Narziss und Goldmund

oder: Wie ich die Narzissen und Osterglocken in meinem Garten entdeckte.

In diesem Frühjahr bin ich den Narzissen (oder Osterglocken) zum ersten Mal etwas näher gekommen. Eine Anzahl von ihnen findet sich lose verstreut im Garten. Von den Vorbesitzern wurden sie, wie andere Blütenpflanzen auch, anscheinend ohne besonderen Plan hier und dort in die Erde gesetzt.

Im April, wenn sie normalerweise blühen, bin ich immer nur kurz im Garten und mit Aufräumen, Herrichten und Vorbereiten beschäftigt, so dass mir nur wenig Zeit bleibt, diese Frühblüher zu genießen; außerdem ist es zumeist auch noch zu kühl, um genießerisch herumzusitzen.

So verbrachten sie ihr kurzes, sichtbares Dasein mehrere Jahre von mir unbeachtet.

In diesem Jahr war das aber anders. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass ich einen Teil der bisherigen Blumenrabatte längs des Eingangsweges (auf den obigen Bildern rechts des Weges zu sehen) dem Gemüseanbau widmen will. Alle mir lieben Pflanzen müssen deshalb von dort umgesiedelt werden, u. a. die dort heimischen Narzissen.

Vielleicht haben die Osterglocken an einer Stelle aber auch die nötige Anzahl erreicht, um die Bewusstseinsschwelle zu überschreiten – Feinheiten bleiben mir verborgen, nur pralle Farbkleckse beeindrucken mich.

Vom Rand des Gartens ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt

Vom Rand des Gartens ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt (15. April 2015)

Wie dem auch sei, bei meinem letzten Besuch richtete ich Blick und Kameraobjektiv einmal intensiver auf diese Pflanzengattung und beschloss, ihr eine eigene Seite im Gartenbuch zu gönnen.

Spontan fiel mir als Titel „Narziss und Goldmund“ ein. Ich wusste zwar, dass ich ihn nicht erfunden hatte, dass es sich vielmehr um den bekannten Titel eines Buches handelte, mehr aber auch nicht. Meine Frau brachte Hermann Hesse ins Spiel und die Wikipedia die Zusammenfassung der betreffenden Erzählung dieses Schriftstellers.

Nun haben Narzissen zwar nichts mit der Geschichte von Hermann Hesse zu tun – es sei denn, man geht sie tiefschürfender an, aber mir gefällt der Titel trotzdem, vor allem, da eine meiner Narzissensorten mit etwas Fantasie einen „Goldmund“ zu besitzen scheint.

Ich muss sagen: Ich habe die Narzissen ein wenig lieb gewonnen, selbst die sterilen, gefüllten, die ich auch irgendwo versteckt gefunden habe. Ich werde sie nur ein wenig mehr konzentrieren müssen – damit sie mir in geballter Dosis jedes Jahr zu einem Sinneserlebnis verhelfen.

Bis sie aus eigener Kraft an allen Stellen zu entsprechend großen Zahlen angewachsen sind, kann ich nicht warten – Narzissen sollen nur alle paar Jahre eine Tochterzwiebel „absondern“, die dann mit eigener Blüte die Farbenpracht vergrößert.

An anderer Stelle lese ich, dass man die Narzissenzwiebeln sogar alle paar Jahre vereinzeln soll, da sie sonst bald zu dicht stehen, und jede einzelne Pflanze dann zu wenig Nährstoffe bekommt.

Ja, wenn der Obst- und Gemüsegarten nach meinen Vorstellungen ausgebaut ist und selbstständig funktioniert – dann werde ich auf meine alten Tage noch ein Blumenliebhaber, -pfleger und -züchter!

gelbe-glocke2_2016-04-08

Meine Frau fragte mich zurecht, als ich aus dem Garten heimkam und sie die Narzissenbilder auf der Kamera betrachtete, wo denn der Strauß sei, den ich ihr gepflückt hätte: Beschämt blickte ich zu Boden – den hatte ich bei all‘ den Gedanken im Garten vergessen; dabei wäre es so leicht gewesen, ihr eine Freude zu machen! Chance vertan – unwiderruflich.

Ich schneide Blumen außerordentlich ungern ab; das mag noch eine Erklärung für meine „Vergesslichkeit“ sein…

Eine Woche zu spät…

Eine Woche zu spät…