Aus: Johann Heinrich Lorenz Pansner (Heinrich Maurer; Herausgeber), Versuch einer Monographie der Stachelbeeren,
Doebereiner, Jena, 1852

Vollständiges Digitalisat dieses Buches in der Bayerischen Staatsbibliothek

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Beschreibung


und

systematische Anordnung


englischer

Stachelbeersorten,


nebst

alphabetischem Register,

in welchem zugleich alle andern mir bis jetzt meistens blos dem Namen
nach bekannt gewordenen Sorten angezeigt sind,


und

einem Anhange,

enthaltend die genaue Bezeichnung der Aussprache der englischen Namen der
Stachelbeeren und der vorkommenden Eigennamen für Deutsche.

Zugleich muss man sich
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junge Stöcke zur weitern Bepflanzung selbst ziehen. Es soll nun ge-
zeigt werden, wie man dabei zu verfahren hat.

Erziehung und Vermehrung des Stachelbeerstrauchs.


Der Stachelbeerstrauch hat ein sehr reiches Fortpflanzungsver-
mögen. Er läßt sich auf alle nur mögliche Arten fortpflanzen, die
auf Bäume und Sträucher anwendbar sind, selbst durch Wurzel-
stücken. Man erzieht und vermehrt ihn
  1. um Varietäten fortzusetzen, durch Wurzelausläufer, durch Absenker und durch Stecklinge,
  2. um neue Varietäten zu bekommen aus Samen.

a) Die Betrachtung und Erziehung der Stachelbeer-
sträuche aus Samen.


Die geflissentliche Vermehrung und sorgfältige Erziehung der
Stachelbeeren aus Samen hat in Deutschland bis jetzt wenig Ein-
gang gefunden. Gegen dieses Verfahren scheint man vielmehr abge-
neigt zu sein, da es mehrere unserer vaterländischen pomologischen
Schriftsteller für langweilig und unsicher erklären. Die Eng-
länder aber, die sich unter allen europäischen Nationen am meisten
und mit dem besten Erfolge mit der Stachelbeerzucht beschäftigen,
belehren uns eines bessern, indem wir ihnen alle die neuen, schönen
und großen Sorten Beeren verdanken, die von ihnen blos aus Sa-
men gewonnen worden sind, wir aber von ihnen theuer genug kaufen,
um unsere Gärten damit zu schmücken. Die Produkte des Fleißes
unserer Nachbarn können und müssen wir dankbar benutzen, aber auch
wir selbst müssen uns bemühen, dasselbe Ziel zu erreichen. Diesem
Bestreben steht gar kein triftiger Grund, kein Hindernis entgegen,
wenn wir nur nicht Mühe und Arbeit scheuen, Kopf anwenden und
naturgemäß verfahren.

Die Gewinnung und Aufbewahrung des Samens der
Stachelbeersorten und über die Keimkraft desselben.


Um gute Samen von den Stachelbeeren zu gewinnen, soll man
aus den vollkommen reifen Beeren von den größten und besten Sor-
ten, aus jeder einzelnen Beere den Saft mit den Kernen in einer mit
reinem Wasser gefüllten Schale oder Schüssel mit den Fingern leise
ausdrücken und die Kerne durch Waschen im Wasser gehörig reinigen,

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die gewonnenen Kerne auf Löschpapier ausbreiten, im Schatten an
einem kühlen Orte gut abtrocknen lassen, und sie in Papiersäcken bis
zur Aussaat an einem trocknen Orte wohl verwahren.
Andere geben sich bei der Gewinnung der Samenkerne nicht so
viel Mühe, indem sie die Kerne aus dem Trester, die beim Aus-
pressen der Beeren, um den Saft zur Bereitung des Stachelbeerenweins
zu erhalten, zurückbleiben, blos auswaschen. Ja noch Andere haben
dieses nicht einmal gethan, sondern den Trester selbst, ohne die Kerne
daraus zu gewinnen, zerbröckelt, ausgestreut und unter die Erde ge-
bracht, und dadurch Stachelbeersämlinge erhalten. Dieses ist der
Erfahrung ganz analog, da man bei alten Stachelbeerstöcken nicht
selten Sämlinge findet, die durch den Samen von herabgefallenen
reifen Beeren, oder auch dadurch entstanden sind, daß man beim
Essen reifer Beeren vom Stocke die Schalen ausgespuckt hat, in
welchen noch Kerne befindlich waren, die beim Auflockern der Erde um
den Stock herum mit eingehackt wurden und dann aufgegangen sind.
Die Erfahrung ist übrigens bekannt genug, daß die Keimkraft
der Stachelbeerkerne nicht vernichtet wird, wenn sie durch den Magen
und den Darmkanal der Menschen gehen.
Etwas affallend ist aber wohl jedem eine Notiz über die Stachel-
beersamen, die ihre Keimkraft unter Umständen, die nach allen bis-
herigen Begriffen sie vernichten müßte, bewahrt haben sollen, in
einem Aufsatz über die Lebensfähigkeit im Morgenblatte (1845 Nr. 37
S. 547), wo es heißt: »Aus den Samen der gekochten Hol-
lunder- und aus eingemachten Stachelbeeren sind Stachel-
und Hollunderbeerbüsche ausgewachsen, die noch heute stehen.«
So stark aber auch die Keimkraft der Stachelbeersamen ist, so
ist sie doch nicht von langer Dauer. Vielfache Erfahrungen haben
gezeigt, daß von den frisch gewonnenen, im Herbste desselben Jahres
ausgestreute Samen nur wenig oder gar keine Körner ausbleiben,
von den Samen aber, und wenn er auch nur ein Jahr alt ist und
wohl verwahrt wurde, doch nur wenige aufgehen, daher nimmt
man als Regel an, daß man die Stachelbeersamen, die man zur
Aussaat benutzen will, nicht über ein Jahr alt darf werden lassen.

Neue Sorten von Stachelbeeren zu gewinnen.


Bis jetzt hat man neue Stachelbeersorten blos durch Vermehrung
aus Samen gewonnen. Wenn man auch Samen von einer bestimmten

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Sorte aussäet, der von einem Stocke genommen ist, welcher zwi-
schen andern von verschiedener Farbe und Größe der Beeren seinen
Stand hatte, so kann man doch nicht hoffen, daß alle erhaltene
Pflanzen von derselben Sorte wie der Mutterstock sein werden, indem
theils durch die Luft, besonders aber durch Insecten und vorzüglich
durch Bienen, der Blumenstaub auf andere Stöcke gebracht wird,
daher erhält man gewöhnlich durch Samen aus Beeren von einem
und demselben Stocke oft sehr verschiedene Sorten, von denen manche
sich durch Schönheit, Größe und Wohlgeschmack auszeichnen. Durch
künstliche Befruchtung könnte man freilich diesen Zweck noch mehr und
besser erreichen. Indessen sagt London: »so viel uns bekannt ist, hat
man die wissenschaftliche Methode, eine Varietät mit einer andern zu
befruchten, auf die Stachelbeeren noch nicht angewendet.« Vielleicht
bekommt man interessante und vorzügliche Stachelbeer-Hybriden, wenn
man verschiedene Stachelbeersorten auf einen Stock copulirt, z. B.
rothe und grüne, oder auch von 3 oder 4 verschiedenen Farben und
verschiedener Gestalt und Größe, und dann die auf demselben wach-
senden Beeren zur Gewinnung von Sämlingen benutzt. Derartige
mannigfache Versuche müßten mit der Zeit wohl interessante Resul-
tate liefern.
Die Zeit der Aussaat der Stachelbeersamen ist der nächste
Herbst bis zum Winter, so lange das Land nicht gefroren ist, oder
zeitig im nächsten Frühjahr, der April.
Gewöhnlich säet man den Stachelbeersamen ins freie Land,
andere bringen ihn in Kasten, in Töpfe, ja auch in Treibbeete.
Der Boden, dem man die Samen im Freien anvertraut,
muß von Natur warm und trocken sein, aus einer kräftigen und
fetten Gewächserde bestehen, von allem Unkraut gehörig gereinigt,
und so wie jedes andere Land, welches besäet werden soll, vorher
tief genug umgegraben und zur Aussaat wohl vorbereitet werden.
Auf dem gut vorbereiteten und geebneten Beete wird nun der
Same dünn ausgestreut, den einige wie Salatsamen einharken,
andere aber einen Zoll hoch mit Düngererde besieben. — Besser
aber ist es, wenn man auf dem Beete kleine Graben oder Furchen
zieht, die Stachelbeersamen, eben so wie die Aepfelkerne, in selbige
legt und ihn dann mit der ausgeworfenen Erde bedeckt. — Das
Beet wird nun mit der Brause etwas angegossen und dann später
von dem etwa aufgehenden Unkraut rein gehalten.

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In Kästen und Töpfen mit reichhaltiger, leichter und mürber
Erde gefüllt, lassen sich die Stachelbeerpflanzen ebenfalls gut ziehen,
ja es ist sehr vortheilhaft, letztere zu gebrauchen, wenn man Pflanzen
aus Samen von einer bestimmten Sorte rein zu gewinnen beabsichtigt,
aber man darf die aufgegangenen Pflanzen nicht in warmen Häusern
oder in Treibbeeten verzärteln, die späterhin beim Versetzen in's freie
Land nicht wohl gedeihen oder absterben, sondern man muß die
Kästen und Töpfe in's Freie setzen und da gehörig abwarten, wenn
man sich eines guten Erfolgs erfreuen will.
Die in einem Treibbeete gezogenen Stachelbeerpflanzen sind mei-
stens verzärtelt und bleiben, in's freie Land gepflanzt, wenn sie anders
nicht absterben, gegen die im Freien gezogenen gar sehr zurück.
Die zur gehörigen Zeit dem freien Lande anvertrauten Stachel-
beerkerne keimen im Frühjahre mit zwei rundlichen Samenblättchen
und gehen leicht auf. Die Pflänzchen wachsen im ersten Sommer
schon an einen Fuß hoch. Auf der Schale der Stengel sieht man
zwar in gewissen Distanzen große Stacheln, aber außer diesen noch
eine große Menge kleiner und feiner Stacheln, welche letztere in dem
Schossen späterer Jahre nicht mehr zum Vorschein kommen, blos bei
Wurzelausläufern alter Stöcke bemerkt man zuweilen eben solche feine
Stacheln.
Ist der Same auf dem Samenbeete dünn genug ausgestreut,
so kann man außer Sorge sein, die ausgegangenen Pflanzen verdün-
nen zu müssen. Stehen sie aber zu dick, so muß dieses geschehen.
Die schwächsten Pflanzen werden dann ausgerissen und weggeworfen,
die schönsten und stärksten aber, wenn sie etwa eine Spanne hoch
gewachsen sind, ausgehoben und auf das Zuchtbeet, in die Baum-
schule gepflanzt.
Das Ausreißen und Wegwerfen der zu dicht aufgegangenen und
schwachen Stachelbeerpflanzen widerrieth mir ein erfahrener Gärtner
und meinte, man sollte alle zu dicht aufgegangenen Pflanzen aus-
heben und auf das Zuchtbeet setzen, indem man auch aus den schwa-
chen Pflanzen vielleicht noch Stöcke gewinnen könne, die die schönsten
Früchte tragen.
Die ausgehobenen Sämlinge haben am Schafte unmittelbar über
der Wurzel, sowie über den großen Stacheln, kleine Augen oder
Knospen, aus weichen Ausschüßlinge und Seitenäste entstehen, so daß
der Stock, wenn er groß geworden ist, einen Busch bildet. Die jungen

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einjährigen Sämlinge kann man daher ganz vortrefflich zu neuen An-
lagen von dichten Zäunen und Hecken benutzen und sie sogleich an
Ort und Stelle pflanzen. In diesem Falle muß man jedoch auf
große Beeren verzichten. Will man aber diese gewinnen, so muß
man aus den Sämlingen Bäumchen ziehen und deßhalb ihnen, ehe
man sie auf das Zuchtbeet setzt, alle Augen, Knospen und Triebe am
Stamme mit einem scharfen Messer ablösen, von der Wurzel an bis
zur Spitze, an welcher man blos 2 bis 4 stehen läßt, um durch diese
eine gute Krone des Stockes zu erhalten. Die also zubereiteten einjährigen Stachelbeerpflanzen versetzt man
reihenweise auf die Zuchtbeete oder in die Baumschule, wo sie 1 oder
2 Jahre cultivirt und gezogen werden. "In der Regel", sagt Loudon,
"tragen sie im 3ten Jahre. Dadurch, daß man den besten dieser
Pflanzen keinen sehr reichen Boden gab, sie begoß, beschattete und
die Frucht auslichtete, hat man die größten Sorten erhalten."
Ob ein Sämling große Früchte tragen werde, dieses kann man,
ehe er noch die ersten Früchte liefert, aus der Größe der Blätter
voraus wissen, indem uns die Erfahrung lehrt, daß wir von einem
Stocke, der sich durch große Blätter auszeichnet, auch große Früchte
erndten können.

b) Vermehrung der Stachelbeerstöcke durch Ausläufer.


Die Stachelbeerstöcke sind sehr geneigt aus den Wurzeln, zuwei-
len ziemlich viele Ausläufer (Wurzelschosse oder Schößlinge,
Nebenschößlinge, Wurzeltriebe, Wurzelläufer) zu trei-
ben, die, wenn man den alten Stock in Bezug auf die Größe seiner
Früchte nicht schwächen will, sogleich bei ihrem Erscheinen wegschaffen
muß, und nie empor kommen lassen darf, jedoch dann wachsen läßt,
wenn man die Sorte, bei welcher die Ausläufer zum Vorschein kom-
men, leicht und sicher vermehren will; daher auch die Vermehrung
der Stachelbeerstöcke durch Ausläufer ein gewöhnliches Verfahren ist.
Das Abnehmen der Ausläufer und das Verpflanzen derselben
kann im Herbste (im October), oder zeitig im Frühjahre (im Februar
oder März, je nachdem es die Witterung erlaubt) geschehen. Man
gräbt dann um denselben herum vorsichtig die Erde auf, um die
Wurzeln an denselben nicht zu beschädigen, bis zu der Stelle, wo
er am Mutterstocke ansitzt, schneidet ihn mit einem scharfen Messer
hart am alten Stamme mit der Wurzel ab und verstutzt ein wenig

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ihre gekrümmte oder schwache Spitze. Die stärksten und schönsten setzt
man sogleich im Garten dahin, wo sie künftig bleiben sollen, die
schwächsten aber bringt man auf das Zuchtbeet (in die Baumschule),
wo sie so lange stehen bleiben, bis sie sich zum weitern Versetzen
eignen. Vor dem Versetzen wird aber der Schaft von allen Augen,
außer denen, welche die Krone bilden sollen, gereinigt. Späterhin
nimmt man der Krone die unregelmäßigen neuen Triebe oder Schösse
und zieht sie so, daß ein Hauptzweig von dem andern etwa 1/2 Fuß
entfernt ist: weiter nichts wird von ihnen verkürzt, als etwa einzelne,
zu lang ausschweifende Zweige.
Manche Gärtner behaupten zwar, daß die aus Wurzelausläufern
erzogenen Stachelbeerstöcke denen aus Steckreisern gezogenen weit
nachstehen sollen, weil die erstern viel zu sehr in's Holz schießen und
meistens schlechtere und kleinere Früchte tragen sollen, als der Mut-
terstock; allein dieses müßte wohl noch durch weitere, genauere Ver-
suche zu erweisen sein; überdem haben erstere vor den letztern einen
Vorzug, weil man sie sogleich mit Wurzeln an Ort und Stelle
pflanzen kann, wo sie gewöhnlich, wenn sie gehörig behandelt werden,
schon im ersten Jahre Früchte tragen, die nicht schlechter ausfallen,
als die des Mutterstockes.

c) Vermehrung durch Ableger.


Die Vermehrung der Stachelbeerstöcke durch Ableger oder
Senker ist ebenso leicht, schnell und sicher, als durch Ausschößlinge,
da die auf der Erde nur aufliegenden Zweige sehr leicht Wurzeln
schlagen. Man braucht daher bei einem Stachelbeerstocke nur die
untersten Zweige niederzubeugen und sie mit Haken an den Boden zu
befestigen und an dieser Stelle etwas mit Erde zu bedecken, welches
zu jeder Zeit, vom Frühjahr an, bis zum Herbste geschehen kann.
Der eingelegte Zweig wird sich sehr bald bewurzeln und zwar so
stark, daß man die im Frühjahr und im Sommer eingelegten schon
im Herbst oder im daraus folgenden Frühjahre herausnehmen und
pflanzen kann.
Eignet sich ein Zweig dazu, daß man ihn durch einen Senker
zu einem Bäumchen mit einer Krone ziehen kann, so wird dieses am
besten im September auf folgende Weise vorgenommen: Man schnei-
det mit einem Messer alle Knospen des Ablegers ab und läßt nur
4 an den obern Theile desselben zurück, welche die Krone bilden sollen.

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Er wird dann auf die gewöhnliche Weise niedergezogen, mit einem
Haken im Boden befestigt und etwas mit Erde bedeckt. Gewöhnlich
treibt er, so weit er in der Erde war, Wurzeln, von welchen man
aber nach dem Herausheben und vor dem Verpflanzen nur die unter-
sten stehen läßt und die obern abschneidet.
Man muß die Ableger am Ende des Jahres herausnehmen,
weil sonst der Theil, welcher unter der Erde ist und doch den Stamm
bilden soll, nicht aufschwillt, sondern viele Jahre dieselbe Dicke behält,
wie er gepflanzt wurde.
Ist an einem Stocke ein starker Ausläufer mit vielen Seiten-
trieben, so kann man ihn ganz niederbiegen und mit Erde bedecken,
doch so, daß die Seitentriebe, wo sie am Zweige ansitzen, etwa einen
Zoll unter die Erde kommen, die Spitzen aber gerade hervorstehen.
Diese Seitentriebe werden an dem Wulste, wo sie an dem niederge-
legten Zweige ansitzen, schöne Wurzeln schlagen, fröhlich wachsen und
jeder von diesen Seitentrieben bildet einen schönen Stock für sich, den
man mit einem scharfen Messer von dem niedergelegten Ausläufer
abschneiden, oder auch durch einen kleinen Druck mit den unten an-
sitzenden Wurzeln leicht abbrechen und sogleich verpflanzen kann. Auf
diese Weise erhält man von einem einzigen Ausläufer auf einmal
mehrere schöne Stöcke.

d) Vermehrung der Stachelbeerstöcke durch Stecklinge.


Die Vermehrung der Stachelbeersträuche aus abgeschnittenen
Zweigen, die man in die Erde steckt, damit sie Wurzeln treiben
(Stecklinge, Steckreiser, Schnittlinge, Schnittreiser), ver-
dient, abgesehen von den anderweitigen Vortheilen, die man bei diesem
Verfahren gewinnt, besonders in der Hinsicht den Vorzug, daß man
sie fast zu jeder Zeit unternehmen kann und sie besonders mit der Zeit
zusammentrifft, da man ohnedem die Stachelbeersträucher beschneiden
muß, wodurch man viele Stecklinge gewinnt, ohne den guten Mutter-
stock durch Abschneiden derselben zu verunstalten oder zu beschädigen,
und eine größere Menge Pflanzen von jeder Sorte gewinnen kann,
als durch Ausläufer und Ableger; sie gedeihen auch ziemlich, wenn
man nur die Bedingungen bei der Behandlung derselben beachtet, die
uns die Erfahrungen und Beobachtungen Sachkundiger an die Hand
geben.

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Die Steckreiser können zwar in jedem Boden Wurzeln schlagen,
aber sie gedeihen am besten, wenn er aus einer guten, lockern, mil-
den, fruchtbaren, mit etwas Sand vermischten Erde besteht. Vor-
züglich soll der Lumpendünger das Gedeihen der Stecklinge sehr
befördern, da er die Feuchtigkeit lange erhält und dadurch den her-
vorsprießenden Wurzeln der Stecklinge sehr wohlthätig wird *).
Auch die Lage des Beetes, in welches man die Stecklinge ein-
setzt, ist zu beachten. Es darf nicht der vollen Einwirkung des Son-
nenlichts ausgesetzt sein, weil sonst viele Stecklinge leicht austrocknen.
Deshalb muß es auf einer schattigen, doch nicht zu feuchten Stelle
des Gartens angelegt werden.
Ferner muß man das Beet vom Unkraut rein halten, und die
Stecklinge bei trocknem Wetter immer gehörig begießen.
Ueber die Beschaffenheit der Reiser, die man als Stecklinge be-
nutzen will, sind die Gärtner nicht einerlei Meinung. Einige nehmen
nur einjährige, andere auch zweijährige Schosse; einige nehmen sie nur
7 Zoll, andere bis zu 18 Zoll lang. Die allgemeine Vorschrift ist,
daß man zu Stecklingen von den obersten Zweigen eines Busches oder
Baumes, die gute und schöne Beeren tragen, die stärksten, kräftigsten
und am geradesten gewachsenen Schossen wählt, die man in etwa
l Fuss von einander befindlichen Reihen, in einer Entfernung von
6 bis 8 Zoll von einander in ein Land von der oben angegebenen
Beschaffenheit so pflanzt, das etwa der 3te Theil oder beinahe die

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*) Zur Gewinnung und Anwendung des Lumpendüngers giebt der Verfasser
des "Neuen vollst. Gartenbuchs etc. mit einer Vorrede von Dr. F. G. Dietrich,
4r Band. Ulm, 1838 S. 404, 405." folgende Vorschrift:
"Man feuchtet die wollenen Lappen mit Wasser, oder noch besser, Mistjauche
so an, daß sie durch und durch naß sind, wirft sie auf einen Haufen und läßt sie
einige Tage liegen, bis sie in eine gelinde Gährung übergegangen sind, welches
man leicht an dem Geruche erkennen kann. Werden die aufgeschichteten Lumpen
heiß, so sticht man sie täglich einmal um, um zu verhüten, das sie sich ent-
zünden und dadurch unbrauchbar werden. Jetzt werden sie zerhackt, worauf sehr
viel ankommt. Der Hacker sitzt vor einem hohen Klotze und zerhaut mit einem
scharfen Hackemesser (wie es die Fleischer gewöhnlich haben) die nassen Lumpen
vor der Hand in kleine Stücken. Sobald nun die Lumpen zerhackt sind, werden
sie über Nacht mir Mistjauche befeuchtet. Man bringt sie in einem Korbe auf
das Beet, welches damit gedüngt werden soll. Sie werden so dicht ausgestreut,
daß keine leeren Plätze von einer Hand gross auf dem Beete bleiben. Man gräbt
sie tief unter, und gleich daraus wird das Beet bepflanzt."

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unreifen Zustande, und eben so Verwendet man zu der Sauce, welche
den seinen Geschmack der Makrelen und gewisser anderer Fische noch
erhöht, nur die grünen, unter dem Namen "Makrelen" bekannten
Stachelbeeren. Zu diesem Zwecke macht man auch die unreifen Früchte
ein, und Belgien, England, so wie das nördliche Frankreich, die
einzigen Länder, wo die Gastronomie wahre Jünger zählt, wissen die
grünen Stachelbeeren nach ihrem wahren Werthe zu schätzen *).

Hiermit wollen wir nicht behaupten, daß diese Früchte bei unsern
Nachbarn ihre Reife nicht erlangen können, im Gegentheil, das Klima
Englands ist für die Entwicklung der Stachelbeersorten viel günstiger,
als das unsrige, und sie gelangen dort zur vollkommnen Reife. Die
Stachelbeersträucher wachsen in den dortigen Gärten sogar ohne be-
sondere Cultur und tragen fortwährend. Wir haben zwar denselben
Vortheil, allein unsere hohe Sommertemperatur tödtet sehr oft eine
große Anzahl derselben, und nur bei besonderer Sorgfalt kann es uns
gelingen, so große Früchte zu erzielen wie die Engländer, welche die-
selben auf ihre Ausstellungen bringen und Preise dafür aussetzen.

Die Sämlinge sind so leicht zu ziehen, daß es stets vortheilhaf-
ter ist, die Pflanzen auf diese Weise zu vermehren, als durch Steck-
zweige zu vermehren, welches man nur bei ganz kostbaren Sorten
anwendet, da man, wenn der Same von schönen Früchten abstammt,
auch durch ihn ganz ansehnliche Pflanzen erhält.

Die aus Samen gezogenen Pflanzen haben eine große Kraft und
widerstehen weit mehr wie die andern der Hitze des Sommers, welche
im südlichen Frankreich ihr größter Feind ist. — Dem Makrelen-
Stachelbeerstrauch sagt eine jede Erdart zu, doch hat er am liebsten
einen etwas frischen, kräftigen Boden. Die Sonne ist sein Feind,
mehr aber fürchtet er noch gänzlichen Schatten; und da man unter
zweien Uebeln jederzeit das kleinere wählt, so pflanzt man ihn lieber
in die Sonne, vorausgesetzt, daß die Wurzeln geschützt sind, und
daß die Erde, welche sie umgiebt, ihre Frische behält, entgegengesetz-
ten Falls welkt die Pflanze, bevor sie ihre Früchte zur Reife gebracht
hat, und stirbt gänzlich oder mindestens bis zum Halse ab.

Das beste Mittel, diese Sträucher zu ziehen, ist, daß man die
Erde an ihrem Fuße mit Ziegelsteinen oder mit einer Art Fliesen belegt

*) Auch in Deutschland werden die unreifen Stachelbeerfrüchte zu allerlei
Torten, Compots u. s. w. angewendet.