hoffe nur, die Reben überleben meine Lehrzeit.

Nun ja, eine Schüssel Trauben konnte ich am 23. September dennoch ernten…

…zu Saft verarbeiten…

…und sogar trinken.

Keine Frage, er war säuerlich, aber gut genießbar und auch als Federweißer noch sehr ordentlich (die ausgepressten 0,75l impfte ich gleich mit dem Bodensatz einer gekauften Flasche gärenden Traubenmostes), doch als Wein eindeutig zu sauer (ein Gläschen voll ließ ich durchgären). An einen solchen Wein müsste ich mich gewöhnen.

Bis ich aber ein ganzen Fässchen Wein erzeugen kann, wird wohl noch eine Weile vergehen, in der ich mich über die zahllosen Möglichkeiten schlau machen kann, aus sauren oder gar faulen Trauben „guten“ Wein zu machen. Das Themenportal „Önologie“ bietet dazu reichlich Stoff.

Ich hoffe nur, ich verderbe mir damit nicht jeden Appetit auf Wein.