Unreife Tomaten sind saulecker
oder: Rezepte für unreife, grüne Tomaten.
In zwei Beiträgen („Wahn oder Wirklichkeit?“ und „Besser wissen“) habe ich mich ausführlich mit den Warnungen zahlreicher „Expert:innen“ auseinandergesetzt, unreife Tomaten auf keinen Fall zu essen, und sie dabei als das entlarvt, was sie sind: Unverantwortliche Panikmache.
Allein die zahlreichen Rezept-Videos für unreife Tomaten aus aller Herren Länder, die ich bei „Wahn oder Wirklichkeit?“ eingebunden habe, müssten solche übertriebenen Warnungen der Lächerlichkeit preisgeben.
Aber auch der Umgang dieser „Expert:innen“ mit den Solanin-Gehalten unreifer Tomaten beweist m. E. zur Genüge, dass es sich mehr um Angst- und Panikmache handelt als um anständige Aufklärung: Es werden Daten ungeprüft irgendwo abgeschrieben und sogar teilweise drastisch verfälscht. Daten über die Menge an Solanin/Tomatin, die der „Normal-Mensch“ ohne Bedenken täglich zu sich nehmen kann, werden überhaupt nicht (korrekt) angegeben.
Die Sündenliste solcher „Gesundheitsapostel“ ist in diesem Fall lang; deshalb versuche ich, dem ein wenig entgegenzuarbeiten, damit nicht zu viele Menschen ihre grünen, unreifen Tomaten aus unbegründeter Angst kompostieren, sondern sie lieber für schmackhafte Zubereitungen nutzen.
Das nachfolgende Video lässt den Betrachter die Folgen der Panikmache durch deutsche „Fachleute“ hautnah miterleben: Ljuba, die den (wunderbaren) Video-Kanal „Kalinkas Küche“ betreibt und die von kleinauf in ihrer früheren Heimat Kasachstan unreife Tomaten gegessen hat, zweifelt in Deutschland an ihren eigenen Erfahrungen und braucht deshalb zwei Jahre, um sich zu trauen, ein Rezept für unreife Tomaten zu veröffentlichen. Unfassbar!
Wer also wirklich aufgeklärt werden möchte, der lese meinen ausführlichen Beitrag „Wahn oder Wirklichkeit?“; wem eine Kurzfassung genügt, dem ist mit „Besser wissen“ schon geholfen.
Wer schon genug weiß, dem helfen vielleicht die nachfolgenden Rezepte, seinem Wissen Taten folgen zu lassen (unten habe ich noch ein paar Links auf weitere Informationen und vor allem auf noch viel mehr Rezepte eingebunden):
Rezepte mit grünen, unreifen Tomaten
Die beiden nachfolgenden Rezepte habe ich im vergangenen Jahr, neben einem weiteren Versuch mit „Essig-Tomaten“, zum ersten Mal ausprobiert.
Grüne-Tomaten-Chutney
Dieses Rezept habe ich von einer Freundin bekommen, die es wiederum von ihrer Mutter kannte; jene merkte an, dass es auch einer russischen Bekannten bekannt sei.
Zutaten:
- 500 g grüne Tomaten (vorbereitet gewogen)
- 100 g Rosinen
- 2 Knoblauchzehen
- 100 g frischer Ingwer (ersatzweise Ingwersirup oder kandierter Ingwer)
- 1 Chilischote
- 1 Zwiebel
- 1 EL Senfpulver (bzw. zerstoßene Senfkörner)
- 1/4 l Weinessig
- 450 g brauner Zucker (eher sehr viel weniger)
- 1 TL gemahlener Koriander
- 1 Prise Pimentpulver (Nelkenpfeffer)
Tomaten in kleine Würfel oder Stücke schneiden, mit Rosinen, geschälten und gehackten Knoblauchzehen, geschabtem oder in Stückchen geschnittenen Ingwer in einen Topf geben. Chilischote halbieren und die weißen Teile und Kerne entfernen und in Stückchen schneiden und zusammen mit der geschälten und gehackten Zwiebel ebenfalls in den Topf geben. Senfpulver, Essig, Zucker, Salz und Gewürze unterrühren und alles etwa 1 Stunde köcheln lassen. Zwischendurch das Rühren nicht vergessen. Das heiße Chutney in Gläser füllen, Deckel aufschrauben und eine Minute auf den Kopf stellen.
Meine Freundin meinte, nachdem sie ein Glas verkostet hatte, es sei zu süß, ihre Mutter habe wohl weniger Zucker zugegeben.
Milchsauer eingelegtes Gemüse
Dieses auch „Muratura“ genannte Einlege-Rezept habe ich von der Mutter eines guten Bekannten bekommen, die nach dem Nazi-Krieg von Ungarn nach West-Deutschland übersiedeln musste.
Zutaten:
- Grüne Tomaten
- Kleine Möhren oder halbierte größere
- Perlzwiebeln
- Kohlrabistücke
- Weißkohl-Achtel
- (spitze) Paprikaschoten, geviertelt
- Sellerieblätter samt langem Stil (Stangensellerie), gestückelt
- Dill (Dillstängel)
- 2-3 Knoblauchzehen
(man kann auch eine scharfe Paprikaschote zugeben, wovon allerdings das ganze Glas scharf wird)
Der Sud:
- Wasser
- pro Liter Wasser ein gehäufter Esslöffel Salz
- 2-3 Lorbeerblätter
- 1 Esslöffel Pfefferkörner
- 10 ml Essig
Zubereitung:
Man legt unten in das (sehr große) Glas einen Dillstängel bzw. 2-3 Selleriestangen, schichtet das ganze Gemüse und 1-2 Selleriestangen möglichst fest darauf und klemmt dann nach Möglichkeit einen Dillstängel (oder auf Maß gebrochene Holzspießchen) so ein, dass das Gemüse beim Übergießen mit dem heißen Sud nicht hochsteigen kann (man kann dazu auch spezielle Keramikgewichte verwenden).
Der Essig wird, sobald die übrigen Zutaten kochen, schnell hinzugeschüttet. Dann wird der Sud sofort von der Kochstelle genommen und über das Gemüse gegossen. Das Glas bleibt einen Tag offen stehen, bis sich der Inhalt gesetzt hat. Mit dem gleichen Sud noch einmal auffüllen, wenn er gesunken ist. Mit Cellophan abdecken und mit Gummiringen befestigen oder zubinden.
Nicht fest verschließen, da Gärgase (Kohlendioxid) entweichen müssen!
Nach zwei Tagen bei Zimmertemperatur beginnt die Milchsäuregärung, die man an den aufsteigenden Bläschen erkennen kann. Nach weiteren vier bis acht Tagen im Warmen dann kühl und dunkel lagern.
Nach 3-4 Wochen kann man davon essen. Das Gemüse ist so bis ins Frühjahr haltbar.
Nota: Auf die selbe Art kann man auch nur grüne Tomaten einlegen; von dem oben genannten Gemüse kann man verschiedenes weglassen, je nach Geschmack oder Jahreszeit.
Meine Nichte, die fermentiertes Gemüse bei ihren Türkei-Aufenthalten zu genießen gelernt hatte, mundete eine Kostprobe vortrefflich; ich habe den größten Teil (leider voreilig) weggeworfen, weil mich die weißen Ablagerungen der Kahm-Hefen zwischen den Gemüsestücken gestört haben (hätte mich der Ratschlag aus „Kalinkas Küche“, die Hefen einfach abzuspülen, rechtzeitig erreicht, hätte ich alles aufgegessen).
Mehr über „Milchsaures Fermentieren“
Wer mehr über das „Milchsaure Fermentieren“ von Gemüse wissen will, für den hat Jörg, veganer Foodie und Sriracha-Addict, auf dem Blog eat-this.org einen langen, aber kurzweilig zu lesenden Beitrag dazu verfasst: Es lebt! Gemüse fermentieren wird dein neues Hobby
Mehr Informationen und Rezepte mit grünen Tomaten auf
Landidylle.com: Grüne Tomaten und die Frage nach der Verwertung
Garten-des-Lebens.de: Grüne Tomaten
Tirolisch.wordpress.com: Marmelade von grünen Tomaten
Foodhunter.de: Grüne Tomaten. Gut und ein bisschen giftig
Küchengarten.de: Verschiedene Rezepte
Ichkoche.at: Grüne Tomaten süß-sauer eingelegt
Chefkoch.de: Gebratene Grüne Tomaten
Öhm… eben auch wieder auf die Solanin-Warnung gestoßen. Und ja – so viel isst kein normaler Mensch.
Interessanter finde ich schon den Hinweis, dass die ganzen Rezepte für grüne Tomaten auf Rezepte mit echten grünen Tomaten (also solchen, die ausgereift noch immer grün sind) und auf Tomatillos zurückgehen. Die Gleichsetzung grüner Tomaten mit unreifen Tomaten also ein Übersetzungsfehler ist. Grade beim Thema Kochen und Gärtnern fällt mir immer wieder auf, wie viel unreflektiert abgeschrieben, unzulässig auf völlig andere Rahmenbedingungen transferiert wird… Den Hinweis werde ich jetzt mal weiter verfolgen…
…und trotzdem das SAUgeile Grüne-Tomaten-Chutney aus unreifen Tomaten aufessen, das eingemacht im Keller steht. Bei Gläschengrößen von 125ml und jeder Menge anderer Zutaten pro Gläschen ist das glaube ich immer noch OK.
Soll ja auch Leute geben, die Alkohol zum Kochen verwenden und zum Essen trinken, obwohl er giftig ist.
Liebe Enrica,
danke für Deinen Kommentar!
Ich glaube aber, dass Du unrecht hast, wenn Du die Gleichsetzung unreifer, grüner Tomaten mit reifen, grünen Tomaten für einen Übersetzungsfehler hältst.
Nein, in Ländern, in denen Nahrungsmittel knapp sind und möglichst viel verwertet werden musste, wurden die nicht mehr reif werdenden Tomaten tatsächlich gegessen; das beweisen die zahlreichen Rezept-Videos, die es dazu gibt (und die ich in meinem Beitrag „Wahn oder Wirklichkeit“ eingebunden habe), meines Erachtens zur Genüge.
Wenn Du jedoch Hinweise darauf hast, dass diese Verwechselung tatsächlich irgendwo stattgefunden und sich danach so falsch verbreitet hat, würde ich mich über Aufklärung wirklich sehr freuen…
Viele Grüße, Jürgen
Guten Morgen,
mir gefällt das Rezept auch! Und ich werde es die Tage umsetzen. Dann hoffe ich, sauleckere unreife Tomaten zu haben ;)
Sonniger Gruß
Also ehrlich: Wenn etwas „SAULECKER“ schmeckt, möchte ich es sicherlich nicht essen!!! Wer kommt bitte auf so ein be… Wort?
Nicht besonders freundliche Grüße
Monika
Liebe Monika, es tut mir leid, dass ich ein Wort verwendet habe, dass in Dir ungute Assoziationen auslöst; aber in meiner Heimat ist eine Sau auch etwas besonders Wertvolles, etwas besonders Gutes, ein Tier, das seinem Eigentümer jedes Jahr bis zu zehn Ferkel schenken kann, – und nicht nur eine Beschimpfung.
„SAUGUT“ ist deshalb das höchste Lob, das jemand aussprechen kann…
Viele, freundliche Grüße
Jürgen
Mir gefällt das Rezept SAUgut. Ich freu mich drauf, auch wenn ich es ein wenig abgeändert habe, aus lauter Neugier. Vielleicht wird’s ja auch SAUlecker.
Manchmal gibt’s auch einfach SAUblöde Kommentare. Kinski würde sagen „Dumme Sau du, morgen Nacht komme ich in Deine Kabine und schlage dir mit der Faust aufs Maul!“. Klassiker und extrem Saugut. (siehe YouTube – Stichwort Titanic)
Selten so gelacht. Und nun heißt es warten, warten, warten und dann happs und wech. mmmmhhh saugeil!
Humor??????????? Lieber Himmel, wie kann man nur so humorlos sein. Macht das Leben noch Spaß?