Maccheroni con Zucchine

oder: Warum wird im Deutschen zwar Makkaroni aber nicht Zukkini geschrieben?

Und nicht auch Radikkio und Gnokki, sehr wohl aber Brokkoli?

Ja, warum?

Ich finde diese weltbewegende Frage bedarf langsam mal der Klärung; denn bei kaum eine:r Gärtner:in wird besagtes Kürbisgewächs heutzutage im Garten fehlen; und wer es anbaut, wird es nicht nur ernten und essen, sondern oft auch mal darüber reden oder sogar schreiben.

Mehrere halbierte Zukkini

12. Juli: Vorbereitung einer Zukkini-Mahlzeit

Im Beitrag „Erfolgreich ‚Zukkini‘ schreiben“ habe ich mich schon einmal ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt; dort ging es vor allem darum, wie die Rechtschreibung von Wörtern im Deutschen überhaupt festgelegt wird und von wem, und wo die Schwierigkeiten liegen könnten, gewohnte Schreibweisen zu ändern.

Später wurde ich durch Hinweise von Leserinnen auf die Worte „Radicchio“ und „Brokkoli“ und vor allem durch die Bekannschaft mit einer Nudelpackung, auf der „Maccheroni“ stand, noch einmal angeregt, mich mit der Schreibweise von „Zucchini“ auseinanderzusetzen.

Das soll jetzt geschehen…

Bei meinen neuerlichen Rescherschen habe ich festgestellt, dass schon vor nun fast genau 120 Jahren, auf der II. Orthographischen Konferenz, die vom 17. bis 19 Juni 1901 in Berlin stattfand, beschlossen wurde, bei Fremdwörtern die Schreibweise von „cc“ in „kk“ zu ändern.

Nun drängen die Fragen „Warum wurde bzw. wird dieser Beschluss nicht konsequent umgesetzt?“ und „Warum findet sich in den gültigen, deutschen Rechtschreibwörterbüchern immer noch die längst überholte Schreibweise ‚Zucchini‘?“ auf eine letztgültige Antwort.

Üppige Zukkinipflanze am 24. Juli

Die üppigste Zukkini-Pflanze am 24. Juli

Blick ins Innere der üppigsten Pflanze

Gold-gelbe Zukkini im Innern der üppigsten Pflanze

Mit meinen nachfolgenden Ausführungen hoffe ich die Anpassung der Zucchini an deutsche Verhältnisse zu beschleunigen – auch, indem ich von diesem Gemüse, trotz der vielfach beschworenen Gefahr einer Verkreuzung mit giftigen „Zierkürbissen“, alljährlich eigenes Saatgut gewinne und verwende.

Meine Gedanken über die Schreibweise dieses Kürbisgewächses garniere ich mit Bildern meiner letztjährigen Zukkini-Pflanzen, von denen ich 2019 verschiedene Sorten hatte zusammen wachsen und sich mischen lassen; Ihr könnt sehen, was aus den Samen der runden und der gelben Zukkini erwachsen ist.

Kiste voller überreifer, gelber Zukkini

Kiste voller überreifer, gelber Zukkini, noch ohne Sortennamen

Zuerst einmal versuche ich aber eine Antwort auf die Frage zu geben:

Warum wird im Deutschen „Makkaroni“ geschrieben?

Diese Nudeln wurden nämlich nicht immer so geschrieben.

Vier verschiedene, gelbe Zukkini

Vier verschiedene, gelbe Zukkini, zum Verspeisen nicht mehr optimal, aber zur Samengewinnung schon brauchbar

Als unser (früheres) Kultur-Idol Johann Wolfgang von Goethe 1787 durch Italien reiste, berichtete er am 29. Mai aus Neapel: „…Die Maccaroni, ein zarter stark durchgearbeiteter, gekochter, in gewisse Gestalten gepreßter Teig von feinem Mehle, sind von allen Sorten überall um ein Geringes zu haben. Sie werden meistens nur in Wasser abgekocht und der geriebene Käse schmälzt und würzt zugleich die Schüssel.“ (Italienische Reise, 2. Teil, S. 266)

Aufgeschnittene, gelbe Zukkini

Gelbe Zukkini werden für eine Mahlzeit zubereitet

Aufgeschnittene gelbe Zukkini mit unterschiedlicher Fleischfarbe

Zukkini züchten: Es gab zwei unterschiedliche Fleischfarben

Ob nun Goethe die „Maccaroni“ in Deutschland mit diesem Reisebericht bekannt (und beliebt) gemacht hat oder auf welche Weise sie sonst in den deutschen Sprach- und Speisegebrauch Eingang fanden, konnte und wollte ich nicht weiter ermitteln; aber Johann Georg Friedrich Jacobi hat sie in dieser Schreibweise dann 1799 in sein „Neues vollständiges und allgemeines Waaren- und Handlungs-Lexicon“ (Zweiter Band. G – Q) aufgenommen und ihnen einen eigenen Eintrag gewidmet:

„Maccaroni, Pasta, eine Art dicker und hohler Faden- oder Schnurnudeln, die von feinem Waizen-Mehl, Eyer und Wasser gemacht, und in besondern Maschinen geformt, und getroknet zu Markte gebracht werden. Sie kamen ursprünglich aus Italien, werden aber dermalen in Wien und Salzburg eben so gut nachgemacht. Man hat deren von allerlei Formen und Gestalten, wonach sie auch benennet werden. So nennet man z. B. Maccaroni a Canna, die stengelförmigen; – Tagliarini, die glatten, platten und eckigten; – a lumaga, die schneckenförmigen; – Vermicelli, die wie kleine Regenwürmer gebildet sind u. s. w. Eine geringere Gattung dieser Eßwaare wird zu Fürth, Schweinau und Sünderbühl, bei Nürnberg und auch in Prag gemacht. Man handelt diese Waare nach Pfunden, und muß sie sehr trocken halten, ausserdeme sie leicht Schaden leiden.“

Auch in zahlreichen Kochbüchern des 19. Jahrhunderts konnte ich Rezepte mit „Maccaroni“ finden, wie z. B. in einem Kochbuch der früher sehr bekannten Henriette Davidis.

Topf mit Zukkini-Stücken

Spagetti-Zukkini-Gericht aus gelben, namenlosen Zukkini

Es steht zumindest fest, dass die Maccaroni direkt aus dem Süden Italiens nach Deutschland einwanderten. Wären sie aus Norditalien zu uns gekommen, würden wir heute „Maccheroni“ schreiben und uns mit der Aussprache ebenso schwer tun wie bei „Zucchini“; denn in der italienischen „Hochsprache“ werden diese Nudeln schon seit ca. 1350 als „Maccheroni“ bezeichnet, wie in einer Ausgabe des „Decamerone“ (3. Geschichte des 8. Tages) von 1573 des Giovanni Boccaccio nachzulesen ist (Corona-Hinweis: In der Vorrede berichtet er übrigens über den Umgang der Menschen mit einer damals grassierenden Seuche, der Beulenpest).

In der Einzahl heißen sie übrigens „Maccherone“, wie uns das „Grande dizionario della lingua italiana“ lehrt, dem ich auch den Hinweis auf die „Ur-Schreibung“ zu verdanken habe.

Nun, wie dem auch sei, in Deutschland schrieb man von Anbeginn die süd-italienische Lokalform „Maccaroni“; in dieser Form wurden sie 1880 auch von Konrad Duden in sein erstes „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ (S. 103) aufgenommen.

Nachdem die deutschen Einzelstaaten 1871 in einem Deutschen Reich vereint wurden, setzten auch Bemühungen ein, die Schreibweise der Wörter, die im Deutschen benutzt werden, nach bestimmten Regeln zu vereinheitlichen. Der bisherige regionale Wildwuchs sollte auf ein reichseinheitliches Maß zurechtgestutzt werden. Dazu wurden zwei Orthographische Konferenzen abgehalten; die erste 1876 und die zweite, wie erwähnt, 1901.

Gelg-gestreifte, grüne Zukkini am Busch

Ebenfalls ein Mischlingskind der „Golden Soleil“ vom letzten Jahr

Auf der Konferenz von 1901 wurde unter anderem beschlossen, dass alle Wörter aus fremden Sprachen, die bis dahin mit „cc“ geschrieben und wie „kk“ gesprochen wurden, auch mit „kk“ geschrieben werden dürften. Seitdem wurden „Accord“, „Accusativ“ und eben auch die „Maccaroni“ mit Doppel-K geschrieben.

Anfänglich werden in den meisten Wörterbüchern noch beide (oder mehr) Varianten aufgelistet; doch die Buchdrucker litten daran, sich immer wieder für eine der möglichen Varianten entscheiden zu müssen, und beauftragten Konrad Duden deshalb, die jeweils „richtige“ festzulegen. Diesen Gefallen tat er ihnen 1903 mit dem so genannten „Buchdruckerduden“, der dann 1915 zum allgemein maßgeblichen Wörterbuch wurde (siehe die dortigen Grundsätze zur Fremdwortschreibung auf den Seiten XX bis XXII).

Grün-früchtiger Nachkomme der Golden Soleil-Zukkini

Auch einen grün-früchtigen, „unreinen“ Nachkommen gab es

Du wirst deshalb in sämtlichen Büchern, die nach 1915 gedruckt wurden, ausnahmslos „Makkaroni“ lesen (siehe den Unterschied der beiden deutschen Ausgaben des „Dekameron“ von 1874 und 1912 oben).

Nun bleibt aber immer noch die Frage:

Warum werden nicht auch die Zucchini mit Doppel-K geschrieben?

Ich kann hier leider nur Vermutungen zum Besten geben (eine Anfrage an den Deutschen Rechtschreibrat, die maßgebende Instanz für die deutsche Rechtschreibung, blieb bisher ohne Antwort): Zur Zeit der II. Orthographischen Konferenz waren „Zucchini“ in Deutschland noch so gut wie unbekannt. Beim letzten Versuch einer Rechtschreibreform 1996 musste über alle möglichen anderen Punkte so viel Energie in die Auseinandersetzung mit dem „Bildungsbürgertum“ investiert werden, dass möglicherweise für solche Lappalien, wie die konsequente Fortschreibung der Fremdwortschreibung, keine Energie mehr zur Verfügung stand.

Vier goldgelbe Zukkini

Busch mit goldgelben Zukkini (aus den Samen einer letztjährigen „Golden Soleil“)

So könnte es sein, dass einfach vergessen wurde, neuere Wörter aus dem Italienischen ebenfalls nach den schon längst gefassten Regeln zu behandeln und sie statt mit „cc“ mit „kk“ zu schreiben. Dadurch behielten „Zucchini“, „Radicchio“ und „Gnocchi“ ihre italienische Schreibweise – und wir müssen Italienisch lernen, um diese Wörter korrekt auszusprechen (und alle, die kein Italienisch beherrschen, haben ihre Schwierigkeiten mit der Aussprache – und sagen „Zuchini“, „Zuschini“ oder „Zutschini“ (Hey, nicht dass Ihr denkt, ich sei besser: Ich habe bis vor kurzem „Raditschio“ gedacht – und gesacht!)

Runde Zukkini

Aus den Samen der runden Zukkini sind auch nur wieder Pflanzen mit runden Früchten entstanden

Jetzt gerade trifft mich ein Verdacht wie ein Schlag. O, nein, das wage ich jetzt aber nicht wirklich ernsthaft zu denken!

Es kann unmöglich sein, dass die deutschen Rechtschreibweisen nicht wissen, dass im Italienischen „cch“ wie „kk“ gesprochen wird, dass im Italienischen das „h“ nach „cc“ und vor „i“ und „e“ nur signalisieren soll, dass „cc“ in diesem Fall nicht wie „tsch“ gesprochen werden soll sondern wie „kk“, ansonsten aber bedeutungslos ist!

Dass also die Buchstabenfolge „cch“ in „Zucchini“, „Radicchio“ und „Gnocchi“ gleichbedeutend ist mit „cc“ und deshalb im Deutschen „kk“ geschrieben werden sollte – wie es einst festgelegt wurde (nicht eines der beiden „c“ ist überflüssig, wie viele Deutsche denken, sondern das „h“ hat hierzulande keinerlei Bedeutung).

Nein, das kann nicht sein!

Zukkinigericht

„Gefüllte Zukkini“; am 5. August fiel die letzte „Weiße Keule“ des Vorjahres dem Verzehr zum Opfer

Trotzdem: Wenn „Makkaroni“ korrekt ist, dann müssen auch „Zukkini“, Radikkio“ und „Gnokki“ korrekt sein.

Was meint Ihr?

Ich bin auf jeden Fall jetzt endgültig überzeugt, dass die Schreibweise „Zukkini“ nicht nur einiges für sich hat, sondern auch schon längst beschlossen wurde, und schreibe deshalb ganz bewusst nur noch „Zukkini“ (und „Radikkio“ und „Gnokki“). Letztlich bestimmen die Schreibenden im Deutschen ja, wie ein Wort geschrieben wird.

Wie siehts bei Euch aus, macht Ihr mit? Dann gehts schneller, die falsche Form aus den Rechtschreib-Wörterbüchern zu verdrängen… …aber wenn Ihr nur Zukkini-Samen selbst gewinnt und eigene Zukkini-„Sorten“ erschafft, bin ich auch schon zufrieden…