Gelee aus Johannisbeeren
oder: Was bei der Herstellung von Johannisbeergelee zu beachten ist.
Der soeben bekannt gemachten Aprikosenblüte folgt sogleich die Ernte der Johannisbeeren – zumindest hier als Bericht für mein Dokumentationszentrum – sowie ihre umgehende Verarbeitung zu Gelee.
Die dazu notwendige Vorgehensweise muss nämlich spätestens zum 1. Freitag des kommenden Monats veröffentlicht sein, damit mein ältester Sohn sie nutzen kann, um Johannisbeergelee herzustellen; denn sein Freund Julian und er müssen es für ein Gericht verwenden, falls mein Vorschlag vom Zufallsgenerator aus den Zutaten ausgewählt wird, die in den Kommentaren vorgeschlagen werden: siehe „Freestyle Friday“ auf Youtube – 2 Freunde, 7 zufällige Zutaten und 1 einzigartiges Essen)
In den letzten zwei Jahren habe ich den größten Teil der eher kleinen Johannisbeerernte zu Marmelade verarbeitet (ok, es muss korrekterweise „Konfitüre“ heißen, die Bezeichnung „Marmelade“ ist seit 1982 für Brotaufstrich aus Zitrusfrüchten reserviert – oh, da fällt mir ein: nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU könnte das ja wieder geändert werden). Mittlerweile sind jedoch schon einige meiner zahlreichen Johannisbeersämlinge und -stecklinge ziemlich erwachsen geworden und haben in diesem Jahr – trotz des bösen Frostes Ende April, der auch viele Blüten der Johannisbeerbüsche gekillt hat (fachsprachlich: verrieseln ließ) – einen ordentlichen Beerenbehang zustande gebracht.
Unter dem „Verrieseln“ von Johannisbeeren versteht man: durch ungünstige Umstände, wie Frost, Trockenheit, Nässe, zu dichter Wuchs, schlechte Ernährung u.a. kann es passieren, dass ein mehr oder weniger großer Teil der Blüten an den Rispen nicht befruchtet wird bzw. dass die jungen Früchtchen kurz nach der Befruchtung abfallen. An den Rispen hängen dann oben oder unten nur wenige Beeren; viele Stellen, an denen zuvor die Blüten saßen, zeigen nur einen stumpfen Stielansatz
Sechs fleißige Kinderhände halfen mir am letzten Wochenende, die Beerenrispen von den Büschen zu zupfen.
Der Anblick der vielen roten, weißen und schwarzen Beeren (und möglicherweise auch die Vorstellung, das kommende Jahr über fast nur Johannisbeermarmelade essen zu müssen) rief dann eine Erinnerung wach: In meiner frühen Kindheit hatte meine Mutter einige Male Johannisbeergelee hergestellt, ein wunderbares Zeug, konzentrierter, glibbriger, süßer, fruchtiger Stoff aus purem Johannisbeersaft.
Das schien mir eine gute Lösung: Eine große Menge Beeren wird auf eine weitaus geringere Menge Saft reduziert (wie wir später sehen werden).
Es hieß also, den Saft der Beeren zu gewinnen.
Aus den Anleitungen der Bücher, die ich zu Rate zog, ging leider nicht deutlich genug hervor, ob ich die Beeren samt Stielen entsaften konnte oder ob ich sie zumindest grob abribbeln musste (zumeist wurde zum Entstielen geraten); auch war mir nicht klar, wie viel Wasser ich zugeben musste, damit eine Dampfentsaftung stattfinden konnte.
Vielleicht hätte ich meine Mutter anrufen sollen; aber an jenem Abend war es schon zu spät.
Im ersten Fall ging ich auf Nummer Sicher und machte mir die Mühe, die Beeren zu entstielen (das ging nicht bei allen problemlos, vor allem die weiße Sorte verhielt sich in dieser Hinsicht nicht optimal). Ich habe dann nicht – wie beim Marmeladekochen – so penibel darauf geachtet, dass keine grünen Stielchen an den Beeren hängen blieben: Sie mussten in diesem Falle ja nicht mitgegessen werden. Auch sollten ein paar Stielchen nicht so viele unangenehme (bittere) Geschmacksstoffe in den Saft abgeben können, dass er darunter leiden würde.
Viele Kochbücher raten, die Beeren von den Rispen abzulösen, mit dem Hinweis, dass aus den Stielen Bitterstoffe in den Saft gelangen würden. Bei der Internet-Recherche, die ich grade durchgeführt habe, fand ich allerdings genügend Aussagen, die behaupteten, auf das Entstielen zu verzichten und damit noch niemals bittere Erfahrungen gemacht zu haben.
Bei der zuzugebenden Wassermenge entschied ich mich für ein Glas Weißwein sowie ein Glas Wasser.
Diese Flüssigkeitszugabe war für ca. 3,5 Kilogramm Johannisbeeren anscheinend ziemlich gut geschätzt; denn nach überraschend kurzer Zeit (zehn Minuten?) schien mir, als habe sich der gesamte Topfinhalt schon verflüssigt (eine zweite Charge von 2,7 Kilogramm, die ich nur mit einem Glas Wein bedampfen wollte, brannte mir dann an; möglicherweise hätte Umrühren geholfen – who knows?)
Beim nächsten Schritt, der Trennung des Saftes von Beerenhaut, Samen und Fruchtfleisch, half mir wieder die Erinnerung: Meine Mutter hatte in die vier Ecken eines Küchenhandtuchs (oder einer Kinderwindel) jeweils einen Knoten gemacht und es dann über die vier Beine eines umgedrehten Küchenstuhls gespannt.
Die Knoten verhinderten, dass das Tuch von den Beinen abrutschte, wenn sie den aufgekochten Johannisbeerbrei hineinschüttete.
Ich fand das damals ziemlich genial – und finde das heute nach eigener, erfolgreicher Anwendung immer noch (vor allem, als ich in einem Buch eine Abbildung sah, auf der die Tuchecken mit vielen Bindfadenwicklungen an den Stuhlbeinen befestigt worden waren).
Anschließend beherzigte ich den Tipp, den Saft über Nacht aus dem Fruchtbrei tropfen zu lassen, auch weil es mittlerweile verdammt spät und ich verdammt müde war. Man solle geduldig sein und den Brei nicht ausdrücken; denn dann kämen zu viele Anteile des Fruchtfleischs in den Saft und würden ihn trübe machen. Ohne Druck bliebe er klar. Außerdem solle er abkühlen, bevor man ihn zu Gelee weiterverarbeitete – rieten die Bücher.
Am nächsten Tag hatten sich (bei der ersten Charge) in der untergestellten Schüssel ca. 1,5 Liter Saft gesammelt.
Diesen Saft dann zu Gelee zu verkochen, ist im Vergleich mit den Mühen, den Saft zu bekommen, das reine Zuckerschlecken: ich gab die gleiche Gewichtsmenge (1,5 Kilogramm) Zucker zum Saft und ließ ihn solange kochen, bis die Gelierprobe gelang.
Bevor man kochende Marmelade, Konfitüre, Gelee whatsoever in Gläser füllt, sollte man feststellen, ob sie nach dem Abkühlen auch die entsprechende Festigkeit haben wird.Erfahrene Köch*innen lassen dazu den (hölzernen) Rührlöffel abtropfen: wenn die Tropfen nach wenigen Sekunden zäh werden und nur noch in Zeitlupe in den Topf zurückfallen oder sich auch ein kleiner Vorhang aus der Fruchtmasse bildet, dann sehen sie das Ende des Kochvorgangs gekommen.
Weniger erfahrene Fruchtaufstrich-Produzenten geben einen Teelöffel der kochenden Masse – in diesem Fall, des Saftes, auf einen Teller und stellen nach kurzer Abkühlungszeit fest, ob die gewünschte, geleeartige Konsistenz erreicht ist, indem sie den Teller schräg halten oder den Tropfen mit dem Fingernagel zusammenschieben.
Das habe ich jetzt alles aus Büchern abgeschrieben. Obwohl ich das auch manchmal ausprobiert habe, vertraue ich doch zumeist auf die Zuckerindustrie, indem ich die Anweisungen auf den Gelierzuckerpackungen exakt beachte.
Geliermittel bzw. Gelierzucker soll man bei Johannisbeeren nicht unbedingt benötigen, da sie im Allgemeinen selbst genügend Pektine enthalten, die für das Steifwerden/Gelieren verantwortlich sind, sagen die Bücher. Das habe ich beim Johannisbeergelee selbst erfolgreich überprüft, indem ich nur reinen Zucker zugegeben und die Gelierprobe durchgeführt habe.
Geliermittel selbst gemacht
„Geliermittel sind Lebensmittelzusatzstoffe, die im Wasser quellen oder Wasser binden, also zu einer Gelierung führen. Sie bilden eine gallertartige Masse und geben Suppen, Saucen oder Pudding eine sämige bis feste Konsistenz.“ (Wikipedia)
Das gebräuchlichste Geliermittel für Marmeladen und Gelees sind die Pektine (pflanzliche Polysaccharide oder zu deutsch: Vielfachzucker). „Pektine kommen in allen höheren Landpflanzen vor. Hier findet man Pektine in allen festeren Bestandteilen, beispielsweise den Stängeln, Blüten, Blättern usw. Die Pektine sind in den Mittellamellen und primären Zellwänden enthalten und übernehmen dort eine festigende und wasserregulierende Funktion. Die Pektinzusammensetzung ist nicht nur von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, sondern hängt ebenso vom Typ und Alter des Pflanzengewebes ab. Besonders pektinreich sind Pflanzenteile mit relativ zähen/harten Bestandteilen, z. B. Citrusfrüchte oder Fruchtstände von Sonnenblumen. Pektinarm hingegen sind weiche Früchte, z. B. Erdbeeren.“ (Wikipedia)
Grüne, unreife Äpfel und ebensolche Stachelbeeren enthalten besonders viele Pektine; diese kann man relativ leicht durch Auskochen gewinnen.
Man schnitzelt also z. B. unreife Äpfel in einen Topf, bedeckt sie knapp mit Wasser und lässt sie ein Stündchen köcheln. Dann gießt man sie so, wie ich das oben mit dem Johannisbeerbrei beschrieben habe, durch ein Tuch, um den Saft aufzufangen.
Diesen lässt man dann weiter (ca. um die Hälfte) einkochen, bis die oben beschriebene Gelierprobe gelingt.
Leider reicht das noch nicht aus; denn um sicherzustellen, dass die Pektine in genügender Konzentration in dem Saft vorliegen, muss man versuchen, den gelierten Flecken, der sich (hoffentlich) auf dem Teller gebildet hat, mit zwei Esslöffeln reinem Alkohol (Spiritus) wieder aufzulösen. Wenn dabei eine breiartige, zähe Masse entsteht, ist das Geliermittel fertig und kann in Gläser oder Flaschen (mit Bügelverschluss) gefüllt und im Wasserbad haltbar gemacht werden; wenn sich nur Klümpchen bilden, muss der Apfelsaft weiter eingekocht und der „Alkoholtest“ wiederholt werden.
Dann hieß es, die heiße Masse in die bereit stehenden Gläser zu füllen. Ich stelle sie dabei sicherheitshalber auf ein nasses Tuch, damit sie nicht zerspringen. Zuletzt wische ich ihren Rand noch sauber mit einem feuchten Tuch ab – es tropft fast immer etwas vom Kochgut auf die Gläser – schraube den Twist-Off-Deckel auf und drehe jedes Glas für 2-3 Minuten um (Scheiße, ein Glas läuft natürlich aus, weil ich es nicht richtig zugedreht habe!)
So, der Schweiß ist getrocknet und die Gläser sind abgekühlt, jetzt kann genossen werden: zuerst für eine Weile der Anblick der produzierten Gläser dann ihr Inhalt – im Winter und sonntags zum Frühstück: jeder Bissen wird mich ein bisschen an den Sommer erinnern (einen Vorgeschmack darauf hat mir schon mal der Rest des ausgelaufenen Glases beschert. Übrigens: meine Liebste, Du kannst ruhig auch mal probieren, ähm, kosten, der Zucker, mit dem ich das Gelee gemacht habe, ist der gleiche, der Eis und Süßigkeiten süß macht – und erreicht ganz sicher auch dort die 50%-Marke!)
Möglicherweise werde ich die Ernte der nächsten Jahre – da werden Beeren von ca. 50 roten, weißen und schwarzen Johannisbeersämlingen anfallen – nur noch zu Gelee verarbeiten, nachdem ich sie zusammen mit den Stielen entsaftet habe.