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Geschichte >Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung von 1933-1945

Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung von 1933-1945

Kommissarische Leitung durch B. Husfeld

Dr. Bernhard Husfeld (1900-1970)
Nach Baurs Tod wurde der bisherige Abteilungsleiter der Rebenzüchtung, Dr. Bernhard Husfeld (1900-1970) kommissarischer Institutsleiter - eine politische Entscheidung, nachdem zunächst der Abteilungsleiter der Mutationsforschung, Dr. Hans Stubbe (1902-1989) von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vorgeschlagen worden war. Als Nicht-Nationalsozialist 1936 entlassen, wurde Stubbe in der DDR von 1951 bis 1968 der erste Präsident der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, der das Müncheberger Institut 1952 zugeordnet wurde. Husfeld war seit 1923 Assistent an Baurs Institut für Vererbungsforschung gewesen. Nach einem Studium an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin wurde sein fachlicher Schwerpunkt die Rebenzüchtung, worüber er 1932 promovierte.

Etaterhöhung, erweiterte strategische Aufgaben

Ab 1934 erfuhr das Institut im Zuge der nationalsozialistischen Prioritätensetzung zugunsten einer starken Landwirtschaft eine Erweiterung seiner Aufgaben, einhergehend mit entsprechender Etaterhöhung:

"Erst im Jahre 1934 wurde ein ausreichender Etat bewilligt, und von da an hat es Haushaltssorgen für das Institut nicht mehr gegeben. Eine ständige Erweiterung trat ein, und der von Baur geplante Ausbau des Instituts und seiner Forschungstätigkeit konnte weitgehend verwirklicht werden. Er war bis zum Beginn des Krieges zu einem gewissen Abschluß gelangt" (Kuckuck & Schmidt 1948).
"Ab Januar 1934 werden die entsprechenden Pläne für die Reichserzeugungsschlacht in der Landwirtschaft vorbereitet, mit denen man einen möglichst hohen Autarkiegrad bei der einheimischen Agrarproduktion bis zum Ausbruch des geplanten Angriffskrieges erreichen will" (Klemm 1998).

Lupinen- und Getreidezüchtung (z. B. die Winterweizensorte "Ostmärker") standen dabei im Mittelpunkt, Beregnungsversuche bekamen stärkeres Gewicht, Mais und Hanf kamen neu hinzu. Eine weitere Sammelreise zu Getreide-, Leguminosen-, Obst-, Gemüse-, Heil- und Gewürzpflanzensorten führte Institutswissenschaftler 1935/36 in den Hindukusch.

Bautätigkeiten und Personalentwicklung unter B. Husfeld

In der Leitungszeit Husfelds entstanden bis 1936 folgende Neubauten:

1936 arbeiteten 32 Wissenschaftler und 48 Angestellte in Forschung, Verwaltung und Gutshof. Zu ca. 100 dauerhaft beschäftigten Arbeitern kamen im Sommerhalbjahr weitere 130 Saisonkräfte.

Direktorenschaft W. Rudorfs

1936 endete die kommissarische Leitung durch die Einsetzung von Prof. Dr. Wilhelm Rudorf (1891-1969) als Direktor. Husfeld, fortan stellvertretender Direktor, konnte das Institut schuldenfrei übergeben.
Rudorf studierte als westfälischer Landwirtssohn u.a. in Berlin, promovierte 1926 und habilitierte 1929 über Immunitätszüchtung, war bis 1933 Direktor des Instituto Fitotécnico in Santa Catalina (Argentinien), danach erhielt er eine Professur für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung in Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte waren physiologische Effekte der Temperatur und Photoperiode auf die pflanzlichen Entwicklungsschritte. Rudorf war neben T. Roemer Herausgeber des in Deutschland sehr bedeutenden "Handbuches der Pflanzenzüchtung" (1941-1950).

Prof. Dr. Wilhelm Rudorf (1891-1969)

"Seit 1936 liegt die Koordination der deutschen Pflanzenzüchtungswissenschaften in den Händen des neu ernannten Direktors von Müncheberg und stellvertretenden Obmanns der RAG [Reichsarbeitsgemeinschaft] Pflanzenbau, Wilhelm Rudorf (1891-1969). Aufsehen erregt das Müncheberger Institut damals vor allem durch Arbeiten über das künstliche Auslösen von Mutationen bei Kulturpflanzen und die Polyploidieforschung. [...] Systematisch fortgesetzt werden gleichfalls die Arbeiten an der Süßlupine. 1935/36 stoßen die Müncheberger Forscher auf die erste Pflanze von Lupinus luteus mit nichtplatzender Hülse. Nach langen Mühen gelingt es, die Alkaloidarmut mit Platzfestigkeit der Hülsen zu kombinieren." (Klemm 1998)

Forschungsaufgaben

Zwei neue Abteilungen entsprechend Rudorfs Forschungsschwerpunkten (Temperatureffekte und Photoperiode) leisteten sehr anwendungsnahe Forschung. Desweiteren wurde die Futterpflanzenzüchtung verstärkt und Soja, Sonnenblumen, in der Kriegszeit auch Raps und Rübsen neu in das Forschungsprogramm aufgenommen.
Besondere Förderung genossen - wie schon zu Baurs Zeit - die Rebenzüchtung und die Forschung an Kern-, Stein- und Beerenobst sowie an Forstpflanzen.
1937 führte eine Sammelreise zu Lupinen nach Süditalien und Palästina, im gleichen Jahr auch nach Äthiopien. Noch im Kriegsjahr 1942 konnte eine Sammelreise nach Griechenland unternommen werden.

Weizen- und Lupinenversuche wurden außerdem auf den Domänen Gorgast und Seelow durchgeführt. Forschungsgegenstand waren auch Hanf- und Leinpflanzen, Obst und selbst Nüsse, Beeren, Gräser, Mohn sowie Pappeln und Korbweiden.
Die agrarmeteorologische Forschungsstelle des Reichsamtes für Wetterdienst führte in Zusammenarbeit mit dem Institut Untersuchungen zu mikroklimatischen Bedingungen in Beständen, Temperaturen an Blattoberflächen sowie an blühenden Kirschbäumen durch.

Nationalsozialistische Gleichschaltung

Die Wissenschaftler und Baur-Schüler Dr. Hermann Kuckuck (1903-1992), Dr. Rudolf Schick (1905-1969) und Dr. Hans Stubbe (1902-1989) wurden in der Zeit der kommissarischen Leitung anläßlich einer fachlichen Auseinandersetzung, letztendlich aber wegen ihrer Haltung als Nicht-Nationalsozialisten angeprangert und zu Beginn der Leiterschaft Rudorfs entlassen. Wenig später verließ mit Dr. Reinhold v. Sengbusch (1898-1985) ein weiterer, ebenfalls politisch angegriffener, wichtiger Mitarbeiter der ersten Stunde das Institut. Sein Name bleibt mit dem Süßlupinenzuchterfolg untrennbar verknüpft.
"Die Schaffung der Süßlupinen bedeutet daher einen wesentlichen Beitrag für die Lösung des Problems der Viehhaltung auf den ausgedehnten Flächen armer Sandböden und somit letzten Endes auch einer dichteren Besiedlung. [...] 1937 wurden schon 47 000 ha mit der neuen Kulturpflanze bestellt" (Institutsführer 1938).

Weiterer Ausbau

Eingangsbereich mit 1937 erbautem "Gefolgschaftshaus"
"Damit die Agrarwissenschaften die ihnen bei der 'Ezeugungsschlacht' zufallende politisch-strategische Aufgabe erfüllen können, fließen ihnen erst einmal wesentlich mehr Geldmittel als in den Jahren der Weimarer Republik zu" (Klemm 1998).
In den Jahren 1936 bis 1938 durchlebte das Institut hinsichtlich Umfang und Potential eine Hochphase, die auch in weiteren Baumaßnahmen Ausdruck findet. So wird bis zum Kriegsbeginn unter der Leiterschaft Rudorfs der von Baur intendierte Ausbauumfang erreicht:

"Im Jahre 1937 entstand ein eigenes Heim für die Belegschaft des Institutes in Gestalt eines mit einem großen Saal für die Verpflegung der Mitarbeiter sowie Vorträge und Festlichkeiten, mit kleineren Gesellschafts-, mehreren Fremdenzimmern und einer modern angelegten Gemeinschaftsküche mit Vorratsräumen ausgestatteten Gebäudes" (Kuckuck & Schmidt 1948).

Ebenso setzte sich die mit Klein-Blumenau begonnene Gründung von Zweigstellen unter Rudorf fort:

1938 hatte das Versuchsgut mit 16 Pferden und zwei Lanz Kühlerbulldoggs von je 38 PS eine Fläche von 328 ha (Eigenbesitz und Pachtland) wovon 83 ha zur Eigenbewirtschaftung genutzt werden konnten. Dem Problem zu geringer Viehhaltung wurde folgendermaßen begegnet: "Der fehlende Dung wird von Berlin bezogen, wobei das eigene Abstellgleis der Kleinbahn Dahmsdorf-Müncheberg - Müncheberg Stadt von Bedeutung ist" (Institutsführer 1938).

Personalentwicklung und Strukturänderungen

1938 hatte das Institut 48 wissenschaftliche Mitarbeiter, 86 technische Angestellte und 150 ganzjährige Arbeiter und Arbeiterinnen. Mit zusätzlichen 120 Saisonkräften ergab sich in der Hochsaison eine Zahl von ca. 400 Beschäftigten (ohne Zweigstellen). Der Institutsetat wurde nun vorrangig vom Reichsernährungsministerium, dem Forschungsdienst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft bestritten.
Zu Kriegsbeginn bestanden 15 Abteilungen, 1940 arbeiteten sogar 70 Wissenschaftler in 23 Abteilungen. Für die folgenden Kriegsjahre fehlen genaue Angaben; Zeitzeugen nennen eine maximale Zahl von ca. 1000 Beschäftigten.

Kriegsbedingte Einschränkungen, Auslagerung und Räumung

Während der Kriegsjahre wurde die Forstpflanzenzüchtung zugunsten eines neuen Institutes für Zellstoffpflanzenforschung in Karlsruhe aufgelöst. Die von Husfeld geleitete Rebenabteilung erfuhr noch 1942 die Aufwertung zu einem selbständigen "Kaiser-Wilhelm-Institut für Rebenzüchtung".
Die allgemeinen kriegsbedingten Einschränkungen (Einberufungen, Material- und Energieknappheit), aber auch die nationale wissenschaftliche Isolierung wirkten schließlich zunehmend auf das Institut. Der Arbeitskräftemangel wurde z.T. durch Zwangsarbeiter ausgeglichen.

Schon unmittelbar zu Kriegsbeginn waren alle spezifischen Eventualitäten, wie Energieeinsparung beim Gewächshausbetrieb und Luftschutzmaßnahmen genauestens geregelt: "Alle in und bei den Gewächshausanlagen und Getreideschuppen beschäftigten Gefolgschaftsmitglieder nehmen im Diebsgraben Fliegerdeckung" (Luftschutzordnung 1939).
Ende September 1944 kam durch Einberufungen zum Volkssturm sowie durch lokalen Stellungsbau die Forschung zum Erliegen. Das Näherrücken der Front führte schließlich im Februar und März 1945 zur Verlagerung allen beweglichen Materials (12 Eisenbahnwaggons; vorwiegend Saatgut und bewegliches Zuchtmaterial, aber auch Gerätschaften, die Bibliothek und Zuchtprotokolle) zu Betrieben in Kleinwanzleben (Saatzuchtfirma Rabbethke & Gieseke) und Egeln bei Magdeburg. Unmittelbar vor Kriegsende erfolgt teilweise eine Weiterverlagerung weiter in den Westen zu "Ausweichstellen" in Ebsdorf b. Uelzen und Heitlingen b. Hannover.
"Angesichts der Tatsache, daß die Oderfront steht und damit gerechnet werden kann, daß die Führung die Oderfront auch unbedingt halten will, halte ich es für meine Pflicht, die Ereignisse in Heitlingen abzuwarten.
Es ist sehr viel Material von Kleinwanzleben hierher gebracht worden. Das Auspflanzen und die Aussaat haben hier begonnen und eine ganze Reihe von Assistentinnen sind hier bereits an der Arbeit. Gehe ich von hier fort, ist das Material völlig gefährdet. Das Saatgut würde wahrscheinlich verfüttert werden oder es würde gestohlen und den zahlreichen Ausländern anheim fallen, die sich, von der Industrie nicht mehr beschäftigt, hier herumtreiben. Es kommt hinzu, daß auch das Material in Ebsdorf nach menschlicher Berechnung sehr bald ähnlichen Bedingungen unterworfen sein wird, wie das nach Heitlingen verbrachte. Für Kleinwanzleben gilt dasselbe" (aus einem Brief des Direktors W. Rudorf vom 6. 4. 1945 von der Ausweichstelle Heitlingen an seinen Vertreter O. Schröck in Müncheberg).

"Im Institut wurde mir vom O 2 des im Institut einquartierten Korps gesagt, daß es richtiger wäre, den Treck auf der Reichsstraße I weiterzuführen, weil die feindlichen Spitzen in Richtung auf Buckow durchgebrochen seien. Ich habe darauf dem noch im Institut befindlichen Teil des Trecks (Trecker mit 3 Anhängern und 2 Pferdegespanne) die Anweisung gegeben, zunächst auf der Reichsstraße I zu marschieren" (aus einem Brief von O. Schröck vom 21. 4. 1945 an die Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft über die Institutsräumung am 18. April).
"Da Herr Professor Rudorf sich zur Zeit der notwendig gewordenen Räumung des Müncheberger Instituts auf der Ausweichstelle des Instituts in Heitlingen befand und ich mit seiner Vertretung beauftragt worden war, befinde ich mich mit den Gespannen des Instituts und einem Teil der Gefolgschaft auf dem Treck. Da uns kein bestimmtes Ziel angewiesen worden ist, habe ich mir vorgenommen, nach Dummerstorf zu kommen" (aus einem Brief von O. Schröck vom 21. 4. 1945 an den Leiter des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Tierzüchtung in Dummerstorf b. Rostock).

Am 17. April 1945 beschädigte ein Luftangriff das Institut und tags darauf räumte die SS das Institut vollständig. Durch die anschließende Flucht der örtlichen Bewohner fehlen bis Kriegsende weitere genaue Angaben.

Eine eher ernüchternde Wertung der hier angerissenen und in der Fachliteratur dokumentierten Züchtungsergebnisse der Jahre 1928 bis 1945 gibt rückschauend der spätere langjährige Direktor der Nachfolgeeinrichtung, Prof. Dr. E. Rübensam: "Als Gesamteinschätzung ist zunächst festzustellen, daß die Vielzahl der züchterisch bearbeiteten Objekte und der Zuchtziele mit dem zwar nicht geringen, gemessen an den Aufgaben dennoch unzureichenden Potential im gegebenen Zeitraum keine sonderlich hohen Erwartungen an praxiswirksamen Züchtungsergebnissen zuläßt" (Rübensam 1998).

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