Schwarz-weiß-rot

oder: Wie man mit Johannisbeeren eine alte Flagge nachbilden kann.

„Schwarz-weiß-rot, da war doch was?“, dachte ich, als ich mich für diese Überschrift entschieden hatte, die den Bericht über schwarze, weiße und rote Johannisbeeren in meinem Garten zieren sollte.

Eine kurze Anfrage bei der „Allwissenden Maschine“ führte mich auf die Spur einer Flagge, der Flagge des „unheiligen Deutschen Reiches preußischer Nation“ (Thomas Mann in seiner Rede „Deutschland und die Deutschen“ vom 29. Mai 1945), des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918 also, einer Flagge, deren Farben Monarchisten, Deutsch-Nationale und Nationalsozialisten solange schwenkten, bis sie in der von letzteren entfachten Feuersbrunst (hoffentlich) endgültig verbrannte.

Nun weiß ich also viel über die schwarz-weiß-rote Fahne und stelle mal wieder fest, dass auch ein Garten genügend Anlass für Assoziationsketten liefern und somit auch bilden kann (zumindest, wenn man den Assoziationen ein wenig nachgeht); aber hier soll es nur um Johannisbeeren gehen.

Das Wichtigste vorweg: Ich mag Johannisbeeren, vor allem als Marmelade, die roten aber auch als Kuchen- oder Pfannkuchen-(in Berlin: Eierkuchen-)Belag. Rote habe ich früher schon in meiner alten Heimat auf der elterlichen Hofstelle selbst gepflanzt, hervorragende schwarze auf einem Grundstück in Polen kennengelernt, ausgezeichnete weiße als Hochstämmchen zwei Jahre lang in meinem jetzigen Garten genießen dürfen.

Nachfolgend berichte ich, wie es diesen drei Farben in Form von Johannisbeeren in meinem Garten erging:

Schwarze Johannisbeeren

Als ich den Garten 2012 übernahm, war gerade ein Hochstämmchen schwarzer Johannisbeeren verstorben; an seiner Stelle entwickelte sich aber eine große Zahl seiner Nachkommen – wie ich dachte. Ich ließ deshalb alle aufkeimenden Sämlinge wachsen und hoffte, mir daraus würdige Nachfolger ziehen zu können.

Im Frühjahr 2013 versetzte ich eine größere Zahl von ihnen in die Wiese zu den Obstbäumen, um mit diesen zusammen einen Obstgarten zu entwickeln.

Außerdem besorgte ich mir im Sommer desselben Jahres von jenem polnischen Grundstück ein paar Beeren der Büsche, die ich vor Jahren als besonders wohlschmeckend kennengelernt hatte. Deren Samen säte ich im Garten aus. Die Kinder werden den Eltern doch meistens ziemlich ähnlich, dachte ich, und die Früchte der Sämlinge werden dann wahrscheinlich ebenso gut oder vielleicht sogar noch besser schmecken als die der Elternpflanzen.

Von der möglichen vegetativen Vermehrung der Johannisbeersträucher durch Stecklinge wusste ich bis dato nichts,  Und noch etwas wusste ich nicht: dass die Blätter der Schwarzen Johannisbeeren einen sehr typischen Geruch abgeben, wenn man kräftig über sie hinwegstreicht – und man sie deshalb an diesem Geruch leicht erkennen kann.

Die „polnischen“ Schwarzen Johannisbeeren keimten prima und wuchsen prächtig heran, so dass ich im Frühling 2014 ca. 20 unterschiedlich lange und dicke Sämlinge ebenfalls in den Obstgarten verpflanzen konnte. Über den notwendigen Abstand der Büsche und Reihen machte ich mir keine besonderen Gedanken, wollte ich sie doch nur bis zur ersten Ernte wachsen lassen, um danach über weitere Schritte zu entscheiden.

Ich kürzte ihre Stämmchen bis auf ein paar Zentimeter über dem Boden und unterstützte ihr Gedeihen ansonsten nur durch Mulchen und Unkraut-zupfen. Am Ende des Sommers standen sie jedoch schon so dicht, dass ich mir ernsthaft Sorgen um ihre Gesundheit machte; deshalb lichtete ich sie im Spätsommer noch ein wenig aus und wartete dann auf das nächste Jahr.

Leider musste ich erkennen, dass die Büsche, die ich 2013 verpflanzt und für Sämlinge schwarzer Johannisbeeren gehalten hatte, keine solchen waren: Ihren Blättern fehlte der typische Geruch.

In diesem Jahr (2015) zeigten fast alle diese Johannisbeerbüsche schon reichlich Blüten und später auch Früchte.

Blüten schwarzer Johannisbeeren

Blüten schwarzer Johannisbeeren (25. April 2015)

Ebenso eine Reihe weiterer Büsche, die ich im vorderen Gartenbereich hatte wachsen lassen.

Doch nach der Freude über die zahlreich heranwachsenden Beeren folgte die herbe Ent-täuschung, zumindest eine teilweise: Die Beeren der Büsche, die von den „polnischen“ Samen abstammten und in die ich die größten Erwartungen auf Wohlgeschmack gesetzt hatte, waren nicht gerade ekelig, aber was dann kam.

Schwarze Johannisbeermarmelade wird gemacht! (5. Juli 2015)

Schwarze Johannisbeermarmelade wird trotz allem gemacht! (5. Juli 2015)

Ent-täuschung. Man ist einer Täuschung aufgesessen und wird eines Besseren belehrt. Das ist doch gut und wichtig. Aus den Samen guter Früchte entstehen nicht zwangsläufig Nachkommen mit ebenso guten oder gar besseren Früchten! Diese Lektion will jetzt erst einmal gelernt sein.

OK, ich gestehe, es war nicht so dramatisch, es war eine interessante Erkenntnis, aber kein Totalverlust, keine Hungersnot oder tödlicher Gram. Ich muss eben auch mit Fehlschlägen rechnen, wenn ich Pflanzen aus Samen vermehre. Solche Enttäuschungen sind zwar etwas schwerer hinzunehmen, wenn man eine Pflanze drei bis fünf Jahre hegen und pflegen muss, weil sie frühestens dann erste Früchte trägt; bei Erdbeersämlingen, die schon im folgenden Jahr Früchte ansetzen, kann man solche geschmacklichen Nieten leichter verdauen.

Ein Pärchen des Moschusbocks (Aromia moschata) auf meinen ungenießbaren schwarzen Johannisbeeren (27. Juli 2015)

Ein Pärchen des Moschusbocks (Aromia moschata) auf ähnlich schmeckenden Johannisbeeren (27. Juli 2015)

Trotzdem, ich bleibe dabei: Ich ziehe weiterhin alle möglichen Obst- und Gemüsearten aus Samen und fiebere der ersten Ernte mit Spannung entgegen – auch wenn ich den missratenen, dann schon ziemlich groß gewordenen Apfel-, Birnen-, Pflaumen-, Pfirsich- oder Aprikosenbäumen anschließend den Garaus machen muss.

So, wie ich es mit dem größten Teil der „ungenießbaren“ schwarzen Johannisbeeren im Spätsommer umgehend gemacht habe, obwohl eine alte Züchterweisheit besagt, dass man jede Pflanze drei bis fünf Jahre testen soll, um möglichst viel über ihre Qualitäten zu erfahren.

Das Ende ungenießbarer Johannisbeeren (4. August 2015)

Das Ende ungenießbarer Johannisbeeren (4. August 2015)

Drei Büsche der „Ungenießbaren“ habe ich auch verschont – sie bekommen noch eine oder zwei Chancen.

Ein Teil der schwarzen Johannisbeer-Sämlinge, die ich verstreut im Garten hatte wachsen lassen, hatte dagegen ausgesprochen leckere Früchte; diese werde ich im kommenden Jahr an ihren endgültigen Platz verpflanzen (wo wird er sein?) und mir neue Sortennamen für sie ausdenken.

Schwarzer Johannisbeerbusch im vorderen Garten mit Früchten (29. Juni 2015)

Schwarzer Johannisbeerbusch im vorderen Garten mit guten Früchten (29. Juni 2015)

Weiße Johannisbeeren

Bei meiner Übernahme des Gartens gab es ein Hochstämmchen mit weißen Johannisbeeren, das uns 2013 und 2014 reichlich mit süßen Früchten beschenkte. Ich pflegte es jedoch nur sehr mangelhaft, muss ich gestehen, vor allem aufgrund mangelnder Kenntnisse. Ich goss und düngte es nicht, beschnitt es nicht, so dass es im letzten Jahr sang- und klanglos sein Leben aushauchte.

Im Hintergrund meine mittlerweile abgängigen Hochstämmchen weiß und rot (6. Juli 2014)

Im Hintergrund meine mittlerweile abgängigen Hochstämmchen weiß (links) und rot (mit Netz am 6. Juli 2014)

Ein paar Samen übergab ich zwar noch der Erde; aber ob sie jemals zu frucht-tragenden Büschen heranwachsen werden, weiß nur der Himmel – es waren nur wenige, winzige Pflänzchen am Ende dieses Jahres auszumachen.

Witzigerweise hatte sich einer der Sämlinge, die ich in die Obstwiese gesetzt und anfangs sämtlich für schwarze Johannisbeeren gehalten hatte (da sie an Stelle eines eingegangenen schwarzen Johannisbeerbusches gewachsen waren), als ein Busch mit weißen Früchten entpuppt. Über dessen Qualität ist das endgültige Urteil allerdings noch nicht gesprochen – er soll im nächsten Jahr erst einmal ordentlich tragen.

Außerdem habe ich mir in diesem Jahr noch ein Büschlein „Weißer Versailler“ zugelegt, dem ich im OBI-Baumarkt nicht ausweichen konnte; auch das braucht wohl noch ein bis zwei Jahre, um seine Güteklasse unter Beweis stellen zu können.

Sieht so die „Weiße Versiller“ aus? Ich halte sie eher für die „Rosé de Champagne“

Nachtrag am 14. 12. 2018: Die „Weiße Versailler“ ist wohl eher eine „Fleischfarbene Champagner“ (Rosé de Champagne); aber das zeigt, dass man sich auch auf die Sortennamen von gekauften Pflanzen nicht verlassen kann oder dass auch bei der vegetativen Vermehrung (hier: durch Stecklinge) Mutationen passieren können, z. B. so genannte „Knospenmutationen“.

Auf jeden Fall ist diese Sorte ganz was Feines – lecker, süß, saftig.
Jetzt fehlt mir aber immer noch die „Weiße Versailler“…

Rote Johannisbeeren

Die roten Johannisbeeren waren ebenfalls Teil meines Gartens in Form eines Hochstämmchens, das die Vorbesitzer dort ausgesetzt hatten. Nachdem seine Früchte im ersten Jahr zur Gänze von den Vöglein verkostet wurden, konnte ich dies in den beiden folgenden Jahren durch einen Netzüberzug verhindern. Ich hätte mir die Mühe allerdings sparen können, denn die Früchte waren einfach nur sauer.
Nun gut, für Marmelade mit 50% Zucker waren sie brauchbar, aber sie waren kein überzeugendes Argument, dem Hochstämmchen weiterhin einen Platz im Garten einzuräumen.

Den bekamen ca. 20 Stecklinge, die ich im Oktober 2014 von Büschen auf meines Bruders Hofstelle schnitt, meiner früheren Heimat in Ostwestfalen, die ich dort teilweise noch selbst gepflanzt hatte. Ich schnitt von allen Büschen, die ich finden konnte, zwei bis drei ein-jährige Zweige ab, zerlegte diese später in meinem Garten in handlange Stücke und steckte sie soweit in die Erde, bis nur noch ein, zwei Augen (Knospen) herausschauten.

Die roten Johannisbeerstecklinge aus Hohenwepel am 25. Mai 2015

Die roten Johannisbeerstecklinge aus Hohenwepel am 25. Mai 2015

All diese Stecklinge trieben im Frühjahr bestens aus und entwickelten sich im Jahresverlauf teilweise äußerst kräftig. Im kommenden Frühjahr werde ich sie zurückschneiden und an ihre zukünftigen Plätze versetzen müssen. 2017 rechne ich dann mit einer ersten Geschmacksprobe. Mal sehen, zu welchen Früchten ich auf diesem Wege gelangen werde?

Mehr rote Johannisbeeren werden die Sämlinge in der Wiese, besser: dem heutigen Obstgarten liefern, die ich dort als „schwarze“ Johannisbeeren gepflanzt hatte; aber die bisherige Fruchtausbeute war ebenfalls für ein Urteil zu gering; hier wird hoffentlich das Jahr 2016 schon mehr Gewissheit bringen.

Blütenrispe einer roten Johannisbeere am 25. April 2015

Blütenrispe einer roten Johannisbeere am 25. April 2015

Ihr seht: Es ist mir zu langweilig, ein paar Büsche von allen Farben und allseits gelobten Sorten im Internet zu ordern oder im Baumarkt zu kaufen, das Ergebnis ist zu vorhersehbar. Ich will Spaß, Spiel und Spannung; deshalb werde ich wohl weiterhin alle möglichen Obstarten aus Samen ziehen – und Euch mit Berichten über die Ergebnisse langweilen – bis ich meine Angetraute mit einem Prachtexemplar von Sämling mal wieder in den Garten locken kann.